
Mit dem Elektroauto quer durch Aachen – für Oberbürgermeister Marcel Philipp ist das die ideale Fortbewegung. Dafür setzt er sich ein – und nutzt dazu selbst private Mittel. Der Dienstwagen Philipps, der seit 2009 im Aachener Rathaus regiert, ist zwar „nur“ ein Plug-in-Hybrid. Doch die Zukunftsvision Philipps ist klar: ein emissionsfreier Dienstwagen soll folgen. Privat ist der CDU-Politiker schon so weit. Sein eigenes Auto hat einen reinen Elektroantrieb.
Als Oberbürgermeister hat er sich zum Ziel gesetzt, dass in der Aachener Innenstadt ausschließlich elektrische Fahrzeuge unterwegs sind. Und das lieber heute als morgen. Dafür will er Vorbild sein – und die Aachener Stadtverwaltung soll mitziehen. Für sie hat er ein Sharing- und Elektromobilitätskonzept entwickeln lassen, dass die Dienstwagen reduzieren und emissionsfrei machen soll. Dazu gehört, dass er sein privates E-Auto den Mitarbeitern der Aachener Verwaltung als Dienstwagen zur Verfügung stellt. Im Interview spricht der Rathaus-Chef über seine Motivation, die Erfahrungen und Herausforderungen des Projekts.
WirtschaftsWoche Online: Herr Philipp, Sie sind als Oberbürgermeister sowohl in Ihrem Plug-in-Hybrid-Dienstwagen als auch einem reinen E-Auto, das Sie privat fahren, unterwegs – wieso?
Marcel Philipp: Zunächst einmal ist Aachen eine Stadt der kurzen Wege. Es macht hier nicht allzu großen Sinn, Fahrzeuge zu nutzen, die für große Reichweiten ausgelegt sind, wenn man nur kurze Strecken fährt. Und da wir aufgrund der Talkessel-Lage Aachens eine große Diskussion über die Luftverschmutzung in unserer Stadt haben, will ich hier ein Vorbild sein. Mir ist es sehr wichtig dazu beizutragen, die bestmögliche – emissionsarme, wenn nicht sogar emissionsfreie – Fortbewegung zu organisieren.
Zur Person
Marcel Philipp (CDU) ist seit 2009 Oberbürgermeister der Stadt Aachen. Der Restaurator und Malermeister sitzt bereits seit 1999 für die CDU im Stadtrat Aachen und war lange wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.
Ein Plug-in-Hybrid als Dienstwagen des Oberbürgermeisters ist noch nicht alltäglich – war es leicht, den als Dienstwagen durchzusetzen?
Das war überhaupt kein Problem! Das Problem ist eher, dass wir uns eigentlich eine bessere Elektro-Reichweite gewünscht hätten, als wir sie bekommen haben. Immerhin kann mein Dienstwagen in der Stadt 30 bis 40 Kilometer elektrisch gefahren werden, aber wenn ich den ganzen Tag in der Stadt mehrere Termine habe, dann stößt der Wagen schnell an seine Grenzen. Da würde ich mir mehr Flexibilität beim rein elektrischen Antrieb wünschen. So weit sind wir noch nicht, ich denke aber dass die Autoindustrie in den nächsten Monaten bis Jahren diese Nachfrage erfüllen können wird.
Ist das auch der Grund, warum Ihnen der reine Stromer als Dienstwagen noch nicht reicht?
Genau. Als Oberbürgermeister muss ich viele Termine in der Region Aachen-Maastricht-Lüttich wie auch Termine im Rheinland wahrnehmen. Dann geht es auch bis nach Köln, Bonn oder Düsseldorf und darüber hinaus. Für diese Strecken gibt es faktisch noch keinen adäquaten elektrischen Wagen, der diese Aufgabe übernehmen könnte.
Fakten zu Aachen
Aachen ist seit 1890 die westlichste deutsche Großstadt. Mehr als 253.000 Menschen leben heute in Aachen (Stand 2015). Das Durchschnittsalter in der Stadt liegt – aufgrund der vielen Studenten – bei 40 Jahren. In der Stadt wohnen deshalb auch überdurchschnittlich viele Menschen im Alter zwischen 20 und 26 Jahren.
Aachen wird seit 2009 von Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) regiert. Seit der Kommunalwahl im September 2014 regiert eine Koalition aus CDU und SPD.
Derzeit sind im Aachener Stadtrat die CDU (28 Mitglieder), SPD (20), Die Grünen (13), Die Linke (5), die FDP (3), die Piratenpartei (3), die AfD (2) sowie die Unabhängige Wähler Gemeinschaft (1) und pro NRW (1) vertreten.
Die letzte große Verkehrserhebung zur Werktagsmobilität fand in Aachen im Sommer 2011 statt. Sie zeigte, dass jeder dritte Aachener Haushalt keinen Pkw besitzt – unter anderem wohl auf den hohen Studentenanteil in der Stadt zurückzuführen. Trotzdem sind 41 Prozent der Aachener Stadtbewohner mit dem Pkw unterwegs, weitere zehn Prozent als Mitfahrer im Pkw. Nur zehn Prozent nutzten laut der Erhebung den öffentlichen Nahverkehr. Weitere zehn Prozent sind per Rad unterwegs. 28 Prozent der Aachener legen im Schnitt ihre täglichen Wege zu Fuß zurück.
Die Stadt Aachen kämpft schon länger mit dicker Luft. Auch eine im Februar 2016 eingeführte Umweltzone konnte nicht viel ausrichten – die Stickstoffdioxidwerte in Aachen liegen deutlich höher als die erlaubten 40 Milligramm pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt. Etwa an der Aachener Wilhelmstraße werden regelmäßig 50 Milligramm gemessen. Deshalb verklagte im Herbst 2016 die Umwelthilfe die Bezirksregierung Köln wegen der Luftverschmutzung in Aachen. Die Verhandlung steht noch aus.
Aachen hat im Rahmen der Verkehrsentwicklungsplanung 2014 ein Wunschbild für die städtische Elektromobilität bis zum Jahr 2050 formuliert: „Es wird angestrebt, das 2011 von der EU formulierte Ziel, dass 2050 in Stadtgebieten alle PKW lokal emissionsfrei fahren, in Aachen bereits früher zu erreichen.“
Erste Schritte, dieses Ziel zu erreichen, zeigen sich etwa in den Maßnahmen der Aachener Stadtwerke (STAWAG), die seit 2009 ein Netz öffentlich nutzbarer Ladestationen aufbaut, das beim Aachener Car-Sharing-Anbieter Cambio etwa zehn Prozent der Flotte elektrisch fahren und die Stadtverwaltung Aachen seit Februar 2016 Dienstfahrten mehrheitlich mithilfe der elektrischen Fahrzeugflotte erledigen soll.
Der mit Abstand größte Arbeitgeber Aachens ist die Universität. An der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule – kurz RWTH – arbeiten fast 10.000 Menschen. Zu den größten Arbeitgebern in Aachen gehören zudem neben der Aachener Stadtverwaltung und der Aachener Sparkasse die Versicherung Generali Deutschland, das Pharmaunternehmen Grünenthal und die Lambertz-Gruppe mit ihrer Aachener Printen- und Schokoladenfabrik.
Mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH), der FH Aachen und verschiedenen Abteilungen des Fraunhofer-Instituts gilt Aachen als deutsche Forschungshochburg – insbesondere für Elektrotechnik, Maschinenbau und weitere naturwissenschaftlich-technische Fächer. Die RWTH Aachen ist zudem die größte Universität für technische Studiengänge in Deutschland.
Speziell in der Auto-Forschung hat sich Aachen als Forschungsstandort hervorgetan. So befindet sich etwa das europäische Forschungszentrum des US-Autokonzerns Ford in Aachen und der Streetscooter, der Elektro-Lieferwagen, den sich die Deutsche Post einverleibt hat, wurde in Aachen entwickelt. Die Erfindung und Entwicklung des Streescooters geht auf eine privatwirtschaftlich organisierte Forschungsinitiative der Aachener RWTH-Professoren Achim Kampker und Günter Schuh zurück. Mittlerweile arbeiten sie nach Verkauf der Streetscooter GmbH an die Deutsche Post an einem neuen Projekt: dem massentauglichen Elektroauto. Die Erwartungen an die Elektromobilitätsforschung aus Aachen sind in der Branche sehr groß.
Nun greifen Sie an anderer Stelle aber auf Ihr Privatfahrzeug zurück, der wiederum ein reines Elektroauto ist...
Richtig. Für die kurzen Strecken innerhalb der Stadt ist das tatsächlich die angenehmste, günstigste und für die Luftreinhaltung beste Möglichkeit, sich fortzubewegen. Auch das ist natürlich für mich auf den Vorbildcharakter ausgelegt. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Lebensqualität in großen Städten massiv verbessern können, indem wir einen hohen Anteil rein elektrischer und damit emissionsfreier Fahrzeuge nutzen. Damit reduzieren wir sowohl den Lärm, als auch den Schadstoffausstoß und beides zusammen genommen macht einen erheblichen Effekt in der Innenstadt aus.
Begründet sich in dieser Vorbildrolle Ihre ganz persönliche Motivation?
In erster Linie ja. Hier in Aachen haben wir aber im Bereich der Forschung auch eigene gute Projekte, in denen die Elektromobilität neu gedacht, entwickelt und inzwischen auch produziert wird. Damit steckt für mich als Oberbürgermeister natürlich auch ein wirtschaftliches Interesse dahinter, wenn ich die Elektromobilität forciere.