DriveNow, Car2Go, CarUnity Wie Carsharing aus der Nische kommen kann

Carsharing ist eines der Hype-Themen der Autobauer. Doch die Projekte von Daimler und BMW sind nicht ohne Probleme. Jetzt macht auch Opel mit. Die Rüsselsheimer machen vieles anders – aber auch besser?

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Carsharing der Zukunft. Quelle: imago images

Martin hat ein Problem: Er kann sein Auto nicht mehr parken. Oder zumindest das Auto, dass er gerade fährt – ein eigenes hat er nicht. Martin sitzt regelmäßig in einem der weiß-blauen Smarts von Car2Go, um nach Hause in den Düsseldorfer Vorort Benrath zu fahren.

Nur: Seit Mitte August hat der Carsharing-Anbieter sein Geschäftsgebiet in Düsseldorf um ein Viertel verkleinert. In zahlreichen Randgebieten der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt sowie in den angrenzenden Städten Hilden und Neuss dürfen die Smarts nicht mehr abgestellt werden.

Warum nutzen Sie Carsharing?

Martin muss darunter leiden, dass er einer der wenigen Car2Go-Nutzer in Benrath war. „Wir wissen mittlerweile sehr genau, in welchen Gebieten der Stadt unser Service stark nachgefragt wird und in welchen Bereichen die Nachfrage nach Car2Go-Fahrzeugen geringer ausfällt“, erklärt ein Sprecher den Schritt. „Diese Anpassung ist das Ergebnis einer längeren und intensiven Untersuchung der bestehenden Gebiete.“

Kein Auto besitzen, aber eines nutzen

Für die Autobauer ist Martin Freund und Feind zugleich. Er nutzt zwar eines ihrer Carsharing-Angebote, ist zugleich aber auch Teil eines größeren Problems. Für Volkswagen, BMW, Daimler und Co ist diese Baustelle viel größer als die künftig mögliche Konkurrenz von neuen Wettbewerbern wie Google oder Apple, der Vernetzung der Autos oder die Frage nach dem Antrieb der Zukunft: Ihnen bricht nach und nach die Käuferschaft weg.

Der Anteil privater Käufer an den Neuzulassungen ist seit Jahren rückläufig. Und die Kunden, die sich noch einen Neuwagen zulegen, werden immer älter. Besonders junge Frauen sind selten in einem Autohaus, wie das CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen kürzlich herausgefunden hat.

Die Gründe sind vielfältig: Einige können sich kein eigenes Auto leisten, für andere lohnt es sich in der Großstadt nicht, der nächste hat schlichtweg keine Lust. In einem anderen Punkt sich sich viele aber wieder einig: Sie würden zwar ab und zu ein Auto nutzen – besitzen wollen sie es aber nicht.

War das geteilte Auto als „Nachbarschaftsauto“ lange Zeit eher in kleinen Vereinen organisiert, sind in den vergangenen Jahren zunehmend Großkonzerne in das Carsharing-Geschäft eingestiegen. Die rot-weißen Autos des Bahn-Projekts Flinkster, die weiß-blauen Smarts von Car2Go oder die Minis und BMWs von DriveNow sind aus dem Straßenbild vieler Großstädte nicht mehr wegzudenken.

Effektive tägliche Nutzung eines Carsharing-Fahrzeugs

Seit Ende Juni mischt auch Opel mit seinem Programm CarUnity auf dem Carsharing-Markt mit. Das ist Ihnen zwischen all den auffällig beklebten Smarts, Minis und BMWs noch nicht aufgefallen? Kein Wunder, denn Opel setzt nicht auf eine eigene Flotte, die in den Städten platziert wird – sondern auf die Crowd.

Über die CarUnity-App können die Nutzer nicht nur die Autos mieten, sondern selbst auch ihr eigenes Fahrzeug für die Community anbieten. Damit folgt Opel einem der ältesten Argumente für das Carsharing: Das Auto steht statistisch gesehen 23 Stunden am Tag ungenutzt auf dem Parkplatz – und kann in dieser Zeit mit anderen geteilt werden.

Wie sich Carsharing auf die Nutzung anderer Verkehrsmittel auswirkt

„Carsharing gewinnt in der modernen „sharing economy“ mehr und mehr an Bedeutung“, sagt CarUnity-Chef Jan Wergin. „Ein Automobilhersteller muss in Zukunft mehr bieten, als ‚nur‘ überzeugende Fahrzeuge – er muss sich auch als Mobilitätsdienstleister verstehen und dabei die technologischen Möglichkeiten nutzen, die sich bieten.“ Zudem will Opel das Mitfahr-Netzwerk des Anbieters flinc in CarUnity integrieren, „um einen noch ganzheitlicheren Ansatz bieten zu können“. Dann könnten nicht nur Autos, sondern auch einzelne Fahrten vermittelt werden.

In den ersten sieben Wochen ist die kostenlose CarUnity-App laut Opel mehr als 6.000 Mal heruntergeladen worden, über 1.500 Fahrzeuge seien auf der Plattform verfügbar. „Der Start ist vielversprechend, wir sind sehr zufrieden“, sagt Wergin, „zumal CarUnity bislang nur im Rhein-Main-Gebiet intensiv beworben wird.“ Wie viele Fahrten über die Plattform tatsächlich vermittelt wurden, will der CarUnity-Chef „aus Wettbewerbsgründen“ aber nicht sagen.

Peer-to-Peer oder Free-Float?

Die Idee, den Privatwagen zu teilen, ist nicht neu. „Es gibt an die 100 kleine Anbieter in Deutschland, die die Idee des sprichwörtlichen Nachbarschaftsautos umsetzen“, sagt Artur Schmidt, Mitgründer des Vergleichsportals carsharing-experten.de. Dazu kommen größere Portale wie tamyca (Akronym für „take my car“) und drivy, über die bereits heute mehrere tausend Privatautos für kürzere oder längere Fahrten angeboten werden.

Das Neue ist, dass ein Autobauer wie Opel ein solches sogenanntes Peer-to-Peer-Carsharing anbietet. Car2Go von Daimler und Europcar sowie DriveNow von BMW und Sixt arbeiten hingegen nach dem Free-Float-Modell. Das heißt, dass Fahrzeuge in einem bestimmten Areal auf irgendeinem öffentlichen Parkplatz kostenlos abgestellt und die Miete dort beendet werden kann. Oder andersherum: Jedes Carsharing-Auto, dass dort steht, kann ohne Reservierung mit der Kundenkarte entriegelt und benutzt werden. Park- und Spritkosten sind im Preis mit enthalten, der in der Regel minutengenau abgerechnet wird.

Die unterschiedlichen Konzepte haben ihre Vor- und Nachteile. „Es gibt nicht den einen perfekten Anbieter“, sagt Schmidt. „Was gerade am besten passt, kommt immer auf die einzelne Fahrt an.“

Jedes Konzept hat Vor- und Nachteile

Wer zum Beispiel in der Großstadt eine kurze Strecke von 20 bis 30 Minuten fahren will, sollte laut dem Carsharing-Experte ein Free-Float-Angebot nutzen. „Die hohe Verfügbarkeit und die minutengenaue Abrechnung bieten hier große Vorteile“, so Schmidt. „Bei längerer Mietdauer, etwa einem Tages- oder Wochenendausflug sind Peer-to-Peer-Angebote die preiswertere Alternative.“

Für die kurze Fahrt durch die Stadt eignet sich CarUnity auch aus weiteren Gründen nicht. „Die Mindestmietdauer bei vier Stunden, hinzu kommen das Treffen mit dem Vermieter zur Schlüsselübergabe und das Übergabeprotokoll“, sagt der Carsharing-Experte. „Es gibt also gewisse Hürden, um ein Auto anzumieten. Dafür sind sie in der Regel deutlich günstiger.“

Die erfolgreichsten Städte im Carsharing

Doch einen unschlagbaren Vorteil hat der Peer-to-Peer-Ansatz: Es ist nicht auf das Geschäftsgebiet des Anbieters beschränkt – Martin lässt grüßen. „ Opel-Carsharing ist unmittelbar flächendeckend in Deutschland umsetzbar und kann jederzeit flexibel genutzt werden – auch in ländlichen Räumen und in kleinen Ortschaften, nicht nur in Metropolen wie Frankfurt oder Berlin“, sagt Wergin.

Dennoch steht der CarUnity-Chef vor einer großen Herausforderung: Er muss das Projekt bekannter machen und mehr Nutzer gewinnen. In der Rhein-Main-Region mag CarUnity gut angelaufen sein, in Großstädten wie Köln oder Düsseldorf fehlt es derzeit aber schlichtweg an mietbaren Autos. In Köln (Umkreissuche 20 Kilometer) sind es sechs Fahrzeuge, in Düsseldorf zwei, die angefragt werden können – und dann muss es immer noch in den Terminplan des Vermieters passen, dass ein Deal wirklich zustande kommt.

Doch auch das Free-Float-Modell ist nicht frei von Problemen, wie zum Beispiel Car2Go in Düsseldorf gezeigt hat, als manche Stadtteile einfach aus dem Angebot gefallen sind. „Je größer das Gebiet ist, in dem die Autos eines Free-Float-Anbieters verteilt sind, desto weniger Kontrolle hat der Anbieter“, sagt Schmidt. „Die Kosten, die anfallen um die Autos zu betreiben, dürfen nicht unterschätzt werden. Deshalb kann es für einen Anbieter sinnvoll sein, sein Geschäftsgebiet in Randgebieten mit geringer Auslastung klein zu halten.“

Und auch die Städte müssen mitspielen, wie Michael Borgmann von der Wirtschaftsberatung PwC weiß. „Die Anbieter brauchen in den Städten die entsprechenden Parkplätze. Für die Attraktivität des Angebots ist daher die Kooperation der Städte sehr wichtig“, sagt der Carsharing-Experte. „Deshalb ist es spannend zu beobachten, wie sich die Beteiligten weiter verhalten: Erhöhen zum Beispiel die Städte die Parkgebühren für die Anbieter, sinkt deren Rentabilität.“ Wie stark die Auswirkungen sind, zeigt auch eine PwC-Modellrechnung: Eine Erhöhung der durchschnittlichen Parkkosten pro Tag und Fahrzeug von zehn auf zwölf Euro reduziert den Gewinn um zehn Prozent.

DriveNow stellt sein Konzept auf den Prüfstand

Werden die Kosten zu hoch oder die Nachfrage geringer, könnte ein heute rentables Modell morgen rote Zahlen einfahren. Für die Konzerne hinter Car2Go und DriveNow sind die in den Innenstädten omnipräsenten Autos zwar auch ein hervorragendes Marketinginstrument und Kontaktpunkt zu jungen Autofahrern. Wie lange sie aber bereit sind, dafür auch Verluste in Kauf zu nehmen, ist unklar.

Auf den Marketing-Effekt will auch Opel trotz der markenoffenen Plattform nicht ganz verzichten. „Durch die Einbindung unserer Händler und Mitarbeiter bringen wir allerdings viele CarUnity-Nutzer ans Steuer unserer neuen und modernen Opel-Fahrzeuge“, sagt Wergin. „Damit führen wir viele junge, mobilitätsorientierte Menschen an die Marke Opel heran.“

Die Carsharing-Angebote im Überblick

Sollte der Marketing-Effekt verpuffen oder das Nutzerverhalten in eine andere Richtung gehen, könnten Opel, Daimler oder BMW das Konzept wechseln. „Auch wenn einige der Carsharing-Anbieter Teil eines großen Konzerns sind, kann man ihr Geschäftsmodell noch als Start-up sehen“, sagt PwC-Experte Borgmann. „Und Start-ups müssen ihr Geschäftsmodell laufend überprüfen und anpassen, um erfolgreich zu sein.“

Bei DriveNow stehen Veränderungen an

Wie das aussehen kann, zeigt DriveNow in zweierlei Hinsicht. Zum einen hat sich das Gemeinschaftsunternehmen von BMW und Sixt bei der Expansion nach Kopenhagen erstmals einen Partner mit an Bord geholt. Die Bahn-Tochter Arriva übernimmt als Franchise-Nehmer die Hälfte der Kosten. Im „Handelsblatt“ nannte DriveNow-Chef Nico Gabriel den Kopenhagen-Deal als „Blaupause“ für die weitere Expansion.

Zum anderen stellen die Münchner auch ihr Konzept mit einer geschlossenen Flotte auf den Prüfstand. Im kommenden Jahr soll in den USA ein Pilotprojekt anlaufen, bei dem private Mini-Besitzer ihr Auto in die DriveNow-Flotte einbinden können – etwa während sie im Büro oder gar im Urlaub sind. Die entsprechenden Steuer- und Lesegeräte, die zum Öffnen und Starten mit der DriveNow-Karte nötig sind, sollen als Sonderausstattung angeboten werden. Gemeinsam mit Partnern arbeite man bereits an Preisstrukturen, Tantiemen für den Besitzer und entsprechenden Versicherungen, sagte ein Mini-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa.

Wenn der Versuch erfolgreich ist, könnte das System Schule machen. Nicht unbedingt im großen Stil, vielleicht aber im kleinen: Wenn der Fahrer will, soll er die Kundengruppe begrenzen können, etwa auf Familie, Freunde oder Nachbarn.

Ein Punkt dürfte sich selbst nicht vermeiden lassen, wenn man das Auto nur an Freunde und Verwandte weiter gibt: Was passiert, wenn etwas passiert? Bei Peer-to-Peer-Angeboten wie CarUnity, drivy oder tamyca sind die Autos während der Miete in der Regel über eine spezielle Police des Vermittlers versichert.Selbst wenn der Autobesitzer und Carsharer nach einem Unfall oder Kratzer den Schaden ersetzt bekommt und keine wirtschaftlichen Folgen davonträgt, hat er immer noch den Aufwand. Und die Skepsis, ob er als gebranntes Kind sein Auto wirklich nochmals einem Fremden zur Verfügung stellt.

Dennoch glauben Wergin und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann an das Peer-to-Peer-Konzept. Andere aber nicht: Noch 2014 hatte die deutsche Bahn als Ableger des erfolgreichen Flinkster-Carsharings den zusätzlichen Dienst Flinkster Privat angekündigt. Doch inzwischen hat die Bahn laut der DB-Rent-Geschäftsführerin Sylvia Lier die Pläne für das private Carsharing auf Eis gelegt: „Aufgrund von intensiven Marktrecherchen halten wir das Potenzial für nicht ausreichend und haben und deshalb dazu entschieden, dieses Produkt nicht weiter voran zu treiben.“

Jan Wergin wird ihr das Gegenteil beweisen wollen.

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