Spötter werden sagen: „Tesla-Fans sind Verzögerungen gewohnt.“ Das Verschieben von Ankündigungen, Produktions- oder Verkaufspremieren gehört bei Tesla fast schon zum guten Ton. Dieses Mal ist die Verzögerung jedoch minimal: Statt am Montag soll die „unerwartete Produktneuheit“ nun am Mittwoch vorgestellt werden. Tesla-Chef Elon Musk begründete die Verzögerung damit, dass man noch „ein paar Tage für die Verfeinerung“ brauche.
Ob es noch Arbeiten auf den letzten Drücker sind oder dem PR-Kalkül des Selfmade-Milliardärs zuzuschreiben ist: Es hat die Spekulationen, was an dem neuen Produkt „unerwartet“ ist, weiter angeheizt. „Möglich sind Verbesserungen am Model S oder Model X, Energiespeicher oder ein Fahrzeug aus einem neuen Segment“, schreibt US-Analyst Ben Kallo in einer Studie vom Montag. Musk hatte im Sommer in seinem zweiten „Masterplan“ den Einstieg in neue Segmente angedeutet, etwa Pick-ups oder Busse. Ebenso hartnäckig halten sich Gerüchte um ein Model Y, ein Kompakt-SUV auf Basis des Model 3.
Andere Analysten halten es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass Tesla eine weitere Baureihe vorstellt. Ihre Argumentation: Mit dem Produktionsanlauf des Model 3 ist das Unternehmen erst einmal mehr als ausgelastet. Dazu kommt: Von dem Kompakt-Elektroauto hat Tesla im März nur das Äußere gezeigt. Bilder vom Innenraum und dem komplett fertigen Serienmodell fehlen noch. Ob das in den Maßstäben von Elon Musk unerwartet ist, sei dahingestellt.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Noch hat Musk mit dem Finish seines Massenmodells etwas Zeit. Erst am Dienstag hatte Tesla auf seiner Website verkündet, dass die Produktion Ende 2017 beginnen soll. „Die geschätzte Auslieferung für neue Reservierungen ist Mitte 2018 oder später“, hieß es weiter. Berichten, wonach Mitte 2018 eine Verzögerung gegenüber den ursprünglichen Plänen für die Auslieferung sei, widersprach Musk umgehend via Twitter: „Das ist so, weil die ersten zwölf Monate der Produktion ausverkauft sind.“
Über allem schwebt die Gigafactory
Die Produktion des Model 3, das in den USA ab 35.000 Dollar angeboten werden soll, dürfte eine große Herausforderung für das Unternehmen werden. Bereits wenige Wochen, nachdem Tesla die Orderbücher geöffnet hatte, waren über 370.000 Vorbestellungen (zu je 1000 Dollar Anzahlung) eingegangen. Nimmt man die Aussage über die Lieferung Mitte 2018 für neue Reservierungen genau, heißt das im Umkehrschluss: Tesla rechnet selbst damit, dass nicht alle Vorbesteller auch wirklich einen Kaufvertrag unterschreiben.
Denn wenn weniger als ein Jahr nach dem Produktionsstart des Model 3 über 370.000 Fahrzeuge gebaut sein sollen, darf in der gesamten Liefer- und Produktionskette nichts schiefgehen. Und es lauern einige Unwägbarkeiten: Die Koordination und Logistik im Einkauf war noch nie mit derartigen Stückzahlen konfrontiert, das Werk im kalifornischen Fremont ist noch nie mit eine so hohen Auslastung gelaufen. Zu guter Letzt schwebt über allem die Gigafactory: Gelingt es Tesla und Kooperationspartner Panasonic nicht, rechtzeitig die große Menge an benötigten Akkus zum kalkulierten Preis zu fertigen, ist der gesamte Business- und Zeitplan des Model 3 hinfällig.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Die Marktbeobachter von IHS Automotive rechnen allerdings weder mit dem Best noch dem Worst Case: In der IHS Markit Light Vehicle Produktionsprognose gehen die Analysten im Jahr 2018 von 249.000 produzierten Teslas aus. Das reicht nicht, um alle Vorbestellungen für das Model 3 und die parallele Nachfrage nach den größeren Model S und X zu bedienen. Eine gewaltige Steigerung zu den für dieses Jahr vorhergesagten 82.000 Einheiten wäre es trotzdem.