Erprobung des 3er BMW Im Erlkönig um die halbe Welt

3er BMW: Erprobung auf der halben Welt Quelle: Günter Schmied

Der 3er ist eines der wichtigsten Autos für BMW. Kommenden März startet die nächste Generation. Bis dahin testet der Konzern sein Kernmodell auf der halben Welt. Ein Blick hinter die Kulissen der Autoentwicklung.

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Thomas Bäumer greift an seine Gürteltasche, holt das Smartphone heraus und verabschiedet sich freundlich: „Der nächste Termin. Ich muss leider los.“ Seinen Schreibtisch in der zweiten Etage Forschungs- und Innovationszentrums (FIZ) von BMW in München hat er in den vergangenen Monaten nicht oft gesehen. Und wenn, dann nur kurz. Bäumer ist Projektleiter für den 3er BMW. Neben seinem Arbeitsplatz in der Entwicklungszentrale des Münchner Autobauers leuchtet eine rote Digitaluhr, die augenscheinlich nicht die Uhrzeit anzeigt. Vielmehr zeigt sie mahnend, wie viele Tage es noch bis zum Produktionsstart des neuen 3ers sind, den BMW im kommenden März unter der internen Bezeichnung G20 herausbringen wird.

Das Mittelklassemodell kämpft auf der ganzen Welt gegen starke Konkurrenz: in den USA als Limousine, in Europa als Kombi, in China als Langversion. Und dann kommen da noch die Ableitungen als Coupé und Cabriolet, die mittlerweile 4er heißen. Die Wettbewerber sind vielfältig, doch im Kern geht es darum, mit dem neuen G20 die jüngst überarbeitete Mercedes C-Klasse und den Audi A4 in Schach zu halten. Und den Kunden zu zeigen, dass es auch in der Premium-Mittelklasse ein automobiles Leben außerhalb der allgegenwärtigen SUV gibt.

Derzeit laufen die letzten Erprobungen am neuen 3er. zunächst wurden in den vergangenen Jahren unzählige größere und kleinere Probleme ausgemerzt, nun rollt die Entwicklung des Bayern allmählich auf der Zielgeraden ein. Gerade noch hat der 3er in München erfolgreich Crashversuche hinter sich gebracht und die Radsätze im Windtunnel testen lassen.

So erprobt BMW sein wichtigstes Modell
Unterwegs in den USA im Erlkönig des kommenden 3er BMW, vorbei an Henderson in Richtung Hoover Dam. Quelle: Günter Schmied
Im Westen der USA an der Grenze zwischen Nevada und Arizona geht es auf Heißlanderprobung. Quelle: Günter Schmied
Hitzetest direkt am Hoover Dam. Kaum irgendwo in den USA gibt es derart viele Stromleitungen wie hier. Quelle: Günter Schmied
Am Hoover Dam stehen die Antennen im Vordergrund. Der 3er BMW muss zeigen, ob er gegen Störwellen aller Art abgeschirmt ist. Quelle: Günter Schmied
Testingenieur Dirk Hohmann testet die Bordelektronik. Funktionieren alle Systeme? Quelle: Günter Schmied
Heißlanderprobung am über 4000 Meter hohen Mount Whitney. Quelle: Günter Schmied
Dirk Hohmann schaut sich die Staubschicht im Motorraum an Quelle: Günter Schmied

Der neue WLTP-Zyklus für die Verbrauchs- und Abgasmessung erfordert dabei, dass jede einzelne Felge des neuen Modells auf der Straße und im Labor geprüft wird. In Sachen Fahrdynamik gibt es ebenso wie beim Antrieb nur noch Feinheiten zu justieren. Die klirrend kalte Wintererprobung in Lappland ist durch und so geht es neben den Dauerläufen in Miramas, Aschheim oder am Nürburgring speziell darum, in der amerikanischen Gluthitze noch zahlreiche Tests abzuspulen.

Entwickler Lutz Hahn reibt sich den Schweiß von der Stirn. Das digitale Thermometer in dem Prototypen zeigt 50 Grad Celsius an, doch es ist deutlich heißer. Die Bordelektronik hört ab 50 Grad Celsius auf zu zählen. Bis zum Produktionsstart sind es noch rund drei Monate – Zeit genug, dieses winzige Problem zu lösen. Der Entwicklungsingenieur ist bei aller Hitze entspannter, als es sein Wagen sein dürfte. In der finalen Testphase geht es für den BMW 3er der kommenden Baureihe noch einmal zum Stresstest in die Wüste Nevadas.

In Nordschweden steht insbesondere die Fahrdynamik und die Abstimmung der Regelsysteme im Fokus. Quelle: Günter Schmied

Eine knappe Woche brutale Temperaturen, Fahrten über staubige Rüttelpisten und immer wieder diese Hitzetests. Nichts darf knacken, knarzen oder gar ausfallen. Taster und Türgriffe müssen auch in der Gluthitze ihren Dienst problemlos verrichten, die neuen Displays im Cockpit sowieso. „Wir heizen den Wagen immer wieder auf und schauen, ob die Klimatisierung funktioniert“, erklärt Lutz Hahn und schaut auf sein Notebook. Passt alles. Es geht weiter zum Hoover Dam. Der größte Stausee der USA bringt der Spielermetropole Las Vegas durch den gestauten Colorado River nicht nur das dringend benötigte Wasser, sondern auch den Strom für die Millionen von Leuchtreklamen und Klimaanlagen.

Die mächtigen Stromleitungen sind ideal, um den getarnten BMW 3er seinem nächsten Stresstest zu unterziehen. „Die magnetischen Wellen sind kaum irgendwo größer als hier“, erzählt Testingenieur Dirk Hohmann, „wir machen die Tests aber auch in Los Angeles und San Diego mit den ganzen Militäreinrichtungen.“ Der Wagen muss kurz einschlafen und so hat das Entwicklerteam ein paar Minuten Ruhe, bevor es die nächste Wasserflasche leert und wieder ins Auto steigt.

Stresstest im Death Valley

Die Touristen stören sich kaum an der kleinen Flotte von getarnten Prototypen oberhalb des Hoover Dam. Nur der eine oder andere fotografiert die Münchner Erlkönige für das eigene Urlaubsalbum. Geheimnisse sind ohnehin nicht zu erkennen, denn Designdetails bleiben hinter Verplanungen und Tarnfolien verborgen und auch der Innenraum ist von Tarnmatten geschützt. Für die maximale Geheimhaltung gibt es im Keller des Münchner FIZ eine eigene Tarnabteilung.

Knapp eineinhalb Jahre zuvor ist die Situation weniger entspannt: Projektleiter Thomas Bäumer sitzt zusammen mit seinem Führungskreis in einem viel zu kleinen Büro im Münchner FIZ. Ein Beamer projiziert ungezählte Seiten mit Diagrammen die Wand. Wo das Projekt gut läuft, gibt es eine grüne Ampel, wo es hakt, eine gelbe. Und steht die Projektampel auf rot, sind die Probleme besonders groß.

Wieder einmal stehen die Lautsprechergitter auf dem Plan, die Bäumer und seinem Team deutlich mehr Ärger bereiten, als es ihnen lieb sein dürfte. „Ein Jahr haben wir zusammengesessen und sind immer noch nicht weiter“, ärgert sich Thomas Bäumer, „das müssen wir jetzt endgültig lösen.“ Kleinere Baustellen wie andere Durchmesser für die Kabelschläuche oder der Einsatz von neuen Verkleidungen werden durchregiert – es muss voran gehen, denn die Zeit drängt und die Tagesordnung ist heute so voll wie jeden Tag.

Der beste Sportwagen aus München?
BMW M3 CS Quelle: BMW
BMW M3 CS Quelle: BMW
BMW M3 CS Quelle: BMW
BMW M3 CS Quelle: BMW
BMW M3 CS Quelle: BMW
BMW M3 CS Quelle: BMW
BMW M3 CS Quelle: BMW

Nächster Punkt: die Laderaumabdeckung soll ein neues Rippenbild bekommen und die Struktur der Aluleiste wird geändert – intern nicht zu lösen; also muss ein neuer Termin mit dem Zulieferer ran. Bäumer interessieren mehr die Probleme mit dem beweglichen Nierenbereich. „Wir hatten ja die Geräusche bei geöffneten Luftklappen“, sagt Entwickler Christoph Schleifer und zeigt schnell ein paar Schnittzeichnungen, „hier wurden Turbulatoren eingebracht und die Geräusche sind weg.“ Thomas Bäumer ist zufrieden, doch der nächste Termin drängt.

Während die Tage bis zum SOP (Start der Produktion) immer weniger werden, drehen Testingenieure auf der halben Welt ihre Testrunden mit den rund 300 getarnten Prototypen. Der letzte Feinschliff beim Fahrwerk, die Abstimmung oder Räder-/Reifenkombinationen - und natürlich muss im Auto alles funktionieren, egal ob es minus 30 oder plus 50 Grad Celsius hat. Viel Arbeit bei der Heißlanderprobung für das Entwicklerteam Gesamtfahrzeug.

Auf Nachtfahrt auf dem Las Vegas Strip. Auch hier muss sich der neue Dreier BMW in der abendlichen Hitze bewähren. Quelle: Günter Schmied

Während andere links und rechts auf den Gehwegen tanzen, stehen die Entwickler im abendlichen Stau auf dem Las Vegas Strip. Das Thermometer zeigt stattliche 44 Grad Celsius an; ein Stresstest für Klimatisierung, Motor und Getriebe. Die Bordelektronik meldet auf dem kleinen Infodisplay keine Auffälligkeiten und nichts muss getriggert oder nachgestellt werden.

Das leichte Geräusch vom rückstellenden Pedal wurde bereits nach München gemeldet. Hören können es ohnehin nur die geschulten Entwicklerohren. Nach zwei Stunden Dauerstau vor den blinkenden Leuchtreklamen von Bellagio, Caesars Palace und Treasure Island geht es zurück in ein seelenloses Mittelklassehotel ein paar Meilen außerhalb. Auch das ist Entwicklerleben: kurz noch auslesen, nachbereiten und dann ist mit der Dusche endlich Feierabend. Doch morgen geht es aus Las Vegas weiter in die Wüste – zum nächsten Stresstest ins Death Valley. Damit der kommende Dreier für die Kunden nicht zum Glücksspiel wird. Bei diesem Aufwand? Ausgeschlossen. Thomas Bäumer und seine Kollegen setzen auf ein Full House.

Audi-, BMW- oder Mercedesfahrer: Wer welches Image hat
Audi Q8 Quelle: Audi
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Mercedes-Benz C-Klasse Quelle: Daimler

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