Der Autozulieferer Bosch plant weitere milliardenschwere Investitionen in das autonome Fahren und strebt dazu ein breites Bündnis mit den Autobauern und anderen Zulieferern an. Autos ohne Lenkrad und Pedal werden im kommenden Jahrzehnt nach den Worten von Bosch-Chef Volkmar Denner zum „Game Changer für die individuelle Mobilität“. Damit wären neue Geschäftsmodelle wie Robotaxis oder Shuttle-Dienste mit riesigem Marktpotenzial möglich, erklärte er am Dienstagabend in Stuttgart. Dieses Feld werde deshalb zum Investitionsschwerpunkt für Bosch. „Allein bis 2022 rechnen wir mit Vorleistungen in Höhe von vier Milliarden Euro“, sagte Denner.
Es sei ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, die immensen Entwicklungskosten auf mehrere Schultern zu verteilen, sagte Denner. Deshalb hätten Bosch und der Autobauer Daimler zum Start ihrer Zusammenarbeit vor knapp zwei Jahren schon erklärt, offen für weitere Partner zu sein. „Insofern laufen solche Gespräche. Wir sprechen mit mehreren im Moment.“
Noch vor dem Stuttgarter Duo hatte BMW begonnen, im Verbund mit Zulieferern am hoch und völlig automatisierten Fahren zu arbeiten. Volkswagen, wo die Premiumtochter Audi die fahrerlose Technologie vorantreiben soll, kam unterdessen nicht voran. Jetzt ist die deutsche Autoindustrie über ein ganz großes Entwicklungsbündnis im Gespräch, wie mehrere Medien berichteten.
In die Vollen will Bosch auch beim Erforschen und Entwickeln von Künstlicher Intelligenz gehen. Sämtliche Bosch-Produkte von Autoteilen über Industrie- und Gebäudetechnik bis hin zu Elektrowerkzeugen und Hausgeräten sollen mit KI ausgestattet und damit zum Lernen befähigt werden. Der Stiftungskonzern will hier Denner zufolge zur Weltspitze gehören. Die Zahl der KI-Experten im Unternehmen sollen von derzeit rund 1000 bis 2021 auf 4000 steigen. In den kommenden fünf Jahren wolle der Stiftungskonzern weitere 25.000 Experten für Software einstellen, erklärte Personalchef Christoph Kübel. Die Belegschaft zählt weltweit mittlerweile 410.000 Köpfe. Unterdessen soll die Beschäftigung in der Diesel- und Benzinmotorentechnik weiter schrumpfen. Im vergangenen Jahr seien 600 Stellen im Dieselgeschäft über Altersteilzeit und Auslaufen befristeter Jobs abgebaut worden. So lange die Nachfrage nach Verbrennungsmotoren nur langsam sinke, lasse sich der Wandel über die Alterfluktuation auffangen. „Bei abruptem Wandel wird es schwierig“, ergänzte Bosch-Chef Denner.
Im weiterhin die milliardenhohen Vorleistungen für neue Technologien – also Elektroautos, Digitalisierung und Mobilitätsdienste – stemmen zu können, will Bosch auch künftig stärker wachsen als seine einschlägigen Märkte, allen voran die Automobilproduktion. Die Abkühlung am weltweiten Automarkt, Handelsstreitigkeiten und ungünstige Wechselkurse belasteten die Bilanz im vergangenen Jahr. So verringerte sich der Umsatz durch die Währungsumrechnung allein um zwei Milliarden Euro, bereinigt um Sondereinflüsse stieg er um 1,5 Prozent auf knapp 78 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen lag mit 5,3 Milliarden Euro oder 6,9 Prozent vom Umsatz auf Vorjahresniveau.
Schneller schlau: Die fünf Stufen des autonomen Fahrens
Das „assistierte Fahren“ ist bereits in unterschiedlicher Ausprägung bis in untere Fahrzeugsegmente verbreitet. Wie der Name schon sagt, helfen Assistenten beim Fahren. Sie warnen beispielsweise vor Fahrzeugen im toten Winkel, beim Verlassen der Fahrspur oder halten den eingestellten Abstand zum Vordermann. Die Helfer assistieren nur, fahren muss immer noch der Mensch hinter dem Steuer.
Beim „teilautomatisierten Fahren“ kann der Wagen bereits einzelne Fahraufgaben selbst übernehmen, muss dabei aber immer vom Fahrer überwacht werden. Dieses Stadium haben die meisten Autohersteller aktuell erreicht. Beispiel dafür ist ein Stau-Assistent, der im Stop-and-Go-Verkehr lenkt, abbremst und selbstständig wieder anfährt. Der Fahrer muss dabei zwar nicht aktiv lenken, darf die Hände aber nicht vom Steuer nehmen. Tut er das doch, wird er nach wenigen Sekunden vom Auto aufgefordert, das Lenkrad zu greifen. Zuletzt hat sich eine Ausbaustufe der Technik etabliert, die als „Level 2 Plus“ oder „Level 2 Hands Free“ bezeichnet wird und das Loslassen des Steuers explizit erlaubt und auch für längere Zeit toleriert.
Das Auto übernimmt beim „hochautomatisierten Fahren“ in bestimmten Verkehrssituationen diverse Funktionen, kann zum Beispiel längere Autobahnstrecken vollständig allein bewältigen. Der Fahrer muss aber das Steuer nach einer Aufforderung durch das Auto wieder übernehmen können. Theoretisch beherrschen bereits mehrere Pkw-Modelle diese Technik, legal nutzen dürfen sie aktuell aber nur wenige, darunter die Mercedes S-Klasse und der BMW 5er. Einschränkungen gibt es etwa bei Geschwindigkeit und Straßenart – so ist Level-3-Fahren in Deutschland nur auf geeigneten Autobahnabschnitten und mit maximal Tempo 130 erlaubt.
Ist das Fahrzeug „voll automatisiert“, kann das Auto spezifische Anwendungsfälle komplett allein meistern – von der Autobahnfahrt bis zu hochkomplexen urbanen Verkehrssituationen. Der Fahrer kann derweil zum Beispiel schlafen und haftet bei Schäden oder Verkehrsverstößen nicht mehr. Hier verlassen wir den Bereich, den Privat-Pkw heute noch beherrschen. Vollautomatisiert fahren aktuell unter anderem die Robotaxis oder -Shuttle von Mobilitätsdienstleistern, die in lokal begrenzten Gebieten unterwegs sind. Ein weiteres Beispiel ist das auch in Deutschland angebotene „Automated Valet Parking“ von Bosch und Mercedes, bei dem sich Pkw in speziell ausgerüsteten Parkhäusern selbstständig ihren Stellplatz suchen.
Beim „autonomen Fahren“ werden die Insassen vollständig zu Passagieren, nicht mal mehr ein Lenkrad oder Pedale sind notwendig. Das Auto kann alle Fahraufgaben alleine bewältigen. Auf jeder Straße, bei jedem Wetter und in komplexesten Verkehrssituationen. Noch Anfang des Jahrzehnts hofften Ingenieure, die oberste Stufe noch Mitte der 2020er-Jahre erreichen zu können. Das wird nicht passieren. Einige Branchenvertreter zweifeln, ob es jemals so weit kommt. Nicht zuletzt, weil die Kosten wohl so hoch wären, dass sich der Einsatz kaum lohnen würde. Bosch-Experte Lanwer kennt ein weiteres Problem: „So ist es beispielsweise sehr schwierig ein autonomes Fahrzeug auf eine Hebebühne zu bekommen, wenn man es nicht steuern kann.“ Es sieht Level 5 erst mal nicht im Markt, weil es im Vergleich zu Level 4 derzeit keinen Vorteil bringt.
Die größte Sparte, die Autozulieferung Mobility Solutions erlöste mit 47 Milliarden Euro 2,3 Prozent mehr. Für 2019 rechnet Bosch abermals mit einer rückläufigen Fahrzeugproduktion weltweit. Konsum- und Investitionsfreude litten unter dem Handelsstreit der USA mit China und der Unsicherheit über den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, erklärte Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer. Immer mehr mache sich ein Muster breit: „ein zunehmender, teils aggressiver Nationalismus, der sich in der Wirtschaftspolitik in Form von Protektionismus, Strafzöllen und aufgekündigtem Freihandelsabkommen zeigt.“ Bei einem harten Brexit, auf den sich Bosch mit seinen Werken in Großbritannien vorbereitet, rechnet Asenkerschbaumer allein mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag an Zöllen. Für 2019 hat sich der Konzern vorgenommen, einen operativen Gewinn von mehr als fünf Milliarden Euro zu erwirtschaften.