Es glich einer Revolution: Die Karosserie, Türen, Dach, Front- und Rückseite bestehen aus mit schwarzem Plastik beplanktem Carbon, aufgesetzt auf einen Unterbau aus Aluminium - der BMW i3 hat eine Autoarchitektur, wie es sie noch nicht gab.
Der Vorteil eines Autos mit Alu-Rahmen und Kohlefaser-Karosserie ist offensichtlich: Sie ist leicht. Und Leichtbau hat sich in der Autoindustrie im Kampf um CO2-Emissionen zu einem Zauberwort entwickelt. Dank seines revolutionären Aufbaus wiegt der i3 weniger als 1,2 Tonnen. Damit ist er in etwa so schwer wie sein Konzernbruder Mini. Aber der schleppt nicht 300 Kilo Stromspeicher mit sich herum.
Mit welchen Materialien Autos leichter werden
Audi A8, Jaguar XJ und Range Rover haben eine Karosserie aus Alu. Andere verwenden das Material für Motorhauben, Heckklappen und Türen.
BMW macht aus dem Werkstoff der Luft- und Raumfahrtindustrie eine komplette Fahrgastzelle, andere Hersteller produzieren Dächer und Türen aus dem leichten, nicht rostenden und stabilen Material.
Es ist leichter als Aluminium und schmilzt bei niedrigeren Temperaturen. Bisher gab es Lenkräder, Felgen und Getriebegehäuse aus Magnesium, jetzt auch Türen und Motorhauben.
Ist immer noch das am weitesten verbreitete Material. Neu sind – etwa beim VW Golf 7 – sogenannte hochfeste Stähle, denen andere Metalle für höhere Stabilität und weniger Gewicht beigemischt werden.
Weil es bis zu 50 Mal teurer ist als Stahl, kommt es vor allem in Supersportwagen wie McLaren oder Bugatti Veyron vor.
Forscher wollen zeigen, dass Holz genauso gut ist wie Stahl oder Aluminium.
Türen aus Alu, Heckklappen aus Kunststoff, die Fahrgastzelle aus hochfestem Stahl: In Autos wie dem Porsche 911 finden sich verschiedene Werkstoffe.
BMW sieht sich mit seiner Carbon-Strategie auf dem richtigen Weg. Von der Kohlefaser-Kompetenz soll künftig auch das BMW-Flaggschiff profitieren: Bei der kommenden Generation der 7er-Limousine sollen Motorhaube, Kofferraumdeckel und Türen aus dem leichten Verbundwerkstoff zum Einsatz kommen.
Hemmt die „German Angst“ den Fortschritt?
Doch längst nicht jeder Autobauer setzt so sehr auf die schwarzen Fasern wie die Münchner. „Wenn es darum geht, grundlegende Veränderungen einzuleiten, dann wird hierzulande erst einmal lang und ängstlich diskutiert“, versuchte BMW-Chef Nobert Reithofer einst das Zögern der Konkurrenz mit der „German Angst“ zu erklären.
Doch die Konkurrenz hat gute Gründe, nicht voreilig in den Aufbau einer eigenen Kohlefaser-Produktion zu investieren: Carbon ist nicht nur teuer, sondern auch schwer zu verarbeiten. Und vor allem können Konzerne auch mit bekannten Materialien wie Stahl und Aluminium Gewicht sparen.
Daten und Fakten zum BMW i3
Länge: 3,99 Meter, Radstand: 2,57 Meter, Kofferraumvolumen: 200 - 1.100 Liter, Wendekreis: 9,86 Meter, Leergewicht: 1.195 kg.
Batteriekapazität: 22 kWh, Nominalspannung: 360 V, Lithium-Ionen-Speichertechnik. Antrieb: Hybrid-Syncron-Elektromotor mit 125 kW/170 PS, zweistufiges Automatikgetriebe mit fester Übersetzung an die Hinterräder.
Max. Drehmoment: 250 Nm, so viel wie ein Golf Diesel "BlueMotion".
Beschleunigung: 0 - 100 km/h: 7,2 Sek.,
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h (elektronisch begrenzt),
Verbrauch: 0,13 kWh pro km,
max. Reichweite 200 km,
CO2-Emission: 0 g/km.
Lädt man den i3 zu Hause an einem normalen Anschluss, dauert der Ladevorgang bis zu acht Stunden. An einer Schnellladesäule dagegen ist der Akku laut BMW nach 30 Minuten zu 80 Prozent geladen.
Wählen kann der Fahrer unter den drei Einstell-Modi "Comfort", "Eco Pro" und "Eco Pro+". Sie ermöglichen die Spreizung zwischen höchstmöglichem Komfort und der maximalen Reichweite von etwa 200 Kilometern. "Wir haben mit unserer Mini-E-Flotte festgestellt, dass damit weltweit über 90 Prozent der Autofahrer bestens zurecht kommen", sagt der Leiter des "project i", Ulrich Kranz.
Wem die maximal 200 km Reichweite nicht reichten, der kann seinen i3 als Sonderausstattung mit einem Range Extender bestellen. Hier sorgt dann ein kleiner Zweizylinder-Viertakt-Benziner aus dem BMW-Roller C 650, dass es weiter vorangeht. Dieser wird dann unter dem Kofferraumboden eingebaut. Über einen Generator liefert er Strom für gut 100 zusätzliche Kilometer.
Mit der neuen, horizontal getrennten Architektur will der Hersteller möglichst geringes Gewicht und die bestmögliche Effizienz erzielen. Nach dem BMW-internen Motto "Unten Drive, oben Life" besteht das Chassis des i3 aus einem Leichtmetallrahmen, der das Fahrwerk, die komplette Antriebs- und Steuerungseinheit inklusive des Lithium-Ionen-Akkus trägt. Darauf sitzt verschraubt eine hochfeste und ultraleichte Fahrgastzelle aus Kohlefaser. Statt Blech- bilden Kunststoffteile die Außenhaut.
Exakt 34.950 Euro werden für den i3 fällig. Der Grundpreis betrifft die Basisversion ohne den o.g. Range Extender. Die Batterien sind inklusive, auf die Akkus gibt BMW eine Herstellergarantie von acht Jahren oder 100.000 Kilometern. Das Speichersystem besteht aus acht Modulen, die jeweils einzeln ersetzt werden können.
Mit einer speziellen BMW-App auf dem iPhone hat der Fahrer die Möglichkeit, seinen i3 aus der Ferne zu überwachen, die Klimaanlage einzuschalten, oder das Laden des Akkus steuern. Zudem gibt das Display Auskunft über Restreichweite und Batteriestand und zeigt freie sowie besetzte Ladestationen in der Umgebung an. Jeder i3 ist serienmäßig mit einer fest installierten SIM-Card ausgestattet. Dies ermöglicht es z.B. Staumeldungen in Echtzeit zu übertragen.
Was für BMW die Kohlefaser ist, ist für Jaguar Aluminiun: Die Mittelklasse-Limousine Jaguar XE, die im Juni 2015 auf dem Markt kommt, baut auf einer neuen Rahmen aus Aluminium auf. Davon erhoffen sich die Briten nicht nur bei der Effizienz Vorteile.
„Karbon ist für uns überhaupt kein Thema“, sagt Jaguar-Entwicklungschef Wolfgang Ziebart. „Aus meiner Sicht ist Karbon für eine Großserienfertigung nicht das geeignete Material.“
Und zwar aus mehreren Gründen. In der Massenproduktion könne man die Fasern nicht zwölf Stunden aushärten lassen, wie das bei den von Hand gefertigten Bauteilen für einen Formel-1-Rennwagen der Fall sei. Stattdessen ziehe das kürzere Aushärten im Ofen deutliche Kompromisse nach sich.
Die Folge: „Sie haben zwar viele Fasern eingesetzt, bekommen aber Eigenschaften heraus, die Sie eigentlich gar nicht haben wollen“, sagt Ziebart.
Dazu kommen Probleme in der Weiterverarbeitung. „Bislang kann etwa ein Dach aus Verbundwerkstoffen nicht auf derselben Fertigungslinie wie ein Stahldach lackiert werden“, sagt Jens Schatzmüller, Innovationsmanager beim Technologiekonzern 3M. „Im Lackierofen herrschen Temperaturen von bis zu 200 Grad. Harz hält aber nur rund 140 Grad aus.“
Bei bekannten Werkstoffen wie Stahl und Alu beherrschen die Autobauer die Produktions- und Fertigungs-Prozesse deutlich besser, zudem können sie ihre bestehenden Produktionsanlagen weiter nutzen – was beim Umrüsten auf Kohlefaser nicht der Fall wäre.
Ein Sandwich aus Stahl und Plastik
Damit die Metalle nicht bald zum sprichwörtlichen alten Eisen gehören, steht aber auch hier die Entwicklung nicht still. „Hoch- und höchstfeste Stähle sind die Wachstumsmärkte der Zukunft“, sagt Automotive-Experte Christian Kleinhans, Partner der Unternehmensberatung Berylls. „Bis 2025 entfallen darauf mehr als zwei Drittel des Marktwachstums im Karosserieleichtbau. Warmumformung und neue Stahlgüten schaffen hier zusätzliche Leichtbaupotenziale, und das mit vergleichsweise hoher Wirtschaftlichkeit.“
Jeder Hersteller sieht diese Potenziale aber anders und setzt deshalb unterschiedliche Schwerpunkte in der Entwicklung des Leichtbaus. „Daimler ist mit der neuen S- und C-Klasse beim Multi-Material-Design sicherlich führend. BMW hat mit i3 und i8 bei Karbonfaser in größeren Fahrzeugstückzahlen richtig vorgelegt“, sagt Kleinhans. „Volkswagen treibt massiv den intelligenten Stahlleichtbau voran, während Audi weiterhin über die meiste Expertise bei Aluminium verfügt.“
Dass die VW-Premium-Tochter Audi auf Alu und die Kernmarke Volkswagen mehr auf Stahl setzt, hat einen einfachen Grund: Bei höherwertigen Autos kann Audi die Preise für Aluminium bei den Kunden durchsetzen. In den preissensiblen Segmenten ist der Kostendruck aber zu hoch.
Serieneinsatz in drei Jahren möglich
Hier bieten Verbundbleche neue Möglichkeiten. Sie sind deutlich günstiger, wiegen aber ebenfalls erheblich weniger. Sie werden aus zwei zwischen 0,2 und 0,3 Millimeter dünnen Stahlblechen und einer zwischen ihnen verpressten Kunststoffverbindung mit 0,3 bis 1 Millimeter Stärke geformt.
ThyssenKrupp hat unter dem Produktnamen LiteCor ein solches Leichtblech entwickelt, das bereits im VW Polo R WRC zum Einsatz kommt. Die Motorhaube des Renn-Polos, mit dem Volkswagen in den vergangenen beiden Jahren die Rallye-WM gewonnen hat, wiegt noch 4,5 Kilogramm – rund zwei Kilo weniger als das Serienbauteil.
Bis sich die Verbundbleche auch bei Serienautos durchsetzen, dürfte es noch ein paar Jahre dauern. „Aus aktueller Sicht können größere Mengen für den Serieneinsatz ab 2018 bereitgestellt werden“, sagt Oliver Hoffmann, Leiter Anwendungstechnik bei ThyssenKrupp Steel Europe. „Hierbei wird sich das Spektrum auch auf Innenteile ausweiten mit einem erweiterten Abmessungsspektrum.“ Hoffmann erwartet, dass das neue Material zunächst über diverse Kleinteile dann über Innenteile den Weg zur Außenhaut findet.
Bei Bauteilen wie der Polo-Motorhaube kann die Gewichtsersparnis gegenüber konventionellen Stahlblechen über 30 Prozent betragen – das macht ungefähr 1,5 Kilo pro Quadratmeter aus. „Noch höheres Potenzial sehen wir bei einer LiteCor-Variante, die bei Strukturteilen zum Einsatz kommen wird“, sagt Hoffmann.
Doch um von der Industrie angenommen zu werden, ist es mit einer reinen Gewichtsersparnis nicht getan. An Autotüren ist zum Beispiel kaum ein Stück Blech gerade, geschwungene Formen und scharfe Designkanten prägen das moderne Design – und in diese anspruchsvollen Formen muss das Material erst einmal gebracht werden.
„Unser Ziel ist es, dass Kunden weitestgehend die heute schon zum Einsatz gebrachten Umform- und Fügetechniken nutzen können“, sagt Hoffmann. So können die Verbundbleche mit ihrer Stahl-Außenhaut verklebt oder mit einem modifizierten Punktschweißen mit anderen Bauteilen verbunden werden.
Wie ein Winterhandschuh Autos leichter macht
So unterschiedlich die Karbon-, Alu- oder Stahl-Ansätze der Hersteller sind, in einem Punkt sind sie sich einig: Momentan setzen alle Leichtbaumaßnahmen an der Karosserie an, Antrieb und Innenraum stehen hinten an. „Wir konzentrieren uns auf den Rohbau und das Chassis. In diesem Bereich können die Autobauer das meiste Gewicht herausholen“, sagt 3M-Manager Schatzmüller.
Besonderen Fokus legt der Konzern aus Minnesota auf das Kleben. „Das hat in erster Linie nicht viel mit Leichtbau zu tun“, sagt Schatzmüller. „In der Praxis kann aber eine Klebeverbindung eine aufwändigere Befestigung aus Metall ersetzen und so am Endprodukt Gewicht sparen.“
Ein Beispiel: In die Dichtung einer Autotür ist bislang meist ein Metallkeder eingearbeitet, mit dem die Dichtung dann an die Türe gesteckt wird. Die 3M-Entwicklungsabteilung in Neuss hat aber ein Verfahren entwickelt, bei dem die Dichtung mit einem Klebeband angebracht wird – das kann pro Türe über ein Kilo sparen.
Auch bei ohnehin leichten Kunststoffen kann weiter am Gewicht gefeilt werden. Dem Plastik werden Füllstoffe beigemischt, um besondere Eigenschaften etwa bei der Elastizität zu erhalten. Heute ist das meistens Talg, das laut 3M durch kleine Glaskugeln mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern ersetzt werden könnte.
Höhere Sicherheit, mehr Gewicht
„Mit den Glas-Bubbles können wir das Gewicht um etwa 30 Prozent senken – bei denselben Eigenschaften“, sagt Schatzmüller. „Bei einem großen Bauteil wie einer Stoßstange oder einem Armaturenbrett kann das mehrere Kilo ausmachen. Und das kostenneutral.“
Dass Autos über die Jahre immer schwerer geworden sind, liegt nicht nur an der gestiegenen Sicherheit oder der Tatsache, dass Neuwagen mit jeder Generation meist ein paar Zentimeter größer geworden sind. Auch die Komfortansprüche der Kunden sind gewachsen: Wo es früher mal Knistern oder Knarzen konnte, muss heute selbst ein Mittelklassewagen wie ein Golf flüsterleise werden.
Aus diesem Grund werden in Innenraum, Türverkleidungen, im Motorraum oder Radkästen immer mehr Dämmmatten eingebaut – auch hier kann Gewicht gespart werden. Zum Beispiel mit einem Material, dass die meisten von Winterhandschuhen und Mützen kennen dürften.
„Thinsulate hält nicht nur warm, sondern isoliert auch gut Geräusche“, sagt Schatzmüller. Entwickelt wurde das Dämmmaterial in der Consumer-Sparte von 3M, es wird aber auch in der Industrie-Sparte eingesetzt. „Jeder Entwickler kann auf das Wissen aus den anderen Konzernsparten zugreifen. Ein Klebstoff aus der Dentalsparte könnte eine Technologie sein, die morgen in ihrem Auto eingebaut wird.“
Brutstätte für Ideen
Um solche Synergien zwischen den Konzernsparten besser nutzen zu können, hat 3M ein sogenanntes „Incubation-Team“ gegründet, eine Art Brutstätte für Ideen. „In diesem Team sind wir auf der Suche nach komplett neuen Möglichkeiten, wie wir die Themen unserer Kunden lösen können“, sagt Teamleiter Schatzmüller. „Mit diesem Team können wir schnell entscheiden, ob wir bereits eine passende Technologie im Schrank haben und es sich lohnt, diese von einem Entwicklerteam auf den jeweiligen Kundenwunsch anpassen zu lassen.“
Einen ungewöhnlichen Weg hat auch der Entwicklungsdienstleister Edag bei seinem Konzeptfahrzeug Light Cocoon, das erstmals auf dem Genfer Autosalon im März 2015 gezeigt werden soll, eingeschlagen. Das Fuldaer Unternehmen tat sich mit dem Outdoor-Spezialisten Jack Wolfskin zusammen, das sich mit wasserdichter Funktionsbekleidung auskennt.
Das Ergebnis: Die skelettartige Karosserie des Light Cocoon aus dem 3D-Drucker ist nur mit einem Stoff überzogen, der die Insassen vor Wind und Wetter schützt, dabei aber gerade einmal 19 Gramm pro Quadratmeter wiegt.
„Der extrem belastbare Stoff ist viermal leichter als normales Kopierpapier“, sagt Edag-Vorstand Jörg Ohlsen. „In Kombination mit der topologisch optimierten Struktur ergeben sich große Potenziale und Impulse für den ultimativen Leichtbau der Zukunft.“