Mobilfunk-Patente Volkswagen knickt bei Mobilfunk-Patenten ein

Volkswagen knickt bei Mobilfunk-Patenten ein Quelle: Presse

Als letzter deutscher Autobauer schließt Volkswagen eine globale 4G-Lizenz für alle Automodelle ab.  Die Mobilfunk-Patentplattform Avanci sichert sich so ihren bislang größten Deal. Das strenge deutsche Patentrecht macht deutsche Konzerne zur Zielscheibe.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der größte deutsche Autobauer Volkswagen beugt sich nur unter Druck – schon am Mittwoch wäre eine Verteidigungsschrift vor dem Gericht im US-Bundesstaat Virginia fällig gewesen. Das Wolfsburger Unternehmen weitet seinen Lizenzvertrag mit dem Mobilfunk-Patent-Marktplatz Avanci auf 4G-Patente aus. Bei einer Stückzahl von rund zehn Millionen Autos im Jahr und einer Lizenzgebühr von 15 Dollar je Auto bedeutet das Zusatzausgaben für die Wolfsburger von jährlich 150 Millionen Dollar. Schon seit eineinhalb Jahren baut Volkswagen für die Konnektivität in die Autos serienmäßig einen 4G-Chip ein – entsprechend werden auch rückwirkende Zahlungen fällig. Mit Hilfe der Chips können die Autos nicht nur bei einem Unfall den E-Call auslösen, sondern auch Verkehrsnews und Kartendienste abrufen.

Jetzt haben alle deutschen Autobauer eine Lizenzvereinbarung für die standardessentiellen Patente, die beim Einbau eines Mobilfunkchips in ein Fahrzeug nötig werden. Damit liegen sie im internationalen Vergleich weit vorne – Toyota, ein ähnlich großer Hersteller wie Volkswagen, hat bisher keine Lizenzen erworben, auch Honda, General Motors, Ford und Hyundai nicht.

„Das besonders scharfe deutsche Patentrecht kann bei der Wahl des Ziels durchaus eine Rolle gespielt haben“, sagt Patentrechtexperte Florian Müller, der den Patentblog Fosspatents schreibt. Wird etwa Ford in Deutschland verklagt, kann das Gericht nur den Verkauf hierzulande stoppen, bei einem deutschen Konzern dagegen könnte das Gericht bei einer möglichen Patentverletzung die gesamte Produktion stilllegen.

Deutschen Autoherstellern, die im Massenmarkt mit niedrigen Margen zu kämpfen haben, entsteht so im Wettbewerb mit ausländischen Marken ein Wettbewerbsnachteil. Ford wird gerade von IP Bridge in München verklagt. Bei den japanischen und koreanischen Herstellern, die bekannt sind für ihre Kampfbereitschaft vor Gericht, wurden wegen 4G noch keine Patentverletzungsklagen anhängig.

Deutsche Autobauer komplett lizensiert

„Manche Autokonzerne haben länger gebraucht als andere“, sagt Kasim Alfalahi, der Gründer und CEO von Avanci. „Wir waren von der ersten Stunde an in Gesprächen mit Volkswagen.“ Volkswagen hatte aber 2019 für sein Massengeschäft nur 3G-Lizenzen genommen. Lediglich für die Luxusmarken Porsche und Audi schloss der Konzern damals schon 4G-Lizenzen ab.

Erst unter dem Druck internationaler Klagen beugt sich Volkswagen. Der taiwanesische Computerhersteller Acer hatte den Autokonzern kurz vor Weihnachten wegen Verletzung ihrer 4G-Patente zunächst vor einem Gericht im US-Bundesstaat Virginia verklagt. Der japanische Patentverwerter IP Bridge zog die Wolfsburger im Februar dann auch in München vor Gericht – dort sind die in Patentverletzungsfällen als besonders streng geltenden deutschen Richter ansässig.

Es muss Volkswagen schnell klar geworden sein, dass die Chancen vor Gericht klein sind – gerade einmal drei Monate dauerte es zwischen Einreichen der Klage und dem Abschluss des Lizenzvertrags, der die standardessentiellen 4G-Patente von 49 Unternehmen umschließt. Daimler dagegen ließ sich auf Prozesse ein, die länger als zwei Jahre liefen, ehe sie im Dezember die Patente des Avanci-Marktplatzes kauften. Die Prozesskosten liefen in Millionenhöhe. Der Münchner Autobauer BMW dagegen nahm freiwillig als erster eine Avanci-Lizenz – und sparte sich Kosten und Ärger.

„Volkswagen hat mit dem Patentpool Avanci eine betriebswirtschaftlich sinnvolle und pragmatische Lösung erreicht“, so die VW-Pressestelle. „Diese Entscheidung entlastet Volkswagen hinsichtlich der Gerichtsverfahren in einem noch nicht klar definierten Rahmen.“ Volkswagen habe die Avanci-Lösung von Beginn an unterstützt, sehe aber noch Raum für weitere Optimierungen, insbesondere im Hinblick auf faire Optionen für die Lizenzvergabe in der Lieferkette.

Mehr zum Thema: Wird ein Unternehmen vor dem Münchener Landgericht wegen Patentverletzung verklagt, zittern die Anwälte. Denn hier werden besonders strenge Urteile gegen Patentnutzer gesprochen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%