„Technik absolut alltagstauglich“ Fehlen dem Wasserstoffauto die Fans?

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Große Herausforderungen der Brennstoffzelle

Toyota, Hyundai und Daimler waren lange Zeit starke Befürworter der Brennstoffzelle. Doch offenbar setzt auch beim weltweit zweitgrößten Autobauer Toyota ein Umdenken ein. Hybride aus Benzin und Elektro bauen die Japaner schon lange – durchaus erfolgreich, wie der weltweite Verkaufserfolg des Modells Prius beweist. Doch von rein batterieelektrischen Autos wollte man in der Chefetage des Konzerns lange Zeit nichts wissen. Das ändert sich gerade. Die Fachwelt horchte auf, als Toyota vor wenigen Wochen eine rein elektrische Modellplattform ankündigte. Gleich sechs batterieelektrische Modelle sollen bis 2025 in Serie gehen.

Die Vorteile der Brennstoffzelle sind bekannt: lokale Abgasfreiheit und das im Vergleich zum E-Auto schnelle Tanken. Hinzu kommt, dass die Brennstoffzelle ohne den gigantischen Rohstoffbedarf der E-Auto-Akkus auskommt. Behalten deren Befürworter um VW-Boss Diess recht, wird sich die Nachfrage nach Nickel und Lithium in den kommenden Jahren rund verfünffachen. Dagegen ist eine Brennstoffzelle in der Herstellung relativ günstig und ressourcenarm.

Doch es gibt auch gewaltige Herausforderungen auf dem Weg zur wasserstoffbasierten Massenmobilität: Sicherheitsbedenken etwa, nicht erst seit der Explosion einer norwegischen H2-Tankstelle am Pfingstmontag in der Nähe von Oslo. Dort barst ein Überdrückkessel. Zwei Menschen wurden verletzt; im Umkreis von mehreren Hundert Metern lösten bei vorbeifahrenden Autos die Airbags aus, die wichtige Fernstraße, die die Hauptstadt mit dem Westen des Landes verbindet, wurde wochenlang gesperrt. Die Betreiberfirma Nel musste alle H2-Tankstellen im Land erst einmal schließen; auch vier deutsche H2-Tanken, deren Technik ähnlich der in Oslo explodierten ist, wurden vorübergehend geschlossen. Einige Hersteller haben sogar den Verkauf ihrer Brennstoffzellen-Pkw eingestellt, bis die Ursache geklärt ist.

Wasserstoff ist hochreaktiv und die Moleküle sind klein. Dadurch entweicht er leicht aus Tanks und Leitungen; nicht perfekte Schweißnähte etwa können ein Problem werden. Wasserstoff ist zudem das Speichermedium mit der geringsten Energiedichte – viel geringer als Diesel und Benzin, aber auch als ein Lithium-Ionen-Akku. Damit sich H2 als mobiler Energiespeicher, etwa im Auto, überhaupt eignet, muss er auf enormen Druck von bis zu 700 Bar komprimiert oder auf minus 253 Grad abgekühlt werden. Beides braucht extrem viel Strom und macht die Technologie teuer.

Wie dem Elektroauto fehlt es der Brennstoffzelle zudem an der nötigen Infrastruktur zum Laden respektive Tanken von Millionen Pkw. Ladesäulen für E-Autos sind aber die einfachere und robustere Technik – und vor allem viel günstiger: Eine Schnellladesäule kostet zwischen 20.000 und 50.000, eine H2-Tankstelle mindestens eine halbe Million Euro. Pierre-Etienne Franc, Chef des Hydrogen Council, bezeichnet den raschen Ausbau des Wasserstoff-Tankstellen-Netzes deshalb als „Schlüsselelement“.

Bisher kein C02 Vorteil

Klimaschonend ist die Brennstoffzelle derzeit ebenfalls nicht, wenn man die gesamte energetische Verwertungskette, also nicht nur das Auto, sondern auch Herstellung und Transport der Kraftstoffe respektive des Stroms betrachtet. In den meisten Ländern, auch Deutschland, wird Wasserstoff derzeit aus Erdgas (CH4) gespalten, dabei wird sehr viel CO2 frei. So ist die CO2-Bilanz eines Brennstoffzellen-Autos heute nicht nur schlechter als die eines E-Autos, sondern sogar schlechter als die von Dieseln.

Das muss und wird nicht so bleiben. Klimapolitisch ergibt die Brennstoffzelle dann Sinn, wenn der Wasserstoff dafür CO2-neutral hergestellt wird. Technisch ist das Verfahren Power-to-Gas ausgereift: Mit überschüssigem Ökostrom aus Windkraftanlagen könnte man Wasser per Elektrolyse in H2 und Sauerstoff aufspalten, statt die Windräder abzuschalten oder deren Ökostrom für wenig Geld zu exportieren, wenn das deutsche Netz es wegen Frequenzanstiegs bei Überproduktion nicht aufnehmen kann. Kurzfristig erscheint das sinnvoll, denn noch ist der Überschussstrom etwa aus Nordsee-Wind billig, weil die Transportleitungen in den industriellen Süden fehlen. Doch um größere Teile des Verkehrs langfristig mit H2 zu betreiben, wären immense Mengen Wind- und Sonnenstrom erforderlich, der dann nicht dem Strommarkt zur Verfügung stünde.

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