„Technik absolut alltagstauglich“ Fehlen dem Wasserstoffauto die Fans?

Wasserstoffauto: „Die Technologie ist absolut alltagstauglich“ Quelle: imago images

Wasserstoff hat enormes Potenzial als Speichermedium für saubere Energie – etwa aus Wind und Sonne. Doch ob er sich auch im Auto durchsetzen kann, ist höchst umstritten. Daimlers Wasserstoff-Papst kämpft aber dafür.

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Daimlers Zukunft wird in einem unscheinbaren Bürozentrum in Nabern erforscht, zwischen Stuttgart und Ulm. Graue Teppiche, weißer Beton, ein Fahrstuhl aus den 70er Jahren. Dazwischen: Prof. Dr. Christian Mohrdieck, Chef der Mercedes Benz Fuel Cell GmbH, der Wasserstoff-Papst des schwäbischen Autobauers. Mohrdieck empfängt zum Gespräch im hauseigenen Museum, einer kleinen Halle in deren einer Ecke der NeCar 1 steht, das erste Wasserstoffauto der Stuttgarter, gebaut 1994: Ein umgebauter MB 100 Kastenwagen, der neben den Tanks nur noch Platz für zwei Personen bietet – ohne Gepäck.

Gleich nebenan ruht das Skelett eines aktuellen Mercedes GLC, der völlig normal aussieht – auch den gewohnten Platz bietet -, dessen Motorraum aber mit einer Brennstoffzelle gefüllt ist. Vier Kilo Wasserstoff können die Tanks aufnehmen, genug für etwas mehr als 400 Kilometer, hinzu kommt eine Batterie mit 50 Kilometern Reichweite.

Mohrdieck schaut zufrieden auf die Karosse des GLC F-Cell und sagt: „In 30 Jahren Entwicklung ist es uns gelungen, die Brennstoffzelle doppelt so leistungsfähig zu machen, und auf ein Fünftel ihrer Größe von 1994 zu schrumpfen.“ Probleme wie den Start bei Außentemperaturen unter Null habe man gelöst, auch das Tankstellennetz wachse. Ende des Jahres will man in Deutschland bei 100 Stationen sein. „Die Technologie hier ist absolut alltagstauglich“, sagt Mohrdieck. Das Auto erfülle alle Voraussetzungen eines modernen Pkw, biete dieselben Fahreigenschaften. „Der Kunde muss sich nicht umstellen, auch nicht beim Tanken.“

Das, so will er das verstanden wissen, sei ein großer Vorteil gegenüber einem reinen Batteriefahrzeug – und vielleicht die bessere Lösung für schwere Fahrzeuge auf der Langstrecke, wie die boomenden SUV. Diese seien „wie gemacht für den Wasserstoff-Antrieb“, sagt Mohrdieck. Seit 30 Jahren forschen sie bei Daimler schon an dem Thema. Dennoch ist es alles andere als ausgemacht, dass die Antriebstechnologie irgendwann in Serie geht. Der alte CEO Dieter Zetsche hatte sich diese Richtungsentscheidung nicht mehr zugetraut. Daimlers neuer Chef Ola Källenius muss nun bald den Daumen heben oder senken, um in den nächsten Generationen der C-, E- oder S-Klasse einen Wasserstoffantrieb anbieten zu können. Zwar hat Källenius gerade in seiner „Ambition 2039“ getauften Strategie Wasserstoff (H2) explizit erwähnt. Doch fehlt es bislang an einem Bekenntnis zur Serienproduktion.

Denn, auch wenn Mohrdieck und sein Team schon heute Modelle auf den Testständen haben, deren Brennstoffzellen nochmal 20 Prozent kleiner sind, auch wenn sich der Professor sicher ist, dass Wasserstoff im Pkw eine Zukunft hat: Es wird womöglich am Ende nicht reichen.

H2 ist als Energieträger im Verkehr nicht unproblematisch; die Technologie hat viele Nachteile. Nüchtern betrachtet ist man noch weit entfernt vom flächendeckenden Einsatz in Autos. Wasserstoff lässt sich auf zwei Arten im Auto als Energielieferant verwenden: Direkt, in einem Verbrennungsmotor, wo er per Knallgasexplosion Kolben in Bewegung setzt – genau wie das Benzin-Luft-Gemisch in einem Ottomotor. Oder über den Umweg Brennstoffzelle. Diese erzeugt aus Wasserstoff zunächst Strom, der einen Elektromotor antreibt. Das Verfahren ist abgasfrei, als Endprodukt entsteht nur Wasserdampf.

Die Idee ist nicht neu. Der Chemiker Christian Friedrich Schönbein entdeckte sie schon 1838. Es dauerte aber 128 Jahre bis General Motors 1966 in Detroit das erste Auto mit Brennstoffzelle baute. Seitdem kommt sie immer wieder in den Entwicklungsabteilungen der Autokonzerne auf den Tisch, hat es aber nie ganz in den Massenmarkt geschafft.

Dabei ist ihr Potenzial gigantisch: Mit „grünem“ Wasserstoff betrieben, der etwa mit Ökostrom per Elektrolyse aus Wasser hergestellt werden kann, könnte die Brennstoffzelle den gesamten terrestrischen Verkehrssektor fast CO2-neutral machen: Pkw, Lkw, Züge, Nutzfahrzeuge. Das jedoch kann auch das moderne Elektroauto. Voraussetzung: Auto und Batterie müssen mit Ökostrom hergestellt und geladen werden.

So ist die Autoindustrie derzeit gespalten, wenn es darum geht, welche der beiden Technologien Vorrang in Forschung und Entwicklung haben soll. Beide ohne klare Priorisierung zugleich zu verfolgen, würde die Entwicklungsbudgets zumindest der mittleren und kleinen Player und Zulieferer sprengen. Und derzeit ist das Batterielager größer: Tesla, Renault, Nissan, GM, Ford, JLR, BYD, PSA und neuerdings ein echtes Schwergewicht: VW.

Dessen Chef Herbert Diess machte wiederholt klar, dass er wenig vom gerne als „Technologieoffenheit“ deklarierten Bremsen und Zaudern bei der E-Mobilität hält und es keinen Zweifel geben könne, dass VW in den kommenden Jahren ausschließlich auf seriennahe E-Autos setzt. Angeblich drohte Diess im April den nicht so überzeugten E-Auto-Skeptikern im wirkmächtigen Verband VDA gar mit Austritt. Innerhalb des Protokolls klingt das zwar so: „Wir werden selbstverständlich auch an der Brennstoffzelle weiter forschen“, sagt Diess. Übersetzt heißt das aber nichts anderes als: Die milliardenschweren Entwicklungsbudgets bekommt das seriennahe Elektroauto. Schon ab 2020 will Diess sie zu Hunderttausenden bauen, insgesamt 45 Milliarden Euro will VW in den nächsten Jahren ins Elektroauto und die mitunter schwierig zu beschaffenden Batterien dafür stecken. Die Brennstoffzelle bekommt ein keines Forschungsbudget, ein paar Größenordnungen kleiner – noch.

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