Tesla Grünheide Diese Arroganz kann sich Deutschland nicht leisten

Die Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin. Quelle: imago images

Die Bürger von Grünheide haben gegen die Erweiterung des Tesla-Werks gestimmt – wie kleine Kinder, die alles haben, aber nichts geben wollen. Der Gemeinderat darf darauf nicht hören. Ein Kommentar.

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Grünheide will keine Erweiterung des Tesla-Werks. Mit großer Mehrheit haben sich die Bürger in einer formellen Befragung nun dagegen ausgesprochen. Grünheide ist für Wald und Wasser – und gegen hässliche Industrieanlagen. Das ist Grünheide, das ist Deutschland. Und das ist das Problem.

In der WirtschaftsWoche-Redaktion gab es mal einen Kollegen, der nicht in Deutschland aufgewachsen war. Das Sprichwort „Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass“ kannte er nicht. Als er es in einer Redaktionskonferenz zum ersten Mal hörte, hatte er riesige Freude daran – weil das Sprichwort eine menschliche Schwäche schön auf den Punkt bringt, aber auch, weil der Kollege mit seinem ausländischen Hintergrund in der Einstellung einen typisch deutschen Wesenszug erkannte: Alles haben, aber nicht bezahlen wollen. Geiz ist geil. Gourmetqualität zum Discounterpreis.

So lavieren wir uns durch in Aldi-Land. Wir wollen Frieden, aber keine Militärmacht sein. Es gibt ja andere, die für uns sterben und mit ihren Steuern teure Waffenarsenale finanzieren. Wir wollen ein beliebter Wirtschaftsstandort sein, aber nur die halbe Woche arbeiten. Wir wollen ganz viel Klimaschutz, würden aber kollektiv durchdrehen, wenn wir inflationsbereinigt so viel fürs Benzin bezahlen müssten, wie frühere Generationen. Ganz zu schweigen von dem Preis, den wir zahlen müssten, würde er die verursachten Klimaschäden beinhalten. Wir wissen, dass nur gute Bildung uns vor dem Absturz bewahrt, aber immer weniger wollen Lehrer werden. Und höhere Steuern für kleinere Schulklassen? Gott bewahre!

Not in my backyard: Die Einwohner von Grünheide stimmten gegen die Erweiterung des Tesla-Werkes. Dass ein Fabrikbau nicht immer auf Widerstand stößt, zeigt das Beispiel Northvolt.
von Clara Thier, Anabel Schröter

E-Autos, die auf Bäumen wachsen?

Viele Bürger von Grünheide wollen bestimmt, dass Deutschland ein starkes Autoland ist. Sie wollen Jobs, Gewerbesteuereinnahmen und der ein oder andere will vielleicht auch ein gutes E-Auto „made in Germany“. Aber ein Stück Natur dafür hergeben wollen sie nicht, Baustellen wollen sie auch nicht und schon gar nicht irgendeine Gefahr fürs Grundwasser. Sie wollen wahrscheinlich, dass E-Autos auf Bäumen wachsen.

Diese Haltung ist nicht nur ein Problem für Tesla und Grünheide, es geht hier ums Land. Schon die Entscheidung zur neuen Batteriefabrik von Northvolt in Schleswig-Holstein stand auf der Kippe, eine einzige Stimme gab letztlich den Ausschlag dafür. So geht es landauf, landab: Industrie ist prima, aber bitte „not in my backyard“.

Lesen Sie auch unseren Kommentar zur Northvolt-Ansiedlung: Endlich geht in Deutschland mal was!

Es mag sein, dass sich Deutschland diese Arroganz früher mal leisten konnte. Jetzt können wir es nicht mehr. Wenn sich heute E-Autobauer oder Batteriehersteller für Deutschland als Standort entscheiden, ist das ein Kompliment ans Land, eine Chance, die wir nicht vergeben dürfen und das sollten Erwachsene in die Hand nehmen, nicht verwöhnte Kinder, die nur im Nehmen gut sind.

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In diesem Sinn ist nun der Gemeinderat von Grünheide am Zug. Wie gute Eltern sollten die Mitglieder des Gremiums den Bürgern zuhören, sollten überlegen, was sie für sie tun können. Und wenn der Bebauungsplan für den Erweiterungsbau dann irgendwann im Gemeinderat zur Abstimmung steht, sollte das Gremium eine erwachsene Entscheidung treffen: Please in our backyard!

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