VW-Aufsichtsrätin Ursula Piëch Die mächtigste Frau der deutschen Wirtschaft

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Praxisberichte vom Auto-Gott

Ursula Piëch hat weder Ingenieurwissenschaften studiert noch unternehmerische oder automobile Erfahrung. Doch inzwischen kennt sie den VW-Konzern mit seinen vielen Marken, Fragen des Managements und technischen Details aus Produktion und Fahrzeugentwicklung vermutlich besser als viele Manager. Denn ihr Mann hat sie sukzessive in die Branche eingeführt, mit den wesentlichen Themen vertraut und auch mit den Schlüsselfiguren der Branche bekannt gemacht, darunter den Fiat-Haupteignern der Familie Agnelli. Laut Medienberichten führen die Familien gerade Sondierungsgespräche über eine Übernahme von FiatChrysler durch VW.

Den VW-Konzern dürfte Uschi heute bis in den letzten Spurwinkel kennen: Weil Ferdinand Piëch ungern lange Texte studiert, hat sie schon vor Jahren damit begonnen, ihm alle wichtigen Papiere vorzulesen. Dass Ferdinand ihr auch die Zusammenhänge erklärte, darf angenommen werden. Praxisberichte vom Auto-Gott – einen besseren Lehrmeister konnte sie nicht bekommen. „Sie weiß genau, wie er tickt, worauf er hinaus will und was er dazu plant“, vermutet ein langjähriger Wegbegleiter. So wurde sie quasi sein weiblicher Stellvertreter, eine Art Piëch zwo.

Die Ehepaare der Wirtschaft
Brigitta und Titus Dittmann Titus Dittmann gilt als Vater der deutschen Skateboard-Szene. Mit seiner Frau ist er seit 1974 verheiratet - der gemeinsame Sohn Julius (links) führt mittlerweile die Familiengeschäfte. Nach missglücktem Börsengang bringt er heute Kindern in Afghanistan und Afrika das Skateboarden nahe. Seine Frau beantragte damals den "Reisegewerbeschein", um das Unternehmen zu gründen. Titus Dittmann konnte das nicht machen. Sein Beruf als Lehrer erlaubte es ihm nicht. Quelle: PR
Erivan und Helga HaubJahrelang prägten sie die Tengelmann-Gruppe: Erivan und Helga Haub. Sie heiraten 1958, elf Jahre später übernimmt Erivan Haub die Geschäftsführung des Familienunternehmens. Unter ihm expandiert Tengelmann zu einem der weltweit größten Handelsunternehmen. Helga Haub engagiert sich  vor allem für die Umwelt und verbannt 1984 Schildkrötensuppe aus dem Sortiment. Quelle: DPA
Gerd und Gabriele StrehleSie war jahrelang der kreative Kopf der Modefirma Strenesse, er der ökonomische. 1973 kommt Gabriele Strehle – damals noch Gabriele Hecke – als Designerin zu den Nördlinger „Bekleidungswerken Strehle“. Sie prägt das Unternehmen mit ihrer Handschrift und entwickelt die Marke Strenesse.  1985 heiratet sie Gesellschafter Gerd Strehle, 1998 erhält die Marke ihren Namenszusatz „Strenesse – Gabriele Strehle“, zwei Jahre später wird aus der Strehle GmbH die Strenesse AG. 2012 hat Gerd Strehle seinen Vorstandsvorsitz an seinen Sohn aus erster Ehe, Luca Strehle, abgegeben und hat den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Gabriele Strehle hat das Unternehmen daraufhin verlassen. Quelle: DPA
Bertha und Carl Benz Bertha Benz stammte aus einer wohlhabenden Familie. Weil sie sich ihr Erbe vorzeitig auszahlen ließ, konnte Carl Benz aus einem Vertrag mit einen Motorenbauer herausgekauft werden, so erzählt es die Urenkelin Jutta Benz im Interview mit Wiwo.de. Kaufmännisch begabt sei Carl Benz nicht gewesen: An der zweiten Firma Benz & Cie., die er gründete, war er lediglich mit zehn Prozent beteiligt. Dieses Unternehmen lief gut; Carl Benz war die meiste Zeit mit seinen Erfindungen beschäftigt. Bertha Benz soll Druck ausgeübt haben, es war schließlich auch ihr Geld, das in dem Unternehmen steckte. Quelle: Presse
Sonia und Willy BognerDas Unternehmer-Ehepaar ist seit 1972 verheiratet. Er ist der erfolgreiche Kaufmann, wie "Die Welt" schreibt; sie der kreative Kopf des Modeunternehmens. Willy sei der Chef, sie die Chefita - auf Gleichberechtigung habe Sonia Bogner keine Lust: Sie möchte nicht die ganze Verantwortung für die Firma tragen müssen. Quelle: Presse
Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und HalbachDiese Szene aus dem ZDF-Dreiteiler „Krupp – Eine deutsche Familie“ von 2009 zeigt Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach (dargestellt von Iris Berben und Thomas Thieme). Nach dem Tod ihres Vaters Friedrich Alfred Krupp war die noch minderjährige Bertha Krupp Alleinerbin des Stahlriesen Krupp. Auf Vermittlung von Kaiser Wilhelm II. heiratete sie den preußischen Adligen Gustav von Bohlen und Halbach. Das Paar durfte auf königlich-preußischen Erlass solange den Namen „Krupp von Bohlen und Halbach“ tragen, solange ihnen das Unternehmen persönlich gehörte. Quelle: dpa
Liz und Reinhard Mohn Elisabeth (Liz) Mohn war 17 Jahre alt, als sie Reinhard Mohn kennen lernte. Drei Kinder haben sie gemeinsam, die - bis auf einen Sohn - alle Anteile am Medienkonzern halten. Ihr wurde als Familiensprecherin das Recht eingeräumt, bis zu ihrem 80. Lebensjahr in alle Informationen und Besprechungen involviert zu sein. Während sich Reinhard Mohn bis zu seinem Tod 2009 immer mehr aus dem Geschäftsleben zurückzog, wuchs der Einfluss seiner Ehefrau gleichermaßen. Sie ist heute Aufsichtsratsmitglied bei Bertelsmann. Quelle: dpa

Und Uschi ist eine der wenigen, wenn nicht vielleicht sogar die Einzige, die Ferdinand zu widersprechen oder gar zu foppen wagt, sogar vor versammelter Mannschaft. Als er einmal bei einer Abendgesellschaft vom Porsche Boxster schwärmt und darauf verweist, dass seine Frau das zweisitzige Cabriolet schätze, funkt ihm die kess dazwischen: „Stimmt nicht – da kriege ich ja keinen Kindersitz rein.“ Die Tischgesellschaft grölt, der Gastgeber läuft rot an – aber verzeiht seiner Frau gleich wieder.

Mit Humor im strengen Unternehmen

Sie bringt einen leichten wie selbstironischen Ton in den Konzern, der streng hierarchisch organisiert ist und wo das Leistungsstreben oft den Humor erstickt. Das zeigte sich auch vor zwei Jahren bei der Feier zu Piëchs 75. Geburtstag in Dresden.

In die „schönste Stadt Deutschlands“ (Piëch) lud das Paar rund 200 Personen ins Fünf-Sterne-Hotel Taschenbergpalais ein, die Konzernvorstände mit ihren Partnern, Linde-Chef Wolfgang Reitzle, den früheren ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz und das damalige Bundespräsidenten-Paar Christian und Bettina Wulff – aber auch Manager, die Piëch geschasst hatte.

Die Gäste fanden auf ihren Zimmern eine Hörbuchfassung von Karl Mays Westernroman „Unter Geiern“ vor. Die Festrede – die sich das Geburtstagskind eigentlich verbeten hatte – hielt der Kabarettist Django Asül. Motto der Veranstaltung, geborgt bei dem Schriftsteller Ödön von Horváth: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“

Organisiert hatte das Spektakel Ursula Piëch – die auch dem Festredner die Stichworte für seine Pointen lieferte. Die waren so frech, dass einige Vorstände vorsichtshalber erst die Reaktion des Jubilars abwarteten, ehe sie ins Gelächter einfielen.

Piëchs Chefin

Uschi, der fröhliche Socializer, Ferdinand, der trockene Fakten- und Machtmensch – sie spricht das Herz der Menschen an, er den Verstand. So erleben Außenstehende die Rollenverteilung.

Ursula Piëch ist privat vielseitig interessiert, kocht und schwimmt gerne, freut sich an schönen Gärten und schnellen Autos, am liebsten rot lackiert. Aber sie gilt auch als energisch, hellwach und durchsetzungsstark – ihr Mann nennt sie deshalb scherzhaft „Meine Chefin“. Wehe, wenn ihr etwas nicht gefällt und die kleine Furche zwischen ihren Augenbrauen tiefer wird: Dann droht Gewitter.

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