VW und Prevent Volkswagen verhandelt ab Mittag mit den Zulieferern

Seit Samstag ruhen die Bänder der Golf-Produktion in Wolfsburg. Fortschritte in den Verhandlungen mit den beiden Zulieferern gibt es keine – ab Mittag soll wieder über die fehlenden Teile und Zahlungen gesprochen werden.

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VW Golf Quelle: dpa

Im schwelenden Streit zwischen dem Zulieferer ES Automobilguss und Volkswagen gibt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch Querelen um eine Rechnung für Juli. Demnach muss der sächsische Teilehersteller, dessen Lieferstopp derzeit Teile der VW-Produktion lahmlegt, fürchten, fast 400.000 Euro für Leistungen aus dem Monat Juli nicht wie verlangt bis spätestens zum 25. August gezahlt zu bekommen. Der angebliche Grund dafür lässt aufhorchen: VW-intern scheint es bei dem Vorgang im Verwaltungssystem einen Differenzbetrag von rund 80 Euro zu geben – das sind nur ungefähr 0,02 Prozent der Rechnungssumme für Juli.

Aus dem Hause Volkswagen war am Montag zu hören, dass es sich um keinen ungewöhnlichen Vorgang handele. In der Rechnungsbearbeitung tauche manchmal Klärungsbedarf auf. Das Geld sei daher derzeit in der Tat noch nicht überwiesen. Das heiße aber noch lange nicht, dass das auch bis zum Fälligkeitsdatum 25. August so bleiben müsse.

Bei ES Automobilguss sieht man das dagegen anders: „Ich hoffe sehr, dass diese Handlungsweise nicht einem ungerechtfertigten VW-seitigen Embargo wegen unserer derzeitigen Auseinandersetzung hinsichtlich der Belieferung Ihres Hauses geschuldet ist“, schreibt der Verantwortliche auf Zuliefererseite an VW und betont, dass „die Juli-Rechnung in keinem kausalen Zusammenhang mit unserem Lieferstopp seit Anfang August in Verbindung steht“. Der dpa liegen Unterlagen dazu im Wortlaut vor. Sie reichen jedoch nur bis zum Donnerstag der vergangenen Woche (18.). Von VW hieß es am Montag, die Rechnung werde „nach erfolgter abschließender Prüfung fristgemäß überwiesen“.

Diese VW-Werke waren von dem Lieferstopp betroffen

Damit erscheint der Vorgang wie ein Sturm im Wasserglas – zeigt aber auch, wie sensibel die Situation derzeit ist. Nach dpa-Informationen trafen sich beide Seiten am Montag in einem Hotel in Wolfsburg, um weiterzuverhandeln und den Lieferstopp möglichst rasch beizulegen. Beide Seiten hatten zuvor betont, sich zusammenraufen zu wollen.

Bis Samstag wird kein Golf gebaut

Entsprechende Engpässe wegen des Öieferstopps zwingen VW zunächst bis einschließlich zum Samstag (27. August), die Fertigung des Golf im Stammwerk Wolfsburg komplett herunterzufahren. Wie aus dem Konzern zu hören war, sollen die vor dem Wochenende abgebrochenen Gespräche beider Seiten gegen Mittag fortgesetzt werden.

In Wolfsburg prüft Europas größter Autobauer Kurzarbeit, in Emden wurde diese schon für zahlreiche Beschäftigte angemeldet. Auch in Zwickau ruht ab Montag die Golf- und Passat-Montage. Das Getriebewerk in Kassel, das wegen der fehlenden Guss-Teilen ebenfalls betroffen ist, plant jedoch keine Kurzarbeit. Bis zu 30.000 Beschäftigte können laut dem Unternehmen in dieser Woche nicht wie geplant arbeiten. „Da die weitere Entwicklung nicht absehbar ist, hat Volkswagen Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zur Kurzarbeit vorbereitet“, erklärte der Konzern am Montag in Wolfsburg.

Der Produktionsstopp hängt aus Sicht von Betriebsratschef Bernd Osterloh zweifelsfrei am Verhalten von Prevent. „Nach unserer Auffassung liegt die Verantwortung eindeutig beim Zulieferer. Oder glauben Sie, wir als Betriebsrat fragen nicht, wessen Schuld es ist, dass unsere Kollegen zu Hause bleiben müssen“, sagte Osterloh der „Bild“-Zeitung.

Die beteiligten Zulieferer sehen die Lage anders als Osterloh und der Konzern. Sie reklamieren für sich, VW zwinge sie zu dem Lieferstopp, weil der Autobauer „frist- und grundlos“ Aufträge gekündigt habe und einen finanziellen Ausgleich dafür ablehne. Es geht dabei um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Der Lieferstopp geschehe zum Selbstschutz und im Kampf um die Zukunft der eigenen Mitarbeiter.

Diese Zulieferer sind besonders abhängig von VW
Platz 15: Thyssen-KruppIm Geschäftsjahr 2014 erwirtschaftete Thyssen-Krupp durch Geschäfte mit Volkswagen einen Umsatz von rund 2 Milliarden Euro. Die Summe macht allerdings lediglich 5 Prozent am Gesamtumsatz aus. Angaben beruhen auf Geschäftsberichte, Unternehmenspräsentationen, Berechnungen und Schätzungen. Quelle: Bloomberg, HRI Stand: 28. September 2015 Quelle: dpa
Platz 14: LeoniDie Leoni AG aus Nürnberg ist als Hersteller von Kabeln und Drähten auf Bordnetz-Systeme spezialisiert. Als Zulieferer für Volkswagen machte das Unternehmen 2014 einen Umsatz von 243 Millionen Euro, das waren 6 Prozent des Gesamtumsatzes. Quelle: dpa
Platz 13: RheinmetallAuch Rheinmetall erzielt 6 Prozent seines Gesamtumsatzes mit VW, 294 Millionen Euro waren es im Geschäftsjahr 2014. Quelle: dpa
Platz 12: ZF FriedrichshafenRund 1,5 Milliarden Euro erlöste der Konzern mit den Wolfsburgern, 9 Prozent des Gesamtumsatzes im Geschäftsjahr 2014. Quelle: dpa
Platz 11: ContinentalDer Dax-Konzern erwirtschaftete durch VW-Aufträge im Geschäftsjahr 2014 einen Umsatz von rund 3 Milliarden Euro, die immerhin 9 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachten. Quelle: dpa
Platz 10: DelphiDer US-Zulieferer Delphi Automotive setzte bei Geschäften mit VW 2014 rund 1,2 Milliarden Euro um – 10 Prozent des Gesamtumsatzes. Quelle: dpa
Platz 9: Elring-KlingerDer unter anderem auf Zylinderkopf und Spezialdichtungen spezialisierte Konzern machte durch Geschäfte mit VW absolut den geringsten Umsatz in der Rangliste: lediglich 142 Millionen Euro. Die Summe machte trotzdem 10 Prozent des Gesamtumsatzes im Geschäftsjahr 2014 aus. Quelle: dpa

Osterloh warnte indes angesichts des Zulieferstreits und der Abgasaffäre bei Volkswagen vor betriebsbedingten Kündigungen. „Stammbelegschaft ist Stammbelegschaft“, sagte Osterloh der Zeitung. „Wenn sich jemand trauen sollte, dort abbauen zu wollen, müssten wir auch den Vorstand verkleinern!“ Über die Personalentscheidungen müsse man sich im Aufsichtsrat – in dem Osterloh selbst sitzt – unterhalten, sagte er der Zeitung.

Jede Woche kostet Millionen

VW wollte sich noch nicht zu finanziellen Folgen des Produktionsstopps äußern. In der neuen Woche werden allein in Wolfsburg und Emden jedenfalls pro Tag rund 3450 Autos weniger gefertigt. Im ersten Halbjahr verdiente die Kernmarke im Schnitt an jedem ausgelieferten Wagen vor Zinsen und Steuern 394 Euro – pro Woche wären das knapp sieben Millionen Euro weniger operativer Gewinn.

Viele Hintergründe des Streits sind unklar. Aus Sicht von ES und Car Trim ist er Folge einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen durch VW. Der Konzern habe keinen Ausgleich dafür gewährt.

Deswegen „sahen sich Car Trim und ES Automobilguss letztlich zum Lieferstopp gezwungen“, hieß es. Nach Informationen von „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und „Süddeutschen Zeitung“ soll es um eine ausgesetzte Zusammenarbeit bei Bezügen von Ledersitzen für den VW Touareg und Porsche Cayenne gehen. Dies sei nicht rechtens gewesen, habe Car Trim argumentiert und Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe verlangt.

Ein Teil der Forderungen wurde demnach dann auf das Prevent-Unternehmen ES übertragen, wodurch es auch bei den Getriebeteilen zu einem gefährlichen Engpass kam. Ähnliche Angaben lagen der Deutschen Presse-Agentur vor – darunter die Dokumentation einer offenen Rechnung von ES an VW in China.

Der Chef des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Diesel-Abgaskrise im Bundestag, Herbert Behrens (Linke), sieht eine mögliche Parallele zwischen dem VW-internen Sparkurs und dem Problem mit den Zulieferern. „Die Konzernleitung von Volkswagen kürzt jetzt, bis es kracht“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Jetzt werden Folgen des milliardenschweren Desasters, das mit der betrügerischen Abgas-Manipulation verursacht worden ist, einfach weitergereicht“, meinte Behrens. Prevent wirft VW vor, bestimmte Aufträge frist- und grundlos gekündigt zu haben. Dagegen wolle man sich mit dem Lieferstopp wehren. Der Autokonzern fordert hingegen von den Geschäftspartnern, bestehende Liefervereinbarungen einzuhalten.

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