Brexit Wohin das Londoner Kapital flieht

Brexit: Londoner Kapital wandert oft nach Frankfurt und Dublin Quelle: dpa

Die Kapitalflucht aus London hat schon weit vor dem Brexit begonnen, Banken und Vermögensverwalter ziehen Teile ihres Geschäfts ab. Viele wählen Dublin als neue Heimat - aber Frankfurt hat einen anderen Vorteil.

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Während Großbritanniens Premierministerin Theresa May kurz vor der Abstimmung im Londoner Unterhaus weiterhin um Mehrheiten für ihren Brexit-Deal ringt, haben Vermögensverwalter, Banken und Versicherer ihre Schlüsse längst gezogen.

Laut einer Studie des Londoner Thinktanks New Financial ziehen 275 Finanzdienstleister Geschäft aus Großbritannien ab oder haben schon Kapital oder Mitarbeiter verlagert.

Die meisten davon, so die Studie des unabhängigen Thinktanks, hätten schon einen neuen Standort für ihr EU-Geschäft in der Zeit nach dem Brexit ausgewählt. Davon profitiert auch die deutsche Finanzmetropole Frankfurt. Zwar ist sie laut den reinen Zahlen nicht der größte Brexit-Gewinner. Was das Volumen des verlagerten Geschäfts angeht, dürfte das allerdings anders aussehen.

Laut New Financial sind 100 Firmen nach Dublin gezogen. Die irische Hauptstadt zieht damit die meisten Unternehmen an. Dahinter folgen Luxemburg mit 60 Firmen und Paris mit 41. Erst danach kommt Frankfurt mit immerhin 40 Finanzdienstleistern, die ihr EU-Geschäft am Main angesiedelt haben.

Die Zahl verwundert zunächst, hatten sich doch Frankfurter Stadtvermarkter positiv über die vielen Zuzügler aus Großbritannien geäußert. Auch die deutsche Aufsicht berichtet gern über zahlreiche Gespräche mit betroffenen Banken, die in Frankfurt Zuflucht suchen.
Tatsächlich täuschen die reinen Zahlen: Während sich in Dublin vor allem Vermögensverwalter ansiedeln, zieht es die großen Banken laut New Financial eher nach Frankfurt. „Nahezu 90 Prozent der Firmen, die Frankfurt als ihre EU-Basis gewählt haben, sind Banken“, schreiben die Forscher in ihrem Report. Broker und Handelsplattformen haben sich dagegen für Amsterdam entschieden.

Frankfurts Vorteil: Banken bewegen bei ihrer Verlagerung bei weitem das meiste Geschäftsvolumen, nämlich Assets im Wert von rund 800 Milliarden Pfund. Bei Vermögensverwaltern sind es dagegen 65 Milliarden Pfund.

Bisher konnten Banken ihr EU-Geschäft von London aus steuern, dafür haben sie die sogenannten Passporting-Rechte genutzt. Das wird nach dem Brexit wohl so nicht mehr möglich sein, deshalb muss Geschäft verlagert werden.

Umworben werden die Banken auch von der Bundesregierung. Die hat erst im Februar den Kündigungsschutz für die Top-Verdiener unter den Bankern gelockert. Dadurch kann Bankern, die mehr als rund 240.000 Euro im Jahr verdienen, leichter gekündigt werden. Von diesen sogenannten Risikoträgern darf sich ein Arbeitgeber dann ohne Begründung gegen Zahlung einer Abfindung trennen. Das dürfte insbesondere Banken aus Ländern mit einem ohnehin lockereren Kündigungsschutz überzeugen.

Spätestens seit dem vergangenen Jahr sind die Vorbereitungen der Banken in Frankfurt spürbar. Neue Bürotürme werden bezogen, wie beispielsweise bei der Investmentbank Goldman Sachs. Auch die internationalen Schulen in Frankfurt berichten schon länger von steigenden Anmeldezahlen, viele Banken haben pauschal ein Kontingent an Plätzen reserviert, um vorbereitet zu sein. Nicht nur einzelne Banker, sondern vor allem Anwälte oder Berater sind längst auf Wohnungssuche am Main.

Für den Finanzplatz Frankfurt kommen die neuen Brexit-Banker womöglich genau zur richtigen Zeit. Sollte es tatsächlich, wie von Finanzminister Olaf Scholz und seinem Staatssekretär Jörg Kukies angestrebt, zu einer Fusion zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank kommen, fürchten Gewerkschafter und Mitarbeiter einen enormen Stellenabbau. Anders dürften die nötigen Synergien kaum zu erzielen sein. Analysten fürchten, dass rund 20.000 Arbeitsplätze wegfallen könnten.

So viele Stellen wird allerdings auch der Brexit nicht so schnell ersetzen können.

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