Die angeschlagene Großbank Credit Suisse will sich bis zu 50 Milliarden Franken (rund 50,7 Milliarden Euro) von der Schweizer Nationalbank (SNB) leihen. Das teilte das Institut am frühen Donnerstagmorgen in einer Ad-hoc-Mitteilung mit. Damit würden „entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung“ der Liquidität ergriffen. Diese zusätzliche Liquidität würde das Kerngeschäft und die Kunden der Credit Suisse unterstützen, hieß es weiter. Die geplante Anleihe sei „vollständig durch erstklassige Vermögenswerte gesichert“. Die Stützungsaktion der Nationalbank sorgt für Beruhigung: Die Aktien der Schweizer Großbank wurden am Donnerstag im vorbörslichen Handel um 41 Prozent höher indiziert.
Nach einem dramatischen Kursverfall hatte die SNB und Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma der Bank nur Stunden zuvor Unterstützung angeboten und gleichzeitig betont, die Credit Suisse erfülle die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität. Es gebe aktuell zudem keine Hinweise auf eine direkte Ansteckungsgefahr für Schweizer Institute aufgrund der Probleme der US-Banken, hieß es weiter. Die Credit Suisse ist die erste global systemrelevante Bank seit der Finanzkrise 2008, die maßgeschneiderte Hilfe erhält.
Die Großbank teilte außerdem mit, zwei Barangebote für auf US-Dollar und Euro lautende vorrangige Schuldverschreibungen im Gesamtwert von rund drei Milliarden Franken zu unterbreiten. Bankchef Ulrich Körner sagte der Mitteilung zufolge: „Mit diesen Maßnahmen stärken wir die Credit Suisse im Rahmen unseres strategischen Wandels, um für unsere Kunden und andere Anspruchsgruppen Mehrwert zu schaffen. Wir danken der SNB und der Finma für die Umsetzung unseres strategischen Wandels.“
„Dies ist ein starkes und wichtiges Signal“, erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. „Wir hoffen, dass die Maßnahmen die Märkte beruhigen und die Negativspirale durchbrechen werden.“ Nicht alle Experten waren überzeugt, dass die Credit Suisse die Krise damit hinter sich lassen kann. „Es bleibt fraglich, welche Auswirkungen die Mitteilung der SNB auf die Dynamik der Abflüsse von Kundengeldern bei der CS hat“, erklärte Christian Schmidiger von der Zürcher Kantonalbank. Kian Abouhossein, Analyst bei JP Morgan, hält eine Übernahme für ein mögliches Szenario. Als Kandidat für einen Kauf stehe dabei die UBS im Vordergrund.
Credit Suisse hatte bereits am Mittwoch versucht, die Bankkunden zu beruhigen. Es handle sich um eine „sehr gut kapitalisierte Bank“, betonte der Chef der Credit Suisse Schweiz, André Helfenstein, in einem Interview des Schweizer Senders „Blick TV“. Der Kurseinbruch gehe darauf zurück, dass die Bankentitel wegen der Probleme von US-Regionalbanken unter Druck stünden.
US-Regionalbanken unter Druck
Der Zusammenbruch im Silicon Valley setzt speziell kleine Banken unter Druck, deren Einlagen unversichert sind.
Die amerikanischen Börsenbetreiber hatten am Montag gerade ihre Märkte eröffnet, da war für die First Republic Bank auch schon Schluss. Der Aktienkurs der Regionalbank aus San Francisco rauschte um 67 Prozent in den Keller; der Handel mit den Aktien des Kreditinstituts wurde vorübergehend eingestellt. Dabei hatte sich das Management alle Mühe gegeben, um die Talfahrt zu verhindern, sich noch am Sonntag bei JP Morgan Chase den Zugriff auf 70 Milliarden frische Dollar gesichert – und in einem Statement auf seine robuste Liquidität und Kapitalausstattung verwiesen. Die Anleger konnte das nicht überzeugen. First Republic stürzte ab. Auch andere US-Regionalbanken gerieten schwer unter Druck.
Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) hat das amerikanische Bankensystem einmal mehr zutiefst verunsichert. Anders als in der Finanzkrise 2008 wanken diesmal allerdings nicht die Großen. Im Gegenteil. Die SVB ist mit einer Bilanzsumme von rund 200 Milliarden Dollar nicht „too big to fail“, sondern eine von zahlreichen kleineren und mittleren Regionalbanken, die das US-Geldwesen prägen. Sie sind landesweit bedeutsam, weil sie lokale Unternehmen unterstützen, außerdem Vermögensverwaltung und Private Banking anbieten, also extensiv von privaten Sparern genutzt werden. Das Problem: Viele Institute haben „einen hohen Anteil an Einlagen, die nicht versichert sind“, sagt Jens Nordvig, ehemals Managing Director bei Goldman Sachs und heute CEO von MarketReader und Exante Data. Manche Institute – wie die SVB – richten sich an spezielle Zielgruppen. Das macht sie anfällig für Bank-Runs.
Mayra Rodriguez Valladares von der Unternehmensberatung MRV Associates sorgt sich vor allem um Banken mit einer Bilanzsumme von 100 bis 250 Milliarden Dollar. Sie sind dereguliert – und „müssen nicht messen, wie viele hochwertige liquide Mittel sie haben, um ihre Nettoabflüsse in Zeiten von Markt- oder Kreditengpässen zu decken“. Nach der zügigen Verstaatlichung der SVB könnte sich das jetzt ändern. Die Regionalbanken müssen sich auf neue Regulierungen einstellen, schreibt etwa Isaac Boltansky vom Broker BTIG in einer Einschätzung der Lage. Gut möglich also, dass die Kapitalanforderungen für die Regionalbanken bald steigen.
Der Kollaps mehrerer regionaler US-Banken hatte zuletzt Unsicherheit im Bankensektor ausgelöst. Bei der ohnehin angeschlagenen Credit Suisse schlug dies am Mittwoch besonders deutlich nieder. Die Aktien der Bank sackten in Zürich zeitweise um über 30 Prozent auf ein Rekordtief von 1,56 Franken (1,59 Euro) ab und schlossen zum Handelsende mit einem Rückgang um über 24 Prozent.
Ebenfalls bereits am Mittwoch hatte der Chairman der saudischen National Bank, Ammar Abdul Wahed Al Khudairy, in einem Interview des Fernsehsenders Bloomberg TV zusätzliche Unterstützung kategorisch ausgeschlossen. Die Bank ist Großaktionär der Credit Suisse, die im vergangenen Jahr einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken und massive Abzüge von Kundenvermögen in Höhe von 123 Milliarden vermeldet hat.
Die Bank war 1856 gegründet worden. Sie hat eigenen Angaben zufolge mehr als 50.000 Angestellte. Nach zahlreichen Skandalen steckt die Credit Suisse mitten in einem tiefgreifenden Konzernumbau, der Milliarden kostet und den Abbau von 9000 Stellen umfasst. Am Ende soll daraus eine Bank entstehen, die vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären setzt und nicht mehr auf das riskante Investmentbanking. Gerade für das Geschäft mir reichen Privatkunden ist Vertrauen in das Institut eine entscheidende Voraussetzung.
Lesen Sie auch: Das Bankenbeben könnte das Fanal zur nächsten großen Finanzkrise sein