Die Lufthansa-Tochter Eurowings prüft wegen des 24-Stunden-Streiks am 27. Oktober den Gang vor das Arbeitsgericht. „Wir werden jetzt juristisch untersuchen, wer für diesen Streik Verantwortung trägt und behalten uns entsprechende rechtliche Schritte vor“, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Mindestens ebenso nötig wäre zudem noch eine Untersuchung, warum eigentlich gestreikt wird. Der geneigte Fluggast verliert langsam aber sicher den Überblick in diesem Wust aus bald 20 angekündigten Ausständen (Angabe ohne Gewähr) und den vielen Parteien von streikenden Piloten, Flugbegleitern, unterschiedlichen Gewerkschaften und Co.
Zu den Fakten: Annulliert wurden rund 380 der mehr als 500 Flüge von Eurowings. Betroffen sind 50.000 Passagiere. Und der heutige Ausstand ist noch lange nicht das Ende. Auch kommende Woche sollten Kunden mit gestrichenen Flügen und geplatzten Reiseplänen rechnen. Die Kabinen-Gewerkschaft Ufo will an zwei Tagen zu weiteren Streiks bei der Lufthansa-Tochter aufrufen, sagte Vorstand Nicoley Baublies. Aber wann genau, das ließ er offen. Die vier wichtigsten Fragen zu Deutschlands verwirrendstem Streik:
Womit die Lufthansa ihr Geld verdient
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 32,1 Milliarden Euro
Angaben für 2015
Quelle: CAPA, Unternehmensangaben
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 16 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 5,4 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 4,5 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 10,1 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 2,1 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 2,1 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 1,9 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 2,0 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 2,4 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 0,1 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 5,1 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 8,8 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 3 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 2,8 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 2,5 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): -15,2 Prozent
Wer hat zu den Streiks aufgerufen?
Die Gewerkschaft der Flugbegleiter, Ufo, hat zum Streik beim Lufthansa-Billigableger Eurowings (EW) aufgerufen. Betroffen ist aber nicht der ganze Billigbereich. Nachdem ursprünglich nur der relativ kleine Düsseldorfer Ableger und die Flüge ab und nach Hamburg mit 23 Maschinen am Boden bleiben sollten, hat Ufo nachgelegt und hält nun fast den ganzen EW-Verkehr in Europa am Boden – inklusive der noch in der Bemalung von Germanwings betriebenen Verbindungen. Die Langstreckenjets ab Köln hingegen fliegen, weil sie von Sun Express betrieben, die Lufthansa und Turkish Airlines gehört. Auch die EW-Tochter in Österreich fliegt – zumindest derzeit.
Und warum wird laut Ufo gestreikt?
Wer das wissen will, muss sich die nicht immer ganz klaren Meldungen der Gewerkschaft schon genauer durchlesen und darf keine verpassen. Noch Mittwochmorgen ging es vor allem um Gehälter und Altersversorgung sowie zu verhindern, dass Eurowings immer mehr Flüge von den deutschen Töchtern hin in ausländische Gesellschaften verlegt, weil das Lohnkosten spart. Hier wollte Lufthansa aus Sicht der Gewerkschaft hinter bereits gemachte Zusagen zurückgehen. Dann hätte Ufo wohl nur gut ein Viertel der Flotte bestreiken können.
Das änderte sich Mittwoch im Laufe des Nachmittags. Dann meldete Ufo: „Nachdem auch in dem (…) letzten Verhandlungstermin keine Annäherung der Vorstellungen zu einer Teilzeitregelung erzielt werden konnte, musste die Ufo das Scheitern der Verhandlungen konstatieren.“ Auf das Forderungspaket wäre Eurowings nicht eingegangen, mehrere Termine fielen ersatzlos aus und das Angebot zu Teilzeiten ließe keine Entlastung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu.
Was sagt Eurowings dazu?
Eher gar nichts. Aber die Konzernmutter Lufthansa meldete sich und geißelte die Gründe für den Streikaufruf als „überhaupt nicht nachvollziehbar und geradezu absurd“. Denn bei den Teilzeitvereinbarungen trifft die Airline wie Wünsche bei den Kabinenmitarbeitern öfter als den eigenen Flugplan.
„Die Quote der Wunscherfüllung liegt weit oberhalb der 90-Prozent-Marke. Für das nächste Jahr haben wir sogar 97 Prozent aller Teilzeitwünsche erfüllen können“, mailte der oberste Pressesprecher. Laut seinen Angaben gehe es Ufo um vier abgelehnte Anträge auf Teilzeit für das kommende Jahr. Drei der betroffenen Kabinenmitglieder arbeiteten nicht einmal sechs Monate bei Eurowings.
Und das Thema ärgert die Linie: „Seit drei Jahren haben die Tarifparteien keinerlei Notwendigkeit gesehen, das Thema vordringlich zu behandeln. Jetzt urplötzlich und ernsthaft das Thema Teilzeit als Streikgrund anzuführen, können wir nur als ein Taktieren seitens der Ufo werten.“
Was sagen die Passagiere?
Wer nicht sprachlos ist, redet in die Verwünschungen, oft im Bereich dessen, was Qualitätsmedien nicht veröffentlichen mögen. Denn bei allem Verständnis für die Nöte der Belegschaft: Allmählich ist es genug. Es gibt gültige Tarifverträge in Österreich und eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2017 beim größten EW-Zweig.
Vor allem aber gibt es Wettbewerber, die liebend gerne verärgerte EW-Kunden fliegen. Das mag vielen unter den Streikende nicht so auffallen, weil Air Berlin ebenfalls Passagiere verunsichert mit ihrem Umbau, bei dem nur klar ist: Wenn er klappt, wird die Linie im kommenden Sommer mindestens ein Drittel der jetzt angebotenen und verkauften Flüge nicht wie versprochen durchführen.
Aber es gibt da auch andere Wettbewerber wie Easyjet oder Ryanair. Und die warten nur darauf, dass ihnen in Deutschland nach Air Berlin auch Eurowings Platz macht. Wie das geht, können sich die Beschäftigen derzeit auf der Route Köln–Berlin anschauen. Denn hier verkauft Ryanair die Flüge zu rund einem Drittel der EW-Preise – und verdient immer noch Geld. Und das klappt laut ihrem großmäuligen Chef Michael O’Leary auch auf jeder anderen deutschen Route.