Katrin Hesse ist etwas nervös, denn für den Abend hat sie fast 150 Gäste eingeladen. Die Berliner Filialleiterin der HypoVereinsbank will ihren wichtigen Kunden zeigen, wie schick und schön und neu es jetzt bei ihr zugeht. Sechs Wochen hat der Umbau der Zweigstelle im Stadtteil Charlottenburg gedauert. Nun ist er fertig, der aus München angereiste Vorstand wird ein rotes Band durchschneiden, dann gibt es Häppchen.
Im Schnelldurchlauf führt Hesse durch ihr überarbeitetes Reich. Die Geldautomaten stehen jetzt vorne im Hauptraum statt in einem blickdicht abgetrennten Vorzimmer, an einem Pult sitzt eine Art Lotse als erster Ansprechpartner für alle Kundenfragen. Es gibt eine Sofaecke mit Kaffeeautomat, über die Filiale verteilen sich sogenannte Beratungswürfel aus Glas. Von außen schirmt die ein milchiger Sichtschutz mit Motiven wie Reichstag und Gedächtniskirche ab, drinnen steht ein weißer Schreibtisch, den die Berater nach jedem Gespräch aufgeräumt zurücklassen müssen. Daneben hängt ein Flachbildschirm.
Das alles soll Offenheit, Nähe zum Kunden und Diskretion signalisieren. Doch was so harmlos aussieht, ist Teil einer riskanten Revolution. Denn der frisch renovierte Standort ist einer der ersten fertigen Bausteine des größten Umbaus im deutschen Privatkundengeschäft seit der Fusion von Dresdner und Commerzbank 2008.
Die HVB setzt alles auf eine Karte, streicht ihr Filialnetz radikal zusammen und motzt zeitgleich die übrigen Standorte mit neuen Möbeln und vor allem mit Technik auf. Sie setzt darauf, dass neue Technologien wie die Beratung per Video und Internet bei ihren Kunden schon so akzeptiert sind, dass diese den Rückzug aus der Fläche nicht mit der Kontokündigung bestrafen. Wenn der Plan funktioniert, taugt er als Modell für andere Institute.
Doch die Risiken sind groß. Viel spricht dafür, dass die Bank damit zu schnell ist und ihre Kunden überfordert. Die sind womöglich noch nicht bereit, den Ansprechpartner vor Ort gegen virtuelle Ratgeber einzutauschen. Viele dürften sich im Stich gelassen fühlen und das Institut wechseln.
Das Experiment läuft seit Anfang Oktober. Seitdem renoviert die HVB im Schnelldurchlauf sämtliche Zweigstellen, im Tagestakt machen generalüberholte Filialen wieder auf. Aktuell sind es 40, schon Ende 2015 sollen alle fertig sein – und so aussehen wie die in Berlin. Überall gibt es dann die gleichen Glaswürfel, die gleichen Bildschirme, den gleichen Schriftzug an der Wand und, wenn genug Platz da ist, die gleichen Kaffee-Ecken.
Diese Banken haben die beste Kernkapitalquote
Crédit Agricole (Frankreich) – 9,0 Prozent
Kernkapitalquote nach Basel III, 1. Quartal 2014, Quellen: Bloomberg, Thomson Reuters
Deutsche Bank – 9,5 Prozent
Bank of America (USA) – 9,6 Prozent
JP Morgan (USA) – 9,6 Prozent
Barclays (Großbritannien) – 9,6 Prozent
BNP Paribas (Frankreich) – 10,6 Prozent
HSBC (Großbritannien) – 10,8 Prozent
UBS (Schweiz) – 13,2 Prozent
Brachial-Konzept
Überall da jedenfalls, wo es dann noch Filialen gibt. Denn zeitgleich macht die Bank 240 ihrer bisher 580 Zweigstellen dicht. Auch dieser Rückzug läuft schon. Vor allem an kleineren Standorten sind die Türen geschlossen, die Schilder abgeschraubt. Mit ihnen müssen auch rund 1500 Bankangestellte gehen. Die Kunden sollen zur nächsten Filiale fahren oder ihre Geschäfte per Telefon und im Internet erledigen.
Der Mann hinter dem Brachial-Konzept heißt Peter Buschbeck und ist seit 2009 im HVB-Vorstand für die Privatkunden zuständig. Da hat er schon so einiges probiert: einige Filialen zugemacht, ein Franchise-Konzept gestartet und verworfen, eine „Online-Filiale“ aufgemacht, in der persönliche Berater den Internet-Kunden via Web zur Seite stehen. Das war aber nur das Vorspiel für das eigentliche Drama.