Als Wolfgang Prock-Schauer im Januar 2013 überraschend Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn an der Spitze von Air Berlin ablöste, war die Hoffnung groß. Der knorrige Mehdorn hatte trotz großer Ankündigungen bei der angeschlagenen Airline am Ende wenig bewegt und dem Vernehmen nach nicht immer harmonisch mit Großaktionär Etihad aus Abu Dhabi zusammengearbeitet. Doch nun sollte alles besser werden.
Prock-Schauer hatte sich bei der früheren Lufthansa-Tochter BMI den Ruf als Sanierer erarbeitet. Dazu galt der charmante Österreicher dank seiner Zeit bei der indischen Jet Airways als geübt, im Spagat zwischen den Ansprüchen ehrgeiziger Aktionäre und den Niederungen des Alltagsgeschäfts zu vermitteln.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Gut 20 Monate und zehn Wochen bevor Prock-Schauer am 1. Februar seinen Job an den ehemaligen Thomas-Cook-Chef Stefan Pichler übergibt, ist nicht nur von der Hoffnung wenig übrig. Prock-Schauer musste mit der Vorstellung der Ergebnisse für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2014 zum Ende seiner Amtszeit gleich drei bittere Pillen schlucken: schwache Zahlen, eine anhaltende Gefahr für seine Kooperation von Air Berlin mit Etihad und: wenn der Umbau Erfolg hat, erntet ein anderer die Früchte.
Air Berlin hat 800 Millionen Euro Schulden
Die erste bittere Pille bei der wahrscheinlich letzten Bilanz Prock-Schauers als Air-Berlin-Chef: Er musste am Ende fast die gleichen Dinge verkünden, wie bei seiner Pressekonferenz zum Geschäftsbericht für 2012. Er begann die Veranstaltung erneut damit, dass die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprächen. Schrumpfender Umsatz, rückläufige Ergebnisse und darum mal wieder eine neue Runde im Sparprogramm.
Zwar beschloss Air Berlin das Sommerquartal mit einem Gewinn. Doch der war mit knapp 50 Millionen Euro weniger als halb so groß wie im Vorjahr. Das ist betrüblich, denn in der Urlaubszeit muss jede Fluglinie so viel Geld verdienen, dass sie über die Nebensaison Winter hinweg bis zum nächsten Sommer kommt.
Das wird nicht ganz leicht. Zwar hat Air Berlin derzeit flüssige Mittel von 800 Millionen Euro. Aber leider auch Schulden in gleicher Höhe. Dazu verfallen die Preise. Weil sich auf den Air-Berlin-Strecken immer mehr Billigflieger tummeln, nahm die Linie pro Ticket gut fünf Euro weniger ein als im Vorjahr.
Darum musste Prock-Schauer nun erneut ein Sparprogramm verkünden. Doch weil das erstmal Geld kostet, dürfte Air Berlin auch in diesem Jahr wieder 300 Millionen Euro Verlust schreiben. Damit addieren sich die Verluste in diesem Jahrzehnt auf rund eine Milliarde Euro.
Und selbst, wenn das Sparprogramm wie geplant greift und nicht wieder niedrigere Einnahmen einen Gutteil der Erfolge auffressen, wird wohl auch 2015 mit einem Verlust von mehr als 100 Millionen Euro enden.