Bertelsmann Das G+J-Fiasko ist ein Lehrstück über lückenhafte Unternehmensführung

Das Magazin „Stern“ soll Gruner + Jahr auch nach 2025 als eine von 13 „Kernmarken“ des Verlags erhalten bleiben. Quelle: dpa

RTL wird sich von einem Großteil der Zeitschriften bei Gruner + Jahr trennen. Der Ausverkauf mag aus finanzieller Sicht sinnvoll sein. Fragwürdig aber ist die Art und Weise seines Zustandekommens. Ein Kommentar.

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Als Wirtschaftsjournalist über Journalismus zu schreiben, hat seine Tücken: Mitunter sind es Abgesänge auf den eigenen Berufsstand, über die es zu berichten gilt. Wer behaupten würde, dass sich eine gewisse Befangenheit da vermeiden lässt, würde sich selbst belügen. Umso mehr, wenn es um ein Unternehmen geht, das die eigene Branche über Jahrzehnte hinweg geprägt hat. Und wenn von diesem Unternehmen – das steht seit Dienstagmorgen fest – künftig nur noch „die Kernmarken und die Haupttitel“ übrig bleiben.

Mit Blick auf das, was gerade bei Gruner + Jahr passiert, braucht es gar keine persönliche Vorliebe für ausdauernde Recherchen und gute Texte, um zu erkennen, dass es eine ungemeine Tragödie ist, die sich da abspielt. Und ein Lehrstück darüber, dass gute Unternehmensführung nicht mit Geschäftsberichten und Finanzplänen allein erledigt ist.

Die Kurzfassung dieses Trauerspiels geht so: Zunächst werden zwei Firmen fusioniert, die abgesehen von ihrem Mutterkonzern wenig gemeinsam haben. Das sorgt in der Belegschaft des TV-Senders RTL und des Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr für Skepsis – aber schnell auch für Aufbruchstimmung. Immerhin ist davon die Rede, dass die beiden einen „neuen nationalen, crossmedialen Medien-Champion“ bilden sollen. Und von „Synergien in Höhe von rund 100 Millionen Euro“. So weit, so gut.



Dann, plötzlich, werden diese großen Pläne größtenteils einkassiert. Das Portfolio von Gruner + Jahr gelte es nun vielmehr zu „überprüfen“, heißt es da beiläufig – in einem Nebensatz in einem im Intranet veröffentlichten Interview mit dem Unternehmenschef. Aus Aufbruchstimmung wird in der Belegschaft von Gruner + Jahr jetzt Verzweiflung – umso mehr, weil offenbar niemand von RTL seit den großangekündigten Synergiebestrebungen jemals mit ihr gesprochen hat. Da liegt der Gedanke nahe, dass es den eigenen Arbeitsplatz womöglich schon bald nicht mehr geben könnte.

1900 Mitarbeiter fürchten jetzt mit einem Mal um ihre Zukunft bei Bertelsmann. Das Top-Management lässt sie mit ihren Sorgen monatelang allein, spricht lediglich von einer „laufenden Überprüfung des Portfolios“ – ganz so, als ginge es hier um nichts weiter als eine Nebensache. Bis die Belegschaft das Maß voll hat, auf die Straße geht, Antworten verlangt. Bis verzweifelte Brandbriefe verschickt werden. Bis sich ehemalige und aktuelle Führungskräfte in Rage reden.

Ende Januar protestierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von RTL Deutschland vor dem Verlagsgebäude am Baumwall. Quelle: dpa

Als Bertelsmann- und RTL-Chef Thomas Rabe am Dienstagmorgen am Baumwall in Hamburg vor die G+J-Belegschaft trat, erwartete ihn ein Pfeifkonzert. Der in der vergangenen Woche kurzfristig anberaumte Ortsbesuch des Managers war von den Mitarbeitern zuvor galgenhumoristisch als „D-Day“ bezeichnet worden.

Was Rabe heute Morgen in Hamburg verkündete, sei letztlich „nicht ganz so schlimm“ gewesen wie befürchtet, heißt es aus Verlagskreisen. Für die Belegschaft von mindestens 23 Zeitschriften, die jetzt eingestellt werden sollen, war es schlimm genug. Rund 500 Stellen sollen bis Ende 2025 „schrittweise“ abgebaut werden, weitere 200 Arbeitsplätze sollen auf neue Eigner übergehen – sofern sich geeignete Käufer für Marken wie „Business Punk“, „Art“, „P.M.“, „Beef!“ und „Salon“ finden lassen.

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Es gab auch gute Neuigkeiten für Gruner am Dienstagmorgen. RTL wolle bis 2025 rund 80 Millionen Euro in die verbliebenen „Kernmarken und Haupttitel“ des Verlags investieren, hieß es von Thomas Rabe. Applaus gab es dafür in der Belegschaft nicht. Wohl auch deshalb, weil die „erheblichen Verbundeffekte zwischen den Kernmarken von Gruner + Jahr und RTL“, von denen jetzt die Rede ist, allzu sehr an eine Ansprache von letztem Jahr erinnern.

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