Bilfinger Roland Kochs erste schwere Krise als Vorstandschef

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Nervosität an den Standorten

Rund 250 der 1700 Münchner Mitarbeiter sollen von fünf Standorten an einem zusammenrücken. „Aber wo in der Stadt, das sagt uns seit einem Dreivierteljahr kein Mensch“, schimpft der Bilfinger-Mann: „Da konkurrieren Interessen. Niemand haut auf den Tisch und entscheidet.“ Er attestiert „Führungsschwäche bis ganz oben“.

Ähnlich unsicher ist die Lage in Hamburg. Im Herbst 2013 verkündete Koch, die elf Bilfinger-Standorte dort sollten in möglichst einer Immobilie zusammengeführt werden, um Kosten zu sparen. Klingt vernünftig. Doch wo das sein wird, wissen die Bilfinger-Hanseaten bis heute nicht.

Auch im Ruhrgebiet herrscht Unsicherheit. In Oberhausen und Dortmund arbeitet gut die Hälfte der 1100 Mitarbeiter der Bilfinger-Kraftwerksparte. Ihr Auftragsmangel löste die Gewinnwarnung vor vier Wochen aus. Bis zu 300 der Power-Mitarbeiter müssen demnächst gehen – aber in welchen Betrieben und wer, das ist offen.

Gefunden sind die Standorte der Shared-Service-Center, in denen Koch Buchhaltung und Gehaltsabrechnung zusammenführt: 180 der Jobs sollen in Essen angesiedelt werden. Weitere 100 gehen vorläufig nach Eschborn bei Frankfurt – „bis über einen endgültigen Bilfinger-Standort in der Rhein-Main-Region entschieden ist“, teilt das Unternehmen mit. Viele Mitarbeiter stehen vor der Frage, ob sie umziehen sollen – auch rund 300 IT-Kräfte, deren 30 Standorte auf zwölf reduziert werden.

Niemand will die Wahrheit hören

Nervosität überall. Aber Koch – von den Erwartungen des 20-Prozent-Aktionärs Cevian Capital getrieben – will auch noch das Excellence-Programm beschleunigen. Das freut vielleicht die Börsianer. Doch die Basis fasst sich an den Kopf. Der Top-Manager einer Bilfinger-Tochter klagt: „Was bei uns an Vorgaben ankommt, ist irrational. Frühverrentungen und einvernehmliche Trennungen sind Vereinbarungen. Die kann ich nicht wieder aufschnüren und ein bisschen schneller abwickeln.“

Der Bilfinger-Verantwortliche berichtet, Planzahlen würden autoritär durchgedrückt: „Da will keiner mehr die Wahrheit hören.“ Ziele seien unrealistisch gewesen: „Irgendeiner hat sich in den Kopf gesetzt: Power macht zehn Prozent. Wir haben auf die Gewinnwarnung geradezu gewartet und uns gewundert, dass sie erst jetzt kam.“

Gehalts-Check für Roland Koch

Kochs Ad-hoc-Meldung kassierte dann Ankündigungen ein, die er ein paar Wochen zuvor bei der Hauptversammlung noch bekräftigt hatte. Deshalb sei die aktuelle schroffe Kurskorrektur der Bilfinger-Aktie „keine Sache, die sich in zwei, drei Wochen erledigt“, glaubt Ingbert Faust, Analyst bei der Frankfurter Investmentbank Equinet. Fausts Kollege Marc Gabriel von der Lampe Bank hält den Kurssturz zwar für übertrieben, sieht aber Koch „deutlich stärker unter Erfolgsdruck“.

Das Jahr der Entscheidung

Bisher hatte die Börse Bilfingers Wandel vom Bauunternehmen zum profitableren Industriedienstleister honoriert. Der zurzeit laufende Verkauf der Tiefbausparte ist der letzte Schritt dieser Metamorphose. Doch die Energiekonzerne als wichtige Kunden des neuen Dienstleisters stecken selbst in der Krise. Analyst Faust hält deshalb Kochs Plan, die Marge im Kraftwerkbereich 2016 wieder auf über acht Prozent zu heben, für „ambitioniert. Die Energiekonzerne werden Kosten senken, wo sie nur können – auch bei den Dienstleistern.“

Im ersten Quartal blieb Bilfinger nach allen Belastungen nur ein knapper Gewinn. Die Zahlen des zweiten Quartals, die Koch am 11. August vorlegt, werden kaum besser. Bilfinger müsste in den kommenden Monaten enorm zulegen, um 2014 noch einen substanziellen Nettogewinn zu erzielen – bei zunächst höheren Kosten durch zusätzlichen Jobabbau. Das wird schwer. Die Börse aber wartet auf bessere Auftragszahlen, auf wieder real verdiente Gewinne.

Ob Koch eine Amtsverlängerung gewährt wird, hieß es immer, entscheidet sich 2014. „Der Kursverlust“, sagt ein Weggefährte, „geht ihm tief unter die Haut.“

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