
Roland Koch setzt eigenes Geld ein, um den Kurssturz der Bilfinger-Aktie zu bremsen. Zuletzt hatte der Chef des Mannheimer MDax-Konzerns beim Amtsantritt 2011 Aktien gekauft. 2014 griff er schon zweimal zu: im Mai bei 86 Euro und am 7. Juli bei nur noch 70 Euro.
Der jüngste Kauf erfolgte eine Woche nach der Gewinnwarnung, die den Bilfinger-Kurs auf Talfahrt geschickt hatte. Doch die investierten 50 000 Euro – nach 100 000 Euro im Mai – waren wohl zu homöopathisch, um die skeptisch gewordenen Börsenprofis zu beeindrucken. Inzwischen notiert die Aktie nur noch bei 65 Euro.
Koch, der Anleger, ist also im Minus. Koch, der Manager, ist es auch. Genau drei Jahre nach seinem aufsehenerregenden Wechsel von der Politik in die Top-Etage der deutschen Wirtschaft steckt der frühere hessische Ministerpräsident in der Krise.
Bilfinger Jahreszahlen 2013
Der Bau- und Industriedienstleister Bilfinger hat nach einem Schlussspurt seine Jahresziele weitgehend erreicht. Nach einem schwachen ersten Halbjahr profitierte der Konzern auch im vierten Quartal von einer Belebung im Geschäft mit Industriedienstleistungen. Die Leistung blieb mit 8,5 Milliarden Euro aber um ein Prozent unter dem Vorjahr, wie der MDax-Konzern am Dienstag bei Bekanntgabe der vorläufigen Jahreszahlen mitteilte. Der um Einmalaufwendungen bereinigte Gewinn legte um drei Prozent auf 249 Millionen Euro zu. Beim operativen Ergebnis (bereinigtes Ebita) ergab sich ein Plus von sechs Prozent auf 409 Millionen Euro.
„Mir war von Anfang an klar, dass mir auch mal richtig der Wind ins Gesicht bläst“, gibt sich der 56-Jährige jüngst in einem Interview abgeklärt, „und das ist jetzt der Fall.“ Allerdings wirkt der Macher ratlos. Er erwägt eine weitere Internationalisierung Richtung Südafrika und Mittlerer Osten für den zum Industrie-, Kraftwerks- und Gebäudedienstleister mutierten früheren Baukonzern. Aber das muss er erst einmal „im Vorstand entscheiden und im Aufsichtsrat erörtern“. Mitte November erst will Koch neue Mittelfristziele verkünden und damit „jene Fantasie wieder wecken, die im Moment aus der Aktie raus ist“.
Konzern als Großbaustelle
Strategisch drohen Bilfinger damit vier Monate Perspektivlosigkeit. Gleichzeitig sind die 74 000 Mitarbeiter angesichts der Vielzahl laufender Umstrukturierungs- und Sparprogramme zunehmend desorientiert, frustriert und maximal unter Druck. Die Großbaustelle Bilfinger ist auch für Eingeweihte kaum noch überschaubar.

„Koch hat zu viel auf einmal angepackt und dabei das System so unter Stress gesetzt, dass Fehler passieren“, kritisiert IG-Metall-Vorstand Holger Timmer, der bis Mai im Bilfinger-Aufsichtsrat saß und inzwischen ThyssenKrupp kontrolliert: „Was bei Bilfinger in den letzten drei Jahren an Programmen gestartet wurde, hätte auch andere Organisationen an den Rand des Funktionierens gebracht.“
So soll das Strategieprogramm Best (Bilfinger Escalates Strength) unter anderem die „konzerninterne Vernetzung“ der 500 Bilfinger-Einzelunternehmen für „verstärktes Cross-Selling“ fördern. Dafür wird etwa eine komplexe Auftrags-Datenbank aufgebaut, von der ein Manager sagt: „Der Aufwand ist riesig, aber ich glaube nicht, dass das mehr Aufträge bringt.“
Hunderte Arbeitsplätze fallen weg
Während Best den Austausch fördern soll, verbreitet das Excellence-Programm vielerorts Misstrauen und Frust. Gedacht ist Excellence „zur Steigerung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit“. 1250 Jobs überwiegend in Deutschland werden dabei abgebaut. Die funktionierende Selbstverwaltung der bisher in München sitzenden Industrieservicesparte BIS, die fast die Hälfte des Bilfinger-Geschäfts steuerte, wird komplett demontiert. Das Management um den angesehenen BIS-Chef Thomas Töpfer wurde geschasst oder vergrault – zugunsten der Zentrale in Mannheim.
Gut war das bislang für Berater wie die Boston Consulting Group. Unter Koch sei „eine hohe zweistellige Millionensumme“ für Beratungsleistungen geflossen, verrät ein Insider. Ein anderer bestätigt, es seien 40 bis 60 Millionen Euro gewesen.
Wie man an der Börse die besten Chancen hat
Stop-Loss-Orders, bei deren Unterschreiten automatisch verkauft wird, disziplinieren und bewahren davor, permanent nach Kursen schauen zu müssen. Sinnvoll aber nur bei sehr liquiden Werten. Bei Aktien unterhalb des Dax gefährlich, weil Profis die Aktien unter das Stopp-Loss drücken und billig abfischen könnten.
Stimmen die Gründe für den Kauf noch, wird eine Aktie nur ihrer Kursgewinne wegen nicht riskanter. Also halten, auch dann, wenn es zwischenzeitlich nach unten geht. Verschlechtern sich wesentliche Parameter: verkaufen.
Angst und Gier treiben die Herde, so entstehen heftige Kursbewegungen, die aber auch schnell wieder drehen und deshalb gute Kauf- und Verkaufschancen bieten. US-Ökonom Robert Shiller zieht Parallelen zum Fußball: „Halte dich von der Meute fern, dann wird der Ball früher oder später zu dir kommen.“
Wer Unternehmen mit überzeugendem Geschäftsmodell hält, prüft Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Umsatz- und Cashflow-Entwicklung über viele Jahre und vergleicht sie mit den Zahlen der Konkurrenten. Gründe, die zu einem Investment führen, schriftlich festhalten: hilft klarer zu denken und kann, wenn der Wunsch, zu verkaufen übermächtig wird, nachgelesen werden.
Irren ist menschlich. Wer schon beim Aktienkauf festlegt, welches Minus er maximal akzeptiert, schützt sich vor Illusionen. Etwa der, nur noch Nachrichten wahrzunehmen, die die eigene positive Überzeugung stützen.
Was die Einschnitte Bilfinger bringen, muss sich noch zeigen. Von einer „Operation am offenen Herzen“ spricht Gewerkschafter Timmer: „Wie viel Zeit bleibt den Mitarbeitern noch für die Kunden, wenn das Management sie zwingt, sich so viel mit sich selbst zu beschäftigen?“ Die Frage sei, „ob Koch die richtigen Prioritäten gesetzt hat, um Bilfinger weiter zu entwickeln“. Ein hochrangiger Bilfinger-Manager teilt Timmers Analyse: „Koch hat zu viel gleichzeitig gewollt. Die Energien werden innen vergeudet.“
Nun herrscht Chaos allerorten.
Die in München gekündigten Verwaltungsmitarbeiter gehen schneller als gewollt. Sobald sie neue Jobs haben, sind sie weg – und reißen Lücken. „Kollegen in Mannheim sollen ihre Funktionen übernehmen, ersaufen aber in Arbeit und finden keine Ansprechpartner mehr, die sie was fragen können“, klagt ein Mitarbeiter der ehemaligen BIS-Sparte. Neueinstellungen als Entlastung für die Mannheimer sind fraglich, weil gespart werden muss.