Corona-Politik „Nach jeder Krise nimmt die Regulierung zu“

Alexander Doll war Logistik- und Finanzchef der Deutschen Bahn. Heute ist er Berater und Aufsichtsratschef der Investmentbank Lincoln. Quelle: Presse

Banker Alexander Doll war Topmanager beim Staatskonzern Deutsche Bahn. Er warnt vor den Folgen eines zu starken staatlichen Einflusses durch die Coronakrise – und sieht Chancen.

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Doll, 50, ist Berater und Aufsichtsratschef der Investmentbank Lincoln. Zuvor war er Logistik- und Finanzchef der Deutschen Bahn und leitete das Deutschlandgeschäft der britischen Großbank Barclays.

WirtschaftsWoche: Herr Doll, bei der Deutschen Bahn haben Sie Erfahrungen in einem Staatskonzern gesammelt. Wie beurteilen Sie es vor diesem Hintergrund, dass sich der Bund in der Coronakrise an großen Unternehmen beteiligt?
Alexander Doll: Ein außergewöhnliches Ereignis mit derart weitreichenden Folgen wie die Corona-Pandemie verlangte eine außergewöhnliche Antwort. Die hat die Bundesregierung mit den Hilfsprogrammen gegeben. Dennoch gilt weiterhin, dass in vielen Fällen nicht der Staat der bessere Manager ist. 

Sehen Sie denn, dass der Bund mehr Einfluss nehmen will?
Ich denke, die Verantwortlichen in Berlin achten darauf, dass sie möglichst wenig direkt in die betroffenen Unternehmen eingreifen. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass nach jeder Krise die Regulierung zunimmt. In der Finanzkrise hat der Staat Banken gerettet, die dann in der Folge eine Fülle neuer Vorschriften umsetzen mussten, die ihr Geschäftsmodell stark verändert haben. In dieser Krise sind nun Unternehmen vieler Branchen von Hilfsprogrammen abhängig gewesen. Im Gegenzug rechne ich deshalb mit einer deutlichen Zunahme der Regulierung in weitaus mehr Branchen.

Schreckt Sie das?
Es verändert die Art, wie Unternehmen geführt werden. Vorstände börsennotierter Unternehmen bewegen sich schon heute in einem wahren Minenfeld von Vorschriften und Regularien. Es zeigt sich gerade, dass Unternehmen in Erwartung von zukünftiger Regulierung zunehmend bereits im Voraus Tatsachen schaffen. Besonders deutlich wird das derzeit beim Thema Nachhaltigkeit, bei dem es abgesehen von Absichtserklärungen und Grenzwerten bislang nur wenige konkrete Umsetzungsregeln gibt. Hier üben Investoren schon jetzt massiv Druck aus, was zu einer deutlich schnelleren Implementierung von nachhaltigen Prozessen und Organisationsstrukturen führt. Auf der anderen Seite kann dies auch zu einer verstärkten Einteilung in „gute und schlechte“ Unternehmen führen.

Werden Manager durch die zunehmende Regulierung zu risikoscheu?
Es ist sicher eine Gefahr, dass der Handlungsrahmen zunehmend stark eingeschränkt und auf kurzfristige Optimierung ausgerichtet ist. Das liegt auch daran, dass Manager durchschnittlich nur noch vier bis sechs Jahre in einer Top-Position bei einem Dax-Konzern verweilen. Hinzu kommt eine auf Konsensentscheidungen basierende Corporate Governance Kultur, die bei der stabilen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte ihre Stärken ausspielen konnte, allerdings für die Herausforderungen der Zukunft nicht ausreichend ist. Für Mittelständler und Familienunternehmen gilt das weniger. Sie tun sich leichter, langfristige Entscheidungen zu treffen und dürften künftig eine noch größere Rolle für unsere Wirtschaft und deren Innovationsfähigkeit spielen.

Können Mittelstand und Familienunternehmen langfristig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sichern?
Mit über 50 Prozent der Wirtschaftsleistung und etwa 70 Prozent aller Beschäftigten bilden sie ein stabiles Rückgrat. Obwohl sie in Ihren jeweiligen Märkten führende Positionen besetzen, gibt es sicher Grund zur Sorge. China holt in wichtigen Branchen immer weiter auf - auch im Maschinenbau und anderen Sektoren, die sich skalieren lassen. Und bei vielen Zukunftsthemen sind deutsche Unternehmen noch zu schwach vertreten. Das liegt neben dem Fokus auf traditionellen Branchen wie Automobilbau und Chemie auch daran, dass der Einsatz von Risikokapital im Vergleich zu anderen Ländern hier immer noch wenig ausgeprägt ist. Auch junge deutsche Unternehmen finanzieren sich noch überwiegend über Kredite.

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Was sollte sich ändern?
Der Bund hätte jetzt die Chance, die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern. Bisher geht es bei den Maßnahmen vor allem um kurzfristige Hilfen und das Bewahren von Strukturen. Corona wird den Wandel in vielen Branchen aber deutlich stärker beschleunigen, als wir es vorher für möglich gehalten haben. Hier sind eine anreizbasierte Investitions- und Steuerpolitik sowie insbesondere für den Mittelstand und Familienunternehmen nachfolgegerechte Rahmenbedingungen überaus wichtig. Ich kann strukturellen Ansätzen wie der Idee eines Investitionsfonds viel abgewinnen, mit dessen Hilfe sich zum Beispiel die Infrastruktur bei Themen wie dem schnellen Internet, Digitalisierung generell, Bildung, Mobilität, Energienetze aber auch Gesundheit entscheidend voranbringen ließe.

Sie fordern also mehr Schulden – und letztlich doch einen starken Staat.
Wir stehen an einer entscheidenden Weggabelung. Wenn das Geld sinnvoll investiert wird, wird sich das mehr als auszahlen.

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