Deutsche Bahn Zurück auf Los

Seite 2/2

Die Politik macht die Bahn wieder zu Staatsunternehmen

Doch Odenwald ist nicht der einzige politische Vertreter. Die Bundesregierung schickt künftig noch mehr Abgeordnete in das Kontrollgremium. So ist etwa der derzeitige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU („An apple a day keeps the Putin away“) im Gespräch. Die bisherige SPD-Aufsichtsrätin Kirsten Lühmann soll ihre Aufgabe wohl behalten. Gehen werden bisherige Manager im Aufsichtsrat, beispielsweise Ex-Tui-Chef Michael Frenzel und der bisherige Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht.

Die Politik macht die Bahn damit wieder zu dem, was das Unternehmen einmal war: ein vom Bund gesteuertes Staatsunternehmen. Kluge Zielvorgaben können sicher auch der Bahn nicht schaden. Doch Beobachter fragen sich, mit welchen Zielen die Politik der Bahn eine Neuausrichtung verordnen will. Bahnchef Richard Lutz hat sich bislang sehr stark an betriebswirtschaftlich wichtigen Kennzahlen orientiert. Insider befürchten nun, dass die Bahn künftig „keine Strategie mehr mache“. Stattdessen würden in Zukunft nur noch die monatlichen Pünktlichkeitswerte im Fern- und Regionalverkehr zählen.

Auch Böttger ist skeptisch. „Grundsätzlich finde ich die Zielrichtung gut, die Bahn stärker an der Verkehrspolitik auszurichten“, sagt er. „Allerdings kann ich kein Konzept erkennen“, wie künftig die Steuerung der Deutschen Bahn konkret aussehen werde. Die Bahnpolitik der großen Koalition sei eher „mit heißer Nadel gestrickt“.

Wie zu viel Nähe der Politik zur Bahn den Elan der Mitarbeiter ausbremsen kann, zeigt derzeit das Beispiel Güterbahn. Dort weiß man sich der Rückendeckung der Politik seit Jahren sicher. Die Gewerkschaften haben eine starke Stimme im Aufsichtsrat und der Bundespolitik. Statt Umstrukturierungen einzuleiten, die den Geschäftsbereich wettbewerbsfähig machen, hat man gewartet, bis die Politik reagiert. Geplante Veränderungen innerhalb der Organisation gerieten zur Farce. Noch immer fahren Lokführer bei DB Cargo weniger Kilometer pro Jahr als die Fachkollegen bei Wettbewerbern. Seit Jahren gehen die Umsätze zurück, obwohl Deutschland einen konjunkturellen Boom erlebt. Dennoch hat die Politik entschieden, der Güterbahn DB Cargo zu helfen – unter dem Deckmantel, dass die Hilfe allen Branchenunternehmen zugutekommt. Nun sollen die Trassenpreise für die Güterbahnen gesenkt werden, um dem Lkw-Transport auf der Straße Paroli bieten zu können. Doch so viel politische Unterstützung erstickt unternehmerische Verantwortung.

In Zukunft droht der Deutschen Bahn daher als Ganzes ein Rückschritt. Experten befürchten, dass der Vorstand der Bahn künftig nur laut genug aufheulen muss, damit die politischen Aufsichtsräte die Klagen in die hohe Politik tragen. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla (CDU) hat schon öffentlich die Senkung der Schienenmaut für den Personenverkehr gefordert – inklusive ICE- und Intercityverkehr. Das wäre gut für die Deutsche Bahn, aber schlecht für die Fernbuskonkurrenz. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die große Koalition die Verkehrspolitik einseitig auf die Deutsche Bahn ausrichtet.

Auch Böttger sieht noch viele Fragezeichen. Es dürfe „kein Zurück zur Staatsbahn geben“, stattdessen müsse die Politik auch „marktwirtschaftliche Prozesse“ einleiten, um die Deutsche Bahn wettbewerbsfähiger zu machen. Das hieße aber vor allem: mehr Wettbewerb auf der Schiene. Den hätte man schon längst haben können. Dafür braucht man aber keine politischen Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn, sondern eine Trennung von Schienennetz und Transportgesellschaften. Doch die Politik hat das nicht einmal in Erwägung gezogen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%