Deutsche Reiseplattform Getyourguide: Ein Einhorn unter Druck

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Touren und Aktivitäten: Ein fantastisches Geschäft

Der Einstieg der Softbank ist der vorläufige Höhepunkt einer spannenden Gründergeschichte. Angefangen haben Reck und Tao im Herbst im Wintersemester 2007 mit drei weiteren Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Im Rahmen eines Gründer-Seminars entwickelten sie ein fiktives Tourismus-Unternehmen. Das sollte Reisenden in aller Welt Einheimische vermitteln, die ihnen die besten Restaurants, Clubs oder Orte der Stadt zeigen. Ein paar Monate später sind die fünf Mittzwanziger so begeistert, dass sie mit 21.000 Franken Startkapital Get Your Guide – damals noch getrennt geschriebene – gründen und mit ihren Computern vom Keller der ETH in den Zürcher Technopark ziehen. Ende 2008 wird das Geld knapp, trotz monatelanger Arbeit gibt es nur eine Handvoll Buchungen – „und der Großteil war von unseren Eltern“, erinnert sich Tao lächelnd.

Dann folgt gleich doppeltes Glück. Zuerst meldet sich nach einem Bericht in einer Schweizer Sonntagszeitung die Zürcher Kantonalbank und bietet eine Anschubfinanzierung in Form einer Kapitalbeteiligung. Kurz darauf will ein Anbieter von Wildwasser-Sport bei getyourguide.ch inserieren, weil ihm eine eigene Webseite zu viel Arbeit ist. Also ändern sie – ohne lange nachzudenken – ihr Geschäftsmodell zur Vermittlung von Erlebnisangebote, kaufen von gut 100.000 Franken der öffentlichen Bank jede Menge Computer und zahlen sich erstmals ein Gehalt – jeweils 2500 Franken pro Monat. Mit dem Geld im Rücken füllten die Fünf nicht nur ihre Webseite, in dem sie fast allen wichtigen Museen weltweit persönlich ihren Service vorführten. Sie bauten auch eigene Außenstellen in mittlerweile 16 Ländern auf, die jüngste in Amsterdam.

Dabei fanden Reck, Tao und ihre Partner unbewusst den idealen Teil im Tourismus, bestätigen Experten wie Dirk Rogl vom US-Marktforscher Phocuswright. „Es bietet hohe Margen und beste Wachstumsaussichten“, sagt Rogl. Weil bei einer Tour ein weiterer Teilnehmer fast keine Extrakosten verursacht, steigern die Einnehmen fast komplett in den Gewinn. Darum können die Veranstalter Getyourguide für jeden zusätzlichen Gast bis zu 40 Prozent Provision zahlen. Mit Ausnahme der Sitzreservierung im Flugzeug bleibt nirgends im Reisegeschäft so viel vom Umsatz als Gewinn hängen.

In der Branche gilt das „Touren und Aktivitäten“ genannte Feld als gewaltiger Markt. Laut einer Studie von Phocuswright geben die Reisenden weltweit mindestens 150 Milliarden Dollar pro Jahr für Tickets, Touren oder Kochkurse aus. „Da ist der drittgrößte Posten nach Flug und Hotel – und vor Dingen wie Mietwagen oder Restaurants – und im globalen Maßstab auch klar vor Pauschalreisen“, so Analyst Rogl.

Dazu wächst das Feld mit rund zehn Prozent stärker als jeder andere Teil des Feriengeschäfts, weiß Dennis Utzerath von der Boston-Consulting Group. „Dafür sorgt vor allem das robuste Wachstum im Bereich selbst organisierter Kurzurlaube und die Neigung vor allem von jüngeren Kunden, solche Reisen zu einem Erlebnis zu machen, das auch auf Social-Media- Plattformen vorzeigbar ist“, sagt der Berater. Gleichzeitig ist die Erlebnisvermittlung fast nicht digitalisiert, sagt Mark Okerstrom, Chef des Online-Reisebüros Expedia, der sich ebenfalls in das Feld wagt. „Der wichtigste Verkaufskanal ist immer noch das schwarze Brett im Hotel, darum betteln die praktisch, dass große Digitalkonzerne ihnen die Veranstaltungen füllen“, kommentiert Okerstrom spöttisch.

Dass sich diese Erkenntnis durchsetzt, könnt für Getyourguide zum Ärgernis werden. Die attraktiven Aussichten haben in den vergangenen Monaten größere Spieler angelockt. Dazu zählen neben bekannten Marken wie TUI vor allem Online-Größen wie die Hotelplattform Booking.com oder Airbnb. Sie alle haben nicht nur bereits viele Millionen Kunden. „Fast alle sind börsennotiert und damit recht wohlhabend“, sagt Richard Clarke, Analyst beim New Yorker Brokerhaus Bernstein.

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