Mit mittlerweile 46 Prozent Marktanteil ist Amazon die klare Nummer Eins im deutschen Onlinehandel und ist damit einer der wichtigsten Auftraggeber für DHL, Hermes, DPD und Co. „Kein Kunde hat bei uns mehr als zwei Prozent unseres Gesamtumsatzes“, sagt Frank Appel zwar. Doch das gilt für den gesamten Konzern, mit allen Sparten und Ländern. Wie groß der Anteil von Amazon, Zalando oder anderen Großkunden am Paketgeschäft in Deutschland ist, darüber schweigt Appel sich aus.
Fest steht: Der Konzern hat seinen Großkunden zu viel zugestanden. „Wir haben bei unseren Kunden unsere Vertragsvereinbarungen nicht konsequent genug durchgesetzt, oder waren zu kulant“, gibt selbst Appel zu.
Er nennt ein Beispiel: In den Verträgen mit Großkunden werden oft bestimmte Bedingungen und Rabatte festgehalten. So könnten die Paketdienste etwa einem Kunden einen Rabatt ab einer Menge von 10.000 Pakete anbieten. Oft seien diese Rabatte aber auch gewährt worden, wenn der Kunde nur 7000 Pakete geliefert habe. „Wir müssen solche Preismodelle stärker durchsetzen“, sagt Appel.
Und das gilt nicht nur für Mengenrabatte. Die Verträge halten auch Vereinbarungen über das Gewicht der Pakete – oft liefern Kunden aber viel schwerere Sendungen. Oder die Angaben über die Regionen, in die die Pakete geliefert werden müssen, stimmen nicht. Dabei entscheidet sich daran häufig, wieviel ein Paketdienst mit einer Sendung verdient.
Die Lieferung in ländliche Gebiete ist wesentlich teurer als in die Stadt. Die Paketboten müssen weitere Strecken fahren, und können nur ein oder zwei Pakete pro Haus abliefern. In den Mehrfamilienhäusern in der Stadt können die Boten auch schon mal fünf Pakete loswerden. Doch ausgerechnet in den Großstädten Deutschlands macht sich nun Amazon breit.
Die Benachrichtigungszettel sind leuchtend orange. Sie fallen sofort auf, zwischen all den Briefen und Prospekten im Briefkasten. „Wir haben Sie verpasst“, druckt Amazon in großen Buchstaben auf seine Benachrichtigungszettel. In acht Regionen in Deutschland können Paketempfänger mittlerweile solche Zettel finden. Sie bedeuten: Amazon hat seine eigenen Paketboten vorbeigeschickt.
Amazon Logistics heißt der Lieferdienst des Onlinehändlers. Zwar stellt Amazon die Paketboten nicht selbst ein, sondern beauftragt Subunternehmer – aber so funktioniert auch das Geschäftsmodell von Hermes. Amazon rüstet die Paketboten aus, versorgt Sie mit Technik und Adressdaten. Von jedem Briefkasten und Abstellorten an jeder Adresse will Amazon die GPS-Koordinaten sammeln – und so einen besseren Service liefern als DHL, Hermes und Co.
Ob Amazon das gelingt, ziehen diese zwar in Zweifel. Doch die Gefahr ist eine andere: Wenn Amazon alle profitablen Routen in den Stadtgebieten besetzt, dann bleiben Hermes und DHL nur noch die ländlichen Gebiete, mit denen sich kaum so viel erwirtschaften lässt.
Und viel Sparpotenzial haben die Paketdienste nicht mehr. Sowohl Hermes als auch DHL müssen Investitionen nachholen, zum Beispiel in die Lieferung am gleichen Tag und am Wochenende. Vor allem aber müssen sie in ihr Personal investieren.
Denn Paketboten sind das knappste Gut in der Branche. Spätestens ab Oktober müssen alle Unternehmen wieder zusätzliche Arbeitskräfte für die Weihnachtssaison suchen. Doch der Job ist körperlich hoch belastend und wenig beliebt. Bei der niedrigen Arbeitslosenquote fällt es den Paketdiensten immer schwerer, Personal zu finden - erst gar nicht zum Mindestlohn.
Vor allem Hermes macht das Probleme. Das Unternehmen steht seit Jahren in der Kritik, für schlechte Arbeitsbedingungen und seinen Umgang mit Subunternehmern. Mittlerweile meldet der Zoll beinahe monatlich Razzien bei Hermes-Partnern wegen Verstöße gegen Arbeitsrecht. Auch das soll ein Grund für den Abgang für Deutschlandchef Frank Rausch sein.
Der Name Amazon hingegen lockt Arbeitskräfte an. Selbst, wenn die Arbeitsbedingungen dort kaum besser sein dürften.
Leicht wird es deshalb nicht, den Onlineriesen neue Spielregeln aufzuzwängen. Doch die Paketdienste müssen es versuchen. Einen Weg zurück zum alten Plan gibt es nicht mehr.