Digitalisierung Lufthansa macht Ernst beim Personalumbau

Quelle: imago images

Die Lufthansa startet den Belegschaftsumbau in der Verwaltung schneller als erwartet. Die Folgen werden tausende Mitarbeiter zu spüren bekommen.

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Lufthansa-Mitarbeiter konnten sich bisher fast bequem zurücklehnen, wenn ihre Chefs ein Veränderungsprogramm planten. So dringend die Ankündigungen von Reformen wie C-Check oder Score auch klangen, bis die Umsetzung startete, verging oft mehr als ein Jahr. Zuerst wurde ein Verantwortlicher gekürt, dann wurden Unternehmensberatungen engagiert. Wenn das Renovierungsteam die Eckpunkte fertig hatte, galt es die Einzelheiten mit den Belegschaftsvertretern festzuklopfen. „Bis dahin hatten sich oft wieder die Bedingungen geändert. Also musste nachgebessert werden und vieles verlief im Sand“, erinnert sich ein Aufsichtsrat der Arbeitnehmerseite.

Das soll Bettina Volkens bei ihrem ersten großen Personalprogramm nicht passieren. Die im Konzernvorstand für Personal und Recht zuständige Managerin will mit ihrer intern „Workforce Transformation“ getauften Initiative bereits im August, rund vier Monate nach der Verkündigung, loslegen.

Die Grundlagen dafür hatte die promovierte Juristin erst Ende April auf einer internen Veranstaltung für Führungskräftevorgestellt. „Darüber reden wir gerade mit unseren Betriebspartnern“, erklärt die 54-Jährige im Interview mit der WirtschaftsWoche. „Details stehen Ende August fest, wenn diese Gespräche abgeschlossen sind. Dann reden wir mit den Mitarbeitern“, gibt Volkens vor.

Die schnellere Umsetzung kommt nicht etwa daher, dass die Sache diesmal leichter wird als bei den zahlreichen vergangenen Reformen. Im Gegenteil: Volkens will anders als sonst kein Geld sparen, sondern einen grundlegenden Wandel. Die von ihrem Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr vor vier Jahren angestoßene Kulturrevolution soll endlich in alle Teile des Konzerns durchschlagen. 

Für Spohr war offensichtlich, wie groß der Druck durch die Digitalisierung und den schärferen Wettbewerb im Reisegeschäft durch Portale wie Booking.com werden wird. Also rechnete der gelernte Flugkapitän, dass fast alle seiner gut 130.000 Beschäftigten bei seinem Programm mitziehen, das er- im Schwung des deutschen Kantersiegs über Brasilien bei der Fußball-WM 2014 euphorisch „7 to 1“ getauft hatte. Umso überraschter war er, dass sich ausgerechnet seine Kerntruppe, die Verwaltung im Konzern und die Führung des "Passage" genannten Fluggeschäfts, widersetzte. Während etwa im "Technik" genannten Wartungsgeschäft und bei der Billigtochter Eurowings digitales Denken vorherrscht, geht es in den Verwaltungen bis heute noch relativ klassisch zu.

Darum legt Volkens nun nach. „Unser Markt ändert sich immer schneller. Also müssen auch wir uns ändern und anders arbeiten als bisher“, lautet ihr Credo. Der etwas vage und damit mehrheitsfähige Slogan steht für einen harten Job. Volkens will 3200 Mitarbeiter davon überzeugen, sich entweder weiterzubilden, im Konzern auf eine andere Stelle zu wechseln oder die Lufthansa zu verlassen. 

Ihr Ziel beschreibt die Managerin in klaren Worten. Sie verspricht, dass „wir Bewegung erzeugen, um Rotation und Fluktuation zu ermöglichen“. Weil ihre Vorgänger schon mit milderen Drohungen an veränderungsresistente Lufthanseaten einen Eklat im Aufsichtsrat lostraten, stellt Volkens freundlich klar: „Betriebsbedingte Kündigungen schließen wir aus“, um dann verschmitzt zu ergänzen: „ein freiwilliges Ausscheiden natürlich nicht“. Sie erwartet angesichts der Herausforderungen den „Willen, im Beruf was ganz anderes zu tun“. Das werde „nicht bei allen Mitarbeitern der Lufthansa möglich sein“.

Die größten Fluggesellschaften Europas

Dass einige ihrer Untergebenen den gelben Lufthansa-Ausweis abgeben, ist Teil des Plans. Nicht nur, dass Volkens bereits ankündigt hat, jeden Wechsel mit Abfindungen sowie Hilfe und Beratung zu unterstützen. Sie will auch Platz für neues Personal schaffen. Mit der Maßnahme „wollen wir auch etwa 200 neue Mitarbeiter mit zusätzlichen Kompetenzen ins Unternehmen holen“, so Volkens. Allen Kritikern, für die sie nur ältere gut bezahlte und nicht so recht digital denkende Mitarbeiter durch IT-Nerds ersetzen möchte, schreibt sie ins Stammbuch, dass Alter und etwaige IT-Kenntnisse keine Rolle spielen. „Es geht mir vor allem um einen Kulturwandel. Im Vordergrund stehen für mich analytische und soziale Kompetenzen, etwa die Fähigkeit, in virtuellen internationalen Teams zu arbeiten, oder der Umgang mit Komplexität und Agilität.“ Volkens glaubt, dass sie die 3200 Angesprochenen stärker überzeugt als zuvor ihr Chef. 

Doch wer mit den Gewerkschaftern spricht, merkt was noch zu tun ist. „Wie viele andere Unternehmen muss sich die Lufthansa für neue Herausforderungen insbesondere bei der Digitalisierung aufstellen. Dazu benötigt sie entsprechend qualifiziertes Personal, das ist nachvollziehbar“, erklärt versöhnlich Christine Behle, Verdi-Bundesvorstand und oberste Arbeitnehmerin im Lufthansa-Aufsichtsrat. Dann zeigt sie, wie groß die Kluft noch ist. „Nicht nachvollziehbar ist allerdings der Weg, der hier scheinbar beschritten wird. Statt ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer/innen herausdrängen zu wollen, sollte die Lufthansa vor allem in Qualifizierung investieren und die Beschäftigten für diese neuen Herausforderungen rüsten.“ 

Viele der bisherigen Veränderungen besonders beim Umbau des Europaflugverkehrs in der Eurowings gingen bereits zu Lasten der Gehälter. Also vermuten viele Gewerkschafter, dass auch der Personalwechsel von gestanden Lufthanseaten zu den Neulingen die Arbeitskosten drücken soll. Denn viele der meist jüngeren Neulinge würden wohl weniger verdienen als altgediente Lufthanseaten. „Das ist bei allem Verständnis für den schärferen Wettbewerb nicht zu vermitteln, allein schon angesichts der aktuellen Rekordgewinne durch unsere Gehaltsopfer“, so ein Betriebsrat.

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