FlixBus Der unheimliche Siegeszug des Start-ups

Drei Freunde geben 2011 gut dotierte Jobs auf, um Fernbusse durch Deutschland zu steuern. Heute haben sie alle anderen Wettbewerber verdrängt. Die Geschichte des unheimlichen Siegeszugs von FlixBus.

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FlixBus: Wie die Fernbusse zu den Königen der Straße wurden. Quelle: imago images

Es war eher Zufall, dass ausgerechnet André Schwämmlein und Jochen Engert mit FlixBus das wohl erfolgreichste deutsche Start-up der jüngeren Zeit gründeten. Zwar wollten sich die beiden Ex-Boston-Consulting-Berater unbedingt selbstständig machen. Doch womit? Sie schrieben Geschäftsideen auf eine Liste, die immer länger wurde, und spielten für 50 Produkte und Dienstleistungen Businessmodelle durch.

Als Schwämmlein und Engert im Jahr 2010 vom Skiurlaub heimkehrten und Reisebusse auf der Autobahn überholten, erinnerten sie sich daran, dass die damalige schwarz-gelbe Regierung gerade Liberalisierungen in bisher streng regulierten Branchen angekündigt hatte. Sie notierten Fernbusse auf der Liste. Fast hätten sie die Idee aber verworfen, weil ihnen die Deutsche Bahn als Konkurrent zu mächtig erschien. Doch dann kündigte die Bahn 2011 an, das eigene Fernbusgeschäft nicht ausbauen zu wollen. „Das war die Initialzündung, die wir brauchten“, sagt Schwämmlein heute. Zusammen mit Daniel Krauss, einem Microsoft-Entwickler, gründeten sie FlixBus. 2013 fuhr ihr erster Bus. Heute, dreieinhalb Jahre nach dem Start, gehört den grünen Bussen die Autobahn.

FlixBus erwirtschaftet einen dreistelligen Millionenumsatz. Das Unternehmen dominiert den Markt mit einem Anteil von fast 90 Prozent. Die Bahn leidet unter dem heftigen Preiskampf. Und auch Staatsbahnen im Ausland zittern vor dem deutschen Straßen-Express.

Wie sich der Fernbusmarkt aufteilt

Die Erfolgsgeschichte ist beispiellos in Deutschland. Und sie ist eine, aus der sich Lehren für das digitale Zeitalter ziehen lassen: Unternehmer haben vor allem dann Erfolg, wenn sie von Anfang an groß denken. Wenn sie ihre Wettbewerber überraschen, indem sie das scheinbar Unmögliche möglich machen. Wenn sie sich auf das Erstellen einer starken Plattform konzentrieren, die andere Unternehmer dann für ihre Zwecke nutzen können – schließlich werden die Busse von selbstständigen Unternehmern gestellt, während FlixBus sich um die Organisation der IT und das Marketing kümmert. Und wenn sie sich im richtigen Moment mit starken Partnern verbünden, die ihnen den Rücken freihalten.

Frech gewinnt

In München Hirschgarten, dem aufstrebenden Stadtteil der bayrischen Landeshauptstadt, organisieren rund 250 Mitarbeiter in gläsernen Büros die weitere Zukunft von FlixBus. Vor wenigen Wochen zog das Unternehmen hierher. Ein bisschen Start-up-Flair ist noch übrig geblieben. Die Meetingräume sind mit Länderfahnen gekennzeichnet. In den Pausenräumen stehen Kickertische. Doch sonst wirkt alles wie in einem etablierten Unternehmen. Es gibt eine Finanzabteilung, eine IT, Human Resources. „Wir haben alle Unternehmensentwicklungen im Schweinsgalopp genommen“, sagt Engert.



Schließlich hat sich seine Branche so rasant entwickelt wie kaum eine andere. Bis 2013 schützte ein Gesetz aus dem Jahr 1934 die Bahn vor Fernbusverkehr auf der Straße. Nur wenige Strecken etwa in die bis 1989 geteilte Stadt Berlin waren erlaubt – und die bediente die Bahn mit ihrer Tochter Berlin Linien Bus (BLB) meist selbst. Als 2013 der Markt geöffnet wurde, änderte sich das ebenso schnell wie umfassend. Heute gibt es mehr als 4000 Linien durch Deutschland – allein die Strecke Dresden–Berlin wird jeden Tag 60 Mal gefahren. Während sich allerdings die Zahl von Passagieren und gefahrenen Buskilometern stetig erhöht, ist eine andere Zahl stetig gesunken: die der Anbieter auf dem Markt, in dem heute etwa 400 bis 500 Millionen Euro Umsatz gemacht werden. Denn zum Ende des vierten Jahres, in dem der Markt für freie Wettbewerber offensteht, ist de facto ein Monopol entstanden. Wer in Deutschland Fernbus fährt, fährt zu mehr als 90 Prozent mit FlixBus.

Doch warum ist ausgerechnet FlixBus so weit gekommen? Und nicht die Deutsche Bahn, die seit Jahren Fernbusse im Portfolio hat. Oder die Deutsche Post, die mit ihren gelben Postbussen an alte Zeiten als Transportdienstleister anknüpfen wollte, mittlerweile aber den Quasiausstieg aus dem Geschäft verkündet hat? Und warum hat es kein anderes Start-up geschafft? Zwischenzeitlich gab es mehr als acht ernst zu nehmende Wettbewerber für die Jungs mit den grünen Bussen.

„Die Schnellen fressen die Langsamen“

Die Antwort darauf hat viel damit zu tun, wie frech Schwämmlein und Engert an die Sache rangegangen sind. Sie setzten von Beginn an auf bedingungslose Expansion. Ein bundesweites Netz sollte zuerst Großstädte und später Kleinstädte verbinden. Dieser Auffassung war sonst nur MeinFernbus aus Berlin, alle anderen Anbieter dachten irgendwie anders, kleiner, regionaler. Da war etwa DeinBus. Schon Ende 2011 eröffnete das Offenbacher Start-up eine Fernbusstrecke – getarnt als Mitfahrgelegenheit. Die Bahn klagte und verlor. DeinBus wurde gefeiert als siegreicher David gegen Schienen-Goliath, der den Anstoß für die Marktöffnung gab. Doch als der Markt 2013 freigegeben wurde, konzentrierten sich die Offenbacher nur auf Strecken durch Süddeutschland. Ihre Philosophie: zuerst ein robustes Netz aufbauen, dann wachsen. Nur knapp entging das Unternehmen Ende 2014 der Insolvenz, mittlerweile spielt es im deutschen Markt keine nennenswerte Rolle mehr.

Lediglich MeinFernbus fuhr mit FlixBus lange Zeit auf Augenhöhe. Panya Putsathit, Gründer von MeinFernbus, sagte der WirtschaftsWoche 2013: „Die Schnellen fressen die Langsamen.“ Andere in der Branche, besonders die Manager der altehrwürdigen Deutschen Bahn, taten solche Aussagen als gründerpubertäres Geschwätz ab. Heute weiß jeder: Putsathit hatte recht.

Die Logik der Branche erfordert ein großes Netzwerk, das Fahrgäste auf Nebenstrecken einsammelt und über Drehkreuze auf die Hauptstrecken verteilt. Auf diese Weise erreicht FlixBus auf wettbewerbsintensiven Strecken wie Hamburg–Berlin oder Nürnberg–München eine höhere Auslastung als die Konkurrenz. Die Münchner konnten die Billigpreisattacken von Postbus und BLB, die fast ausschließlich stark frequentierte Routen zwischen Großstädten besetzen, jederzeit mühelos auskontern, weil sie schlicht mehr Leute befördern, die Geld bezahlen. Auf wettbewerbsschwachen Strecken kann das Unternehmen zudem höhere Ticketpreise verlangen.

Fernbusmarkt

Im Sommer mit Gewinn

FlixBus betreibt heute 14.000 Direktverbindungen in Deutschland. In den Sommermonaten fahren die grünen Fernbusse wirtschaftlich schon im grünen Bereich. Vor allem vor den Feiertagen boomt das Geschäft. „Ob der Kaffee besser schmeckt, ist nicht relevant“, sagt Schwämmlein. Aber ob das Netz funktioniere und ob die Busse zu den richtigen Zeitpunkten abfahren, eben schon. Im Klartext: Bei Umsteigeverbindungen akzeptieren die Kunden Wartezeiten von bis zu 30 Minuten vielleicht gerade noch, darüber hinaus aber nicht. Von den großen Drehkreuzen wie München, Berlin und Hamburg fährt FlixBus deshalb im Halbstundentakt. Ein gut funktionierender Fahrplan ist das Herzstück eines jeden Transportunternehmens. Die Kunden wollen nicht länger als eine halbe Stunde warten, bis sie beim Umstieg in den Anschlussbus wechseln können. So ergeben selbst weniger ausgelastete Nebenstrecken Sinn, solange Umsteiger die Busse auf den Hauptstrecken vollmachten.

Doch der Weg bis dahin war alles andere als vorgezeichnet. Auf den Rosinenstrecken wie von Hamburg nach Berlin unterbieten sich die Konkurrenten 2014 mit Kampfpreisen ab acht Euro. Pro Fahrgast und Kilometer bekommen sie weniger als vier Cent. Nötig wäre das Doppelte, um Geld zu verdienen. Denn bei Niedrigstpreisen können auch hohe Auslastungszahlen nicht viel ausrichten. In München und Berlin beobachten die Wettbewerber FlixBus und MeinFernbus die Strategie des anderen – und sie stellen fest, wie ähnlich sie sich sind. Geht es nicht auch gemeinsam, fragten sie sich fast zeitgleich. Anfang 2015 entscheiden sie sich zur Fusion

Wachstum vor Profit

Dieser Schachzug hat die Konkurrenz mattgesetzt. Der Marktanteil stieg über Nacht auf mehr als 70 Prozent. Schnell wird aber klar, dass die Münchner bei der Fusion den Ton angeben. Die Zentrale bleibt in Bayern, die Geschäftsführung übernehmen die FlixBus-Gründer. Die beiden MeinFernbus-Gründer rücken als strategische Berater zurück ins Glied.

In der Nähe der Maximilianstraße in München sitzt der Mann, der für diesen Deal mit verantwortlich ist. Jörn Nikolay ist 37 Jahre alt und Deutschlandchef von General Atlantic (GA). Der US-Wachstumsfinanzierer hat einen dreistelligen Millionenbetrag in FlixBus investiert und ist seit der Fusion mit 30 Prozent beteiligt. Bis dahin wurde FlixBus vor allem von Business Angels getragen, etwa dem Gründer der Buchungsseite hotel.de, Heinz Raufer. Und von Investmentgesellschaften wie Daimler Mobility Services und Holtzbrinck Ventures. Und natürlich von den Gründern selbst, die, wie Schwämmlein sagt, „die ersten Jahre von ihren privaten Rücklagen gelebt haben“.

Doch so viel Geld wie GA konnte und wollte kein anderer Investor einbringen. GA geht es nicht um Glamour. Auf der Terrasse von Nikolays Büros sprießt Unkraut. Die Büros wirken zweckmäßig. Er und seine Handvoll Berater suchen deutsche Start-ups, um sie groß zu machen. Das Geld kommt vor allem von wohlhabenden Familien. Ist ein gutes Unternehmen identifiziert, investiert GA meist zwischen 25 und 400 Millionen Euro. „Wir erzielen Rendite hauptsächlich durch das Umsatzwachstum unserer Beteiligungen“, sagt Nikolay. GA ist auch bei Uber, Airbnb und Buzzfeed beteiligt.

Fernbusmarkt

In diese Fußstapfen soll auch FlixBus treten. „Wir glauben an das Wachstum zu einem europäischen Verkehrsriesen“, sagt Nikolay. Das Geschäftsmodell könne man „sehr gut in andere Länder exportieren“. Allein im August habe das Unternehmen außerhalb Deutschlands fast eine Million Passagiere befördert. In fast allen angrenzenden Ländern ist FlixBus bereits vertreten.

Noch steht Wachstum vor Profit. FlixBus hat unterm Strich noch keinen einzigen Euro verdient. Und das muss es auch nicht. Die Gewinne sollen irgendwann in Zukunft fließen. Damit kopiert FlixBus den digitalen Kapitalismus amerikanischer Prägung. Auch Uber, der US-Vermittler von privaten Fahrgelegenheiten, schreibt nur Verluste. FlixBus ist kleiner, ein ökonomischer Zwerg, wenn man so will. Doch die Idee ist die gleiche. Gehört FlixBus erst einmal Europa, fließen die Millionen von alleine.

In Frankreich ist FlixBus einer der zwei führenden Anbieter mit einem Marktanteil von 40 Prozent. Die Regierung in Paris hat den Markt vor einem Jahr liberalisiert. Dort hat man ganz genau beobachtet, was in Deutschland passiert ist. Guillaume Pepy, Chef der französischen Staatsbahn SNCF, hält mit der eigenen Fernbusflotte OuiBus dagegen. „Wenn FlixBus glaubt, es könne den Markt wie in Deutschland dominieren, werden sie scheitern“, sagt Pepy. „Es wird immer zwei große Spieler im Markt geben.“ Doch sein Schlachtplan hat Schwächen. Die Bustochter der SNCF bietet keine Fahrten unter 100 Kilometer an, um den Zugverkehr nicht zu kannibalisieren. Die Fernbusse sollen auch nicht in andere Länder expandieren. SNCF tritt also auf die Bremse, FlixBus gibt Vollgas.

Zunehmend mehr Reisende entscheiden sich für den Bus. Der Marktanteil im Vergleich zur Bahn betrug im vergangenen Jahr bereits 15 Prozent.

Möglich ist das auch, weil FlixBus keinen einzigen Bus betreibt. Stattdessen bezahlt FlixBus Subunternehmer dafür, dass sie Fahrgäste durch Deutschland fahren. Die mittelständischen Unternehmer nehmen dafür ein hohes Risiko in Kauf. Sie kaufen die Busse, streichen sie grün und stellen die Fahrer. Im Gegenzug bekommen sie Geld – abhängig davon, wie viele Fahrer nötig sind, wie groß der Bus ist und wie viele Fahrgäste Platz nehmen. Das ist der Kern des Deals: Je höher der Umsatz, desto höher der Profit.

Auf Kosten der Busunternehmer?

Auch Alfred Beer rollte lange Zeit mit. Der Unternehmer aus Bayern fuhr seit 2012 für MeinFernbus. Er kaufte 15 Busse, bediente die Strecken von Frankfurt nach Zürich und Berlin nach München. „Die Kunden haben uns anfangs geliebt“, sagt Beer. Doch nach der Fusion mit FlixBus wollte er nicht mehr weiterfahren. Die Fahrpläne wurden umgeworfen. Plötzlich sollte er zu anderen Zeiten fahren. Er fühlte sich „rumgeschupst“, sagt Beer. FlixBus sei „auf dieser Businesswelle“ unterwegs. Außerdem seien die Gewinnaussichten nicht so rosig: „Die Ticketpreise sind einfach zu niedrig.“

20 Millionen Fahrgäste

Man muss nicht lange suchen, um Busunternehmer zu finden, die mit der Entwicklung in ihrer Branche nicht ganz zufrieden sind. Als der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) Mitte September zum Thüringischen Abend nach Berlin-Mitte geladen hatte, klagten viele von ihnen bei Bratwurst, Bier und Kartoffelsalat über geringe Einnahmen und überanspruchsvolle Kunden. Harald Binder fuhr zwei Jahre lang für den Postbus. Anders als FlixBus zahlte die Deutsche Post eine Pauschale: je nach Strecke zwischen ein und zwei Euro pro gefahren Kilometer. Inzwischen ist die Post ausgestiegen, aufgekauft von FlixBus. „Für mich war das die Möglichkeit, auszusteigen“, sagt Binder.

FlixBus-Chef Engert gibt zu, dass „wir unseren Buspartnern insbesondere nach der Fusion mit MeinFernbus viel zugemutet haben“. Ein paar seien deshalb ausgestiegen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die meisten sind geblieben. Viele stöhnen über den schwierigen Markt, aber die meisten fahren weiter für FlixBus. BDO-Präsident Wolfgang Steinbrück war es wichtig, mit dem anwesenden FlixBus-Chef Schwämmlein fotografiert zu werden. Steinbrück weiß: Seine Branche hat an Bedeutung in Deutschland gewonnen. Fuhren 2012 gerade mal drei Millionen Menschen mit dem Fernbus durch Deutschland, sind es in diesem Jahr weit mehr als 20 Millionen. Der Branchenumsatz liegt bei rund 400 bis 500 Millionen Euro.

Für die Busunternehmer bleibt der Markt neben den Pauschalreisen und dem Schülerverkehr eine Chance auf Neugeschäft. Denn als Alternative zum ICE der Deutschen Bahn ist der Fernbus nicht mehr wegzudenken. Mit Sparpreisen hält der Konzern dagegen. „Wir holen Kunden aus dem Fernbus zurück“, sagt Bahn-Chef Rüdiger Grube – und ein bisschen funktioniert das sogar. Seit Jahresbeginn lockte die Bahn 3,25 Millionen Reisende in die ICE-Züge. Doch die höhere Auslastung auf 52 Prozent erkauft sich die Bahn mit sinkender Rendite. Schlimmer als die abgewanderte Kundschaft wirkt das von den Fernbussen ausgesandte Preissignal: Mobilität geht auch billig. Zwei Jahre hintereinander hat der Fernverkehr der Bahn zuletzt die Ticketpreise nicht mehr erhöht.

Das vor drei Jahren gestartete Unternehmen Flixbus sammelt seine Konkurrenten ein. Die Dominanz der Münchner lässt die Bahn erstarren wie die Maus vor der Schlange: Prompt stellt sie ihr eigenes Fernbusgeschäft infrage.
von Christian Schlesiger

Es ist erstaunlich, wie das vor drei Jahren gestartete Start-up den Milliardenkonzern verunsichert. Seit der Marktöffnung schlingert das Bahn-Management herum. 2013 hielt man sich im Fernbusgeschäft zunächst zurück, 2015 kündigte man dann eine Vervierfachung des Angebots an, vor wenigen Wochen dann bremste man die Expansionspläne wieder aus. Der Markenauftritt ist eine Katastrophe: Mal schob man die Marke Berlin Linien Bus in den Vordergrund, dann doch wieder den IC Bus. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt empfahl Bahn-Chef Grube sogar mal, den Postbus zu kaufen, doch Grube ignorierte den scheinweisen Rat aus der Invalidenstraße in Berlin. An einem Freitag im September verkündete die Bahn schließlich, man werde BLB zum 31. Oktober weitestgehend streichen.

Es geht noch mehr

Es gibt dann, nach allem, was sich derzeit voraussagen lässt, noch genau einen bedeutenden Anbieter im Geschäft mit den Fernbussen. Mehr als 90 Prozent des Geschäfts in Deutschland werden Schwämmlein und Co. dann anbieten. Sowohl für die Kunden, die sich an die günstigen Tickets für Fernreisen gewöhnt haben als auch für die Busunternehmer, die sich an das Zusatzgeschäft mit den FlixBus-Aufträgen gewöhnt haben, gibt es dann genau einen Geschäftspartner im Fernreisegeschäft mit dem Bus. Solche Marktmacht gibt es in keinem anderen liberalisierten Markt. Womöglich ein Fall für das Bundeskartellamt. Doch das kann bisher nur zuschauen, weil der FlixBus-Umsatz mit geschätzt 400 Millionen Euro unterhalb der Schwelle von 500 Millionen Euro für eine Fusionskontrolle liegt.

Doch damit bestätigt sich ein Phänomen, das Experten in den Anfangszeiten des Internets noch vehement bestritten haben: die Machtkonzentration digitaler Plattformen. Wer private Taxichauffeure braucht, denkt an Uber. Wer in fremden Städten übernachten will, sucht bei Airbnb. Wer Fernbusreisen plant, geht zu FlixBus. Am Ende bleibt oft nur eine große, im Idealfall sogar globale Marke übrig.

Wettbewerber warnen vor dieser Entwicklung. Der Gründer und Chef von DeinBus, Christian Janisch, sagte jüngst in einem Interview: „Wenn es nur noch einen Anbieter gibt, kann der die Preise anheben, wie er das möchte.“ Auch die Politik fordert ein Eingreifen. Martin Burkert (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, forderte eine Fernbusmaut von 0,4 Cent pro Fahrgast und gefahrenen Kilometer. Für eine 500 Kilometer lange Strecke etwa zwischen Berlin und Nürnberg kämen so zwei Euro zusammen, rechnet er vor. Ziel ist es vor allem, die Bahn zu schützen. Doch 90 Prozent Marktanteil sind eigentlich noch lange kein Monopol.

General Atlantic ist der große Investor hinter Flixbus. Die US-Beteiligungsgesellschaft kauft sich in vielversprechende Start-ups ein und sieht noch viel Potenzial für ähnliche Erfolgsgeschichten in Deutschland.
von Christian Schlesiger

Die Fernbusse stehen in direkter Konkurrenz zum Schienenverkehr. Zieht man allein den Fernverkehr der Deutschen Bahn in die Marktbetrachtung mit ein, kämen die Fernbusse, gemessen an der Zahl der beförderten Fahrgäste, nur auf einen Anteil von rund 20 Prozent. Berücksichtigt man zudem noch den individuellen Autoverkehr, sind Fernbusse eine vernachlässigbare Größe.

Bei FlixBus sieht man diese Debatten gelassen. Stattdessen läuft man in solchen Phasen auf vollen Touren. Der Spätsommer ist für Fernbusunternehmen ohnehin immer die Zeit der Neuausrichtung: Schwache Strecken werden eingestellt, neue für das Frühjahr geplant. Dem Unternehmen aus München geht es jetzt vor allem darum, das Netz zu optimieren. Allein die übernommenen Postbus-Strecken müssen so integriert werden, dass sich die Abfahrtszeiten mit den FlixBus-Bussen nicht mehr überlappen. Es gebe zudem noch Luft in Regionen mit kleineren Städten, heißt es in München. Schwerpunkt der nächsten Jahre werde aber die Expansion nach Europa. Gerade erst wurden innerdänische Linien angekündigt. Zudem fächert FlixBus sein Netz nach Osteuropa aus. Und in Amsterdam entsteht bald ein neues Büro für die Benelux-Linien.

Mitunter ergreift das Unternehmen dann auch Chancen, die sich spontan ergeben. Nur einen Tag nachdem die Bahn ihre Fernbus-Schrumpfkur verkündete, rechneten die Mitarbeiter in München in Wochenendschichten Zukunftsszenarien durch. Wenn die BLB-Tochter der Bahn ihre 150 Fernbusse teilweise einmottet, werden neue Strecken frei. „Wir wollten ohnehin im nächsten Jahr mit neuen Strecken wachsen“, sagt Schwämmlein, „jetzt wachsen wir eben noch mehr.“

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