
Lang-LKW scheinen eines der Lieblingsprojekte von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zu sein. Ein wichtiger Beitrag zur Verkehrseffizienz seien sie, sagt er, bald sollten sie überall auf deutschen Straßen fahren. Seit 2012 testet das Verkehrsministerium die Gigaliner auf deutschen Straßen, um die Sicherheit und Umweltverträglichkeit der überlangen LKW zu prüfen. Nun kündigte auch Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) an, bei dem Feldversuch einzusteigen. Fahren also bald 60-Tonner über die ohnehin sanierungsbedürftigen Brücken der A1? Und welche Vorteile bieten die Gigaliner? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was sind Lang-LKW?
Lang-LKW, auch Gigaliner oder EuroCombi genannt, sind LKW mit einer Fahrzeuglänge von bis zu 25,25 Metern. Bisher sind die längsten auf deutschen Straßen zugelassenen Fahrzeuge 18,75 Meter lange Gliederzüge. Durch den zusätzlichen Laderaum sollen Güter effizienter transportiert werden. Die Rechnung: Zwei Gigaliner sollen drei herkömmliche LKW ersetzen und so Transportkosten und Treibhausemissionen sparen.





Wieso ist NRW jetzt doch beim Feldversuch dabei?
Groschek will mehr Güter auf die Schiene bringen. Dazu nutzt er die Ausnahmegenehmigung, die der Bund für den LKW-Feldversuch erteilt hat: Nun kann er 17,8 Meter statt 16,5 Meter lange Sattelzüge auf Nordrhein-Westfalens Straßen erlauben. Sein Beitritt zum Feldversuch ist im Grunde lediglich ein rechtlicher Kniff, auch wenn Alexander Dobrindt ausdrücklich die Öffnung des NRW-Verkehrsministers gegenüber Lang-LKW begrüßt.
„Diese gerade einmal um 1,30 Meter verlängerten Sattelzüge erlauben es, Güter wesentlich effizienter von der Bahn auf den Lastwagen und umgekehrt zu verladen“, sagt Groschek. „Das unterstützt unser Ziel mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen.“ Also mehr Bahnverkehr statt Gigaliner – denn die 25 Meter langen LKW bleiben auch weiter verboten.
„Schon alleine die Verkehrsdichte in NRW mit ihren vielen Autobahnkreuzen und Anschlussstellen würden das Risiko und die Gefahren für die anderen Verkehrsteilnehmer deutlich erhöhen“, so der Landesminister. Die nun erlaubten 17,8 Meter langen Sattelzüge mit einem Anhänger sind sogar rund einen Meter kürzer als die ohnehin in der EU erlaubten Gliederzüge mit zwei Hängern.
Wie fällt die Zwischenbilanz des Gigaliner-Feldversuchs aus?
Das Fazit ist bisher positiv. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die den Feldversuch wissenschaftlich begleitet, bescheinigt den langen Lastern eine ansehnliche Effizienzsteigerung: Speditionen könnten bis zu 25 Prozent Kraftstoff sparen, heißt es. Sicherheitsprobleme habe es keine gegeben, auch wenn es manchmal eng werde für die Laster – kleine Parkbuchten und Kreisverkehre bereiten ihnen Schwierigkeiten.
Neun Bundesländer und rund 40 Transport-Unternehmen sind bei dem Feldversuch aktiv, zurzeit rollen etwa 110 Gigaliner über die Autobahnen. Mit 40 Tonnen sind die getesteten Laster so schwer wie herkömmliche LKW.





Was sagen die Gegner der Gigaliner zu der Zwischenbilanz?
Umweltverbände und Verkehrsclubs kritisieren, dass die Bundesanstalt für Straßenwesen in ihrer Analyse einen falschen Fokus lege. Zwar werde erfasst, wie viel effizienter jeder einzelne Gigaliner sei, aber nicht, wie stark das LKW-Aufkommen durch sinkende Transportkosten steigen könnte.
„Wir befürchten, dass sich der Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlagert und die Zahl der LKW um ein Vielfaches steigt“, sagt Anja Smetanin vom Verkehrsclub Deutschland (VDC). „Dann ist zwar der einzelne Gigaliner effizienter, aber in der Gesamtheit sind die LKW schädlicher fürs Klima als der Transport per Bahn.“
Außerdem kritisieren Gegner das größere Sicherheitsrisiko und die Belastung für Straßen. „Unsere Infrastruktur ist für solche LKW gar nicht ausgelegt und müsste umgebaut werden“, sagt Smetanin.
Was sagen die Bürger?
Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage vom Sommer 2014 lehnen 79 Prozent der Deutschen die Lang-LKW ab. Als häufigste Gründe geben rund die Hälfte der Befragten das größere Unfallrisiko und die erhöhten Steuermittel für den Umbau des Straßennetzes an. Bezahlt wurde die Umfrage vom Automobil Club Verkehr (ACV), der „Allianz pro Schiene“ und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die Gigalinern allesamt kritisch gegenüberstehen.
Wo in der EU dürfen Gigaliner noch fahren?
In Finnland und Schweden sind die Gigaliner schon seit den 70er-Jahren erlaubt, seit vergangenem Jahr fahren sie zudem in den Niederlanden. Neben Deutschland experimentiert auch Dänemark mit den langen Lastern, offiziell erlaubt sind sie dort aber noch nicht.
Was sagt die EU zu den Lang-LKW?
Die EU steht den Lang-LKW kritisch gegenüber: Das Europäische Parlament beschloss diese Woche, dass die Gigaliner nicht grenzüberschreitend eingesetzt werden dürfen – außer zwischen Ländern die ihren Einsatz auf nationaler Ebene erlaubt haben. Im Fall einer Zulassung dürften deutsche Lang-LKW also nur die Grenze zu den Niederlanden passieren.
Wie geht es in Deutschland weiter?
Der Feldversuch läuft noch bis Ende 2016, erst danach soll eine endgültige Entscheidung gefällt werden.