Wer im Reisegeschäft nach Optimismus sucht, ist bei Lufthansa-Chef Carsten Spohr meist an der richtigen Stelle. So erklärte der Manager in seiner vorab veröffentlichten Rede auf der Hauptversammlung in der kommenden Woche, die schwere Coronazeit für mehr oder weniger beendet. „Diese Krise haken wir jetzt – zumindest mental – ab“, wird der 55-Jährige dann sagen und ergänzen, bei Lufthansa „schauen wir mit großer Zuversicht nach vorne“. Die Geschäftszahlen für das im März beendete erste Quartal des Jahres deuten in eine ähnliche Richtung: Der Umsatz ist gestiegen, der Verlust geschrumpft. Im Sommer will die Linie in einigen Geschäftsbereichen an die Zeit vor der Krise anknüpfen.
Damit ist Lufthansa nicht allein. Auch Veranstalter wie die Tui rechnen mit einer Rückkehr der Buchungen ungefähr auf Vor-Corona-Niveau. Und Billigflieger wollen sogar größer sein, erklärte etwa Jószef Váradi, Chef des osteuropäischen Billigfliegers Wizz-Air. „Wir werden deutlich wachsen“, so der Manager. Doch wer genau hinsieht, erkennt Risse in dem Bild vom Boom. „Die Probleme wachsen derzeit eher wieder als dass sie abnehmen“, so ein führender Manager der Branche.
„Wir erholen uns nach zwei coronabedingten Krisenjahren nur langsam“, sagt Lars Mosdorf, kaufmännischer Geschäftsführer des Flughafens Düsseldorf. „Dafür sorgen aktuell insbesondere die ungewissen Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, etwa die hohe Inflationsrate und Kostensteigerungen in den Betriebsmitteln. Wesentlich zugleich ist der Personalmangel bei den Dienstleistern.“ Dazu kommt eine gewachsene Streikbereitschaft der Belegschaft. „Alles dämpft die Nachfrage, doch so richtig zum Tragen kommen dürften sie alle erst nach dem Sommer“, sagt ein führender Airlinemanager.
Deutlich sichtbar sind bereits die Probleme im laufenden Betrieb, die für lange Schlangen am Flughafen oder Verspätungen sorgen. Zwar gab es zur ersten Hauptreisezeit des Jahres an Ostern relativ wenige Staus an den Sicherheitsschleusen. Doch bereits in der Woche nach den Ferien warteten die Passagiere an Flughäfen wie Köln teilweise wieder mehr als 45 Minuten an den Kontrollen vor den Flugsteigen. Nicht selten bat sogar das Personal die Flugreisenden dringend, sich zu beschweren. Ähnliche Wartezeiten befürchten Flughäfen nach dem Flug an den Gepäckbändern. In der Luftraumüberwachung droht in einigen Ländern gar ein „Kollaps“, sagt Wizz-Air-Chef Váradi. So müssen in Polen nun Kollegen aus anderen Ländern wie Frankreich den Verkehr aus der Ferne regeln.
Gleichzeitig drückt vielerorts ein schlechterer Service die Reiselaune. So müssen viele Lufthansapassagiere derzeit an Bord hungern, weil die Fluglinie von ihrer Cateringfirma nicht genug Sandwiches oder Mahlzeiten bekommt.
Der Grund ist in allen Fällen der gleiche: Personalmangel. „In der Krise haben trotz der Kurzarbeitsregelungen viele Mitarbeiter der Branche den Rücken gekehrt und kommen nun nicht zurück, weil sie merken, dass es auch außerhalb der Luftfahrt attraktive Jobs gibt“, so Mosdorf. Viele stört vor allem der anstrengende Schichtdienst. Darum dürfte das Problem noch eine Weile anhalten und das weitere Wachstum der Reisebranche bremsen.
Der Engpass sorgt zudem für mehr Arbeitskämpfe. Zwar blieb der befürchtete Ausstand der deutschen Sicherheitskontrolleure an Ostern aus. Stattdessen streikten Ende April Airlinebeschäftigte in Belgien und den Niederlanden. Das alles wird die Reiselust dämpfen, fürchtet ein Manager einer großen Fluglinie. „Wer befürchtet, zu viel Zeit am Airport zu verlieren oder gar seinen Flug zu verpassen, überlegt sich eine Flugreise genauer und könnte wahrscheinlich öfter ein anderes Verkehrsmittel nehmen.“
Zum größten Problem droht jedoch die Inflation zu werden. Sie dürfte die Reisenachfrage gleich auf zwei Wegen dämpfen. Zum einen führt der aktuelle Preisanstieg vor allem beim Flugbenzin zu höheren Kosten. Je nach Weltregion kostet das Kerosin im Vergleich zum Vorjahr das Zweieinhalbfache. Dadurch können die Ausgaben der Fluglinien um bis zu 60 Prozent steigen. „Das müssen Airlines weitergeben und das dämpft die Nachfrage“, sagt Marie Owens Thomsen, Chef-Volkswirtin des Weltluftfahrtverbands Iata.
Hinzu kommt die allgemeine Teuerung in Deutschland von zuletzt 7,4 Prozent. Sie drückt nicht nur die verfügbaren Einkommen der Bürger. Sie sorgt auch dafür, dass in den Ferienregionen die Nebenkosten wachsen, etwa weil Restaurantbesuche oder Mietwagen teurer werden. So kosten laut einer aktuellen Untersuchung des Vermittlungsportals Leihautos in den meisten Urlaubsregionen deutlich mehr als vor der Krise. „Und auch wenn wir immer sagen, dass die Leute am Urlaub zuletzt sparen: Diesen Mix werden wir spüren“, sagt ein führender Reisemanager. „Jeden einzelnen Faktor hätten wir vielleicht noch weggesteckt, aber zusammen gibt das einen gefährlichen Cocktail.“
Immerhin eine Hoffnung hat die Branche. Weil sie vor allem ihre Flugbenzinkosten abgesichert haben, trifft sie der Preisschock erst später. Dazu haben viele Kunden ihre Sommerferien bereits vor längerer Zeit gebucht. „Die werden wohl trotz der Inflation nicht absagen“, hofft ein führender Reisemanager. „Doch im Herbst werden wir dann umso mehr darunter leiden.“
Lesen Sie auch: Kann TUIs Strategieschwenk überhaupt gelingen?