Also muss Spohr nun selbst dafür sorgen, dass er noch ein wenig mehr unter Druck gerät - oder zumindest den Anschein erwecken. Das wird freilich auch nicht leicht. Die Billigflieger wollen an jedem der großen Flughäfen im Zweifel nicht nur mit einer zweistelligen Zahl von Flügen loslegen. Sie wollen auch zu den Zeiten starten, an denen die lukrativen Geschäftsreisenden fliegen. „Und sie werden auch dank ihrer niedrigeren Kosten und den Gebührennachlässen, wie sie Frankfurt etwa Ryanair gewährt hat, gleich ans Eingemachte gehen“, so der Berater.
3. Kulturkampf: Berlin oder Rheinland
Das dritte Risiko ist am schwierigsten einzuschätzen. So sehr die Übernahme von Air Berlin für Lufthansa auch betriebswirtschaftlich sinnvoll scheint, der kulturelle Einfluss ist kaum zu kalkulieren.
Da ist zum einen die schiere Größe der Übernahme. Käme nach dem geplanten Deal auf der Kurzstrecke die komplette Air Berlin dazu, wären das auf einen Schlag mehr als 100 Flugzeuge in wenigen Monaten. „Ein solches Tempo hat sich bisher nicht mal Ryanair zugetraut“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Kompliziert wird der Schritt dadurch, dass die Maschinen der Berliner für Eurowings neu erfasst, erprobt, lackiert und eingerichtet werden müssten.
Und neben den Jets muss Eurowings auch mehrere Tausend neue Mitarbeiter auf die eigenen Arbeitsweisen und die Servicestandards umschulen. Das wird kein Selbstläufer. Bei den Berlinern sind die Zeiten vorbei, als sie Marktforscher wie Skytrax zur „Besten europäischen Billiglinie“ kürten. „Die immer neuen Sparprogramme und das ewige hin und her zwischen Billiglinie und Premium-Carrier der vergangenen Jahre sorgten dafür, dass es nicht nur bei den Finanzen, sondern auch beim Service an allen Ecken und Enden knirscht“, sagt ein deutscher Flughafen-Chef.
Auch der Betriebsfrieden bei Eurowings könnte beim Zugang von Air Berlin leiden. Schon heute ist die Lage angespannt. Die für die Kabine zuständige Gewerkschaft UFO hat das Gefühl, die Lufthansa wolle sie gegen die Konkurrenz von Verdi ausspielen. Da bei Air Berlin vor allem Verdi aktiv ist, könnte das Gleichgewicht kippen und die – aus Sicht von UFO zu milde Verdi – wieder eine Vorreiterrolle bei Tarifverhandlungen fordern. „Wir schauen Verdi genau auf die Finger“, sagt UFO-Sprecher Nicoley Baublies.
Zudem könnten aus UFO-Sicht Jobs verloren gehen. Schließlich verkündete Eurowings-Chef Garnadt, Air Berlin nur beschäftigen zu wollen, wenn deren Flüge nicht mehr kosten als die Dienste bei der günstigsten seiner bislang fünf Eurowings-Flugbetriebe. „Das bedeutet im Klartext: Bis zu vier der heutigen Töchter sind dann teurer als Air Berlin und würden bei Kürzungen als erste runtergefahren“, so ein Arbeitnehmervertreter.
Keine Wahl: Warum Lufthansa am Ende doch zugreift
Trotz dieser großen Hindernisse wird Spohr wenn den Deal durchziehen, wenn es irgendwie geht. „Es wird nicht einfach, doch wenn wir den Deal lassen und Air Berlin anderen Billigfliegern quasi über Nacht Platz macht– und dann wird es richtig ungemütlich“, so ein Lufthanseat.
Wie sehr, das zeigte Ryanair-Chef Michael O’Leary zu Beginn der Woche. Er startete eine neue Niederlassung in Nürnberg, erweiterte sein Angebot in Hamburg sowie Köln und garnierte es mit diesen Worten: „Ich freue mich auf einen Preiskampf.“ Wie der aussieht, hat Eurowings in Köln bereits erlebt. Dort musste die Linie den Flug nach Berlin-Schönefeld streichen, weil bei Ryanair die Tickets in der Regel nur halb so teuer waren.