Paketdienste „Es braucht Allianzen gegen Amazon“

Paketdienste erhöhen ihre Preise: Falsche Taktik gegen Amazon? Quelle: imago, Montage

Fast alle Paketdienste heben kommendes Jahr die Preise an. Unternehmensberater Sebastian Bretag erklärt, warum das die falsche Taktik im Kampf gegen Amazon ist – und was der Branche helfen könnte.

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WirtschaftsWoche: Herr Bretag, noch nie wurden so viele Pakete verschickt wie dieses Jahr zu Weihnachten. Bis zu 18 Millionen Pakete werden im Dezember pro Tag an deutsche Haushalte zugestellt. Kommt nun der Paketinfarkt?
Sebastian Bretag: Gar keine Frage, die Branche schwitzt gewaltig. Bei einigen Paketunternehmen müssen sogar Mitarbeiter aus dem administrativen Bereich operative Funktionen übernehmen, also mitanpacken, um diese ungeheure Nachfrage stemmen zu können. Gleichzeitig zeigt das Weihnachtsgeschäft eigentlich nur die Zukunft, die auf die Branche zukommt. Denn was jetzt die Ausnahme und absolute Spitze an Paketvolumina ist, könnte durch den E-Commerce-Megatrend schon bald auch unter dem Jahr Normalität sein. Die Frage ist nur, welche Antworten die Branche auf diese extreme Herausforderung findet.

Eine Antwort haben die Unternehmen Hermes, DPD und GLS gerade gegebenen. Sie alle wollen die Preise im kommenden Jahr anheben. Ist die Preiserhöhung die richtige Antwort auf den E-Commerce-Boom?
Es ist zu fragen, wofür die Unternehmen die zusätzlichen Einnahmen verwenden. Fließt das Geld in steigende Personalkosten? In diesem Fall ist die Preiserhöhung nachvollziehbar. Andererseits muss man sich vor Augen halten, dass die Paketvolumina seit Jahren steigen und auch weiter massiv steigen werden. Deshalb sollten Logistikunternehmen es eigentlich schaffen, die Stückkosten durch Effizienz und Auslastung zu reduzieren. Deshalb ist die Preiserhöhung per se sicher keine gute Nachricht.

Werden die Internet-Versandunternehmen die gestiegenen Paketpreise an ihre Kunden weitergeben?
Sobald es einen Versandhändler gibt, der die Zuschläge nicht an seine Kunden weitergibt, wird es für die anderen natürlich schwierig, das durchzusetzen. Was Händler beachten werden, ist die Höhe der Logistikkosten in Relation zum Preis des Produkts. Wenn die Zustellung nur ein Prozent des Produktpreises ausmacht, fällt eine Erhöhung der Logistikkosten nicht weiter ins Gewicht. Aber bei einem Buchschnäppchen von zwei Euro, dessen Lieferung dann fünf Euro kostet, liegt die Sache natürlich anders.

Letztlich gilt die 80:20-Regel. 80 Prozent der Kunden werden die Preiserhöhung hinnehmen, 20 Prozent nicht. Auf diese 80 Prozent als Zielgruppe müssen sich die Händler dann eben fokussieren. Aber natürlich ist es auch denkbar, dass manche E-Commerce-Händler die höheren Zustellkosten einfach versteckt an ihre Kunden weitergeben.

Sebastian Bretag ist Direktor bei der Atreus GmbH in München. Sein Fokus sind Projekte und Programme zur Ergebnisverbesserung und Management von Umbruchphasen, beispielsweise Wachstums- und Turnaround Management, strategische Neuausrichtung, M&A, Carve Out, Post Merger Integrationen und die interimistische Besetzung von Topmanagement-Positionen. Er war selbst als Berater und Interim Manager u.a. für führende Logistikunternehmen international tätig. Quelle: PR

Amazon hat seine eigene Zustelllogistik aufgebaut und ist nun gleichzeitig Konkurrent und Großkunde von vielen Paketdiensten. Welche Antworten müssen die Paketdienste auf diese Konkurrenz finden?
Amazon vollbringt etwa mit der Zustellung am Tag des Bestellens oder der Lieferung am nächsten Tag gewaltige Logistikleistungen. Natürlich muss man sich das auch leisten können und das Volumen dafür haben. Amazon kann sein Paketgeschäft ja durch andere Geschäftsbereiche quersubventionieren und muss im Gegensatz zur Konkurrenz in diesem Bereich gar nicht profitabel sein.

Was Amazon schafft, ist, Kundenwünsche zu erkennen und zu erfüllen. Wer seine Bestellung am selben Tag haben will, bekommt das von Amazon auch erfüllt. Allerdings wollen 80 bis 90 Prozent der Kunden ihre Bestellung gar nicht am selben Tag erhalten und vielen ist es auch gar nicht wichtig, dass das Paket am Folgetag kommen muss. Wer es schafft, die Wünsche des Kunden zu bedienen und zur richtigen Zeit zum richtigen Ort zu liefern, der wird auch überleben.

Amazon weiß wohl mehr über seine Kunden und dessen Wünsche als andere Paketdienstleister in der Branche. Wird es nicht eher schwer, Amazon hier zu schlagen?
Um vor der Übermacht von Amazon bestehen zu können, werden sich die Paketdienste letztlich zu Allianzen zusammenschließen müssen. Kleinere Speditionen haben es ja auch geschafft, Allianzen zu bilden, um so gegen die großen Marktteilnehmer eine Chance zu haben. Deshalb wären die Paketdienste gut beraten, zusammen eine Lösung für die letzte Meile, also die Zustellung an die Haustür, zu finden.

Derzeit ist es so, dass einmal am Tag der Briefträger kommt, dann kommt der DHL-Bote und danach vielleicht noch ein Hermes-Bote. Und wenn der Kunde nicht zuhause ist, muss der Hermes-Bote sogar noch ein zweites oder sogar ein drittes Mal kommen. Wenn der Kunde das Produkt dann wieder zurückschickt, weil es ihm nicht gefällt, kommt der Kreislauf wieder in Gang. Das ist für alle beteiligten Unternehmen ineffizient. Von den umweltpolitischen Folgen und dem Verkehrschaos ganz zu schweigen. Die einzige Lösung, die ich sehe, ist eine gemeinsame Lösung.

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