Private Abschleppdienste Die Abzocke am Parkplatz

Quelle: imago images

Immer mehr Supermärkte und Schnellimbisse lassen ihre Parkplätze von privaten Abschleppdiensten bewirtschaften. Doch die operieren mit teils höchst dubiosen Praktiken.

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Anatolii Kuvichka hantierte gerade an der Bratpfanne, als er durch das Fenster des Schnellimbisses „La Baraca“ am RAW-Gelände an der Warschauer Straße in Berlin sah, wie zwei Männer in bunten Arbeitsanzügen sein Auto auf einen Abschleppwagen zogen. Der 37-jährige Koch rannte aus dem Schnellimbiss, in dem er angestellt ist. Kuvichka sprach auf die Männer des privaten Abschleppdienstes ein und versuchte, seinen Wagen wieder zu bekommen. Vergeblich.

Die Abschlepper erklärten ihm, dass sie ihre Arbeit bereits begonnen hätten. Zudem seien sie aufgrund von Beschwerden schon zuvor zweimal gekommen, um sein Auto abzuschleppen, dass er dann aber rechtzeitig weggebracht hätte. 390 Euro forderten die Abschlepper von Kuvichka, um das Auto wieder vom Haken zu lassen. Kuvichka, der nur 130 Euro in der Tasche hatte, konnte nur zusehen, wie die Hinterachse seines Toyota Verso auf den Abschleppwagen hochgezogen wurde und die Männer mit seinem Auto davonrollten.

Dabei wäre dieser Preis sogar noch ein Schnäppchen gewesen. Noch am gleichen Abend forderte der Abschleppdienst für die Wiedererlangung des Wagens von Kuvichka insgesamt 548 Euro. Einzahlen solle er den Betrag über das Finanz-Start-Up Barzahlen.de, das die Abwicklung von Bareinzahlungen etwa in Supermärkten wie Rewe oder Penny anbietet. 

Private Abschleppdienste haben sich in den vergangenen Jahren zum Albtraum vieler Autofahrer entwickelt. Quer durch die Republik tauchen sie verlässlich dort auf, wo der Parkraum knapp ist und private Areale oft verlockend für das kurze Abstellen erscheinen. Besonders Supermärkte und Schnellimbisse lassen ihre Parkplätze immer öfters von privaten Unternehmen bewachen – und im Zweifel abschleppen.

Internetforen sind voll von Beschwerden über solche privaten Parksheriffs und deren oft exorbitanten Preise. Verbraucherschützer beklagen seit Jahren die Abzocke am Parkplatz. Anwälte strengten bereits Prozesse wegen Wucher und Erpressung an. Doch wessen Auto einmal am Haken der privaten Abschleppdienste hängt, der hat es in vielen Fällen ohnehin mit dem Graubereich der deutschen Unternehmenslandschaft zu tun. Recherchen der WirtschaftsWoche zeigen, wie dubios einige dieser Abschleppfirmen und deren Praktiken sind.

So fallen die privaten Parkraumbewirtschafter in vielen Fällen nicht nur durch Fantasiepreise auf. Das Eigenkapital mancher Firmen ist so gering, dass Zweifel aufkommen müssen, wie allfällige Schäden an den abgeschleppten Autos überhaupt bezahlt werden sollen. Auch die Identifizierung der Firmen ist nicht immer ganz einfach. Oft finden Autofahrer nur über Umwege heraus, wer ihr Auto mitgenommen hat. Am offiziellen Firmensitz finden sich mitunter überhaupt keine Büros dieser Firmen. Fraglich ist zudem das Verhältnis zwischen den Supermarkt-Ketten und den Abschleppfirmen. Profitieren Supermarktketten über die Abwicklung durch barzahlen.de gar von den Abschleppern?

Nachdem die Männer vom Abschleppservice sein Auto abtransportiert hatten, war Koch Kuvichka zunächst ahnungslos, was er nun tun sollte. Denn eine Visitenkarte oder gar eine Telefonnummer hatten die Abschlepper ihm nicht hinterlassen. Auch auf den Anzügen und dem Abschleppwagen – das belegt ein Video von dem Vorfall – war kein Firmenemblem oder eine Telefonnummer zu finden. Erst über den Hausmeister des Privatgrundstücks fand Kuvichka eine Telefonnummer der Abschleppfirma heraus.

Er nahm Kontakt zu dem Unternehmen Park Area Berlin auf. Dort erfuhr er das Prozedere, wie er seinen Wagen wiederbekommen könne. Über das Finanz-Start-up Barzahlen.de würde ihm zunächst ein Code auf das Handy zugehen. Damit könne er etwa in Supermärkten von Rewe oder Penny den Code eintippen lassen und die Rechnung bezahlen. Danach würde ihm per SMS der Standort des Autos mitgeteilt. 548 Euro forderte der Abschleppdienst für die Herausgabe des Wagens. Kuvichka verweigerte die Zahlung und versuchte stattdessen, sich direkt an die Adresse der Firma zu wenden.

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