Rundfunkbeitrag Streit um Orchester-Finanzierung

Rundfunkbeitrag: Streit um Finanzierung von Orchester Quelle: dpa

Warum WDR, SWR und Co. zwei Dutzend Symphonieorchester, Bands und Chöre unterhalten – und warum dies alles der Beitragszahler finanziert.

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So viel Empörung auf so wenigen Zeilen ist dann doch eher selten: „Mutwillen, Ahnungslosigkeit, Fehlkalkulation, Duckmäuserei“ sah die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Werk, dazu „Liebedienerei, Karrierismus, Opportunismus“. Über das „versammelte Sodom“ schimpfte die Autorin der „FAZ“ und wünschte sich keinen geringeren als den Donnergott Thor herbei. Der möge doch bitte mal den Hammer schwingen über der Stuttgarter Liederhalle.

Was das Frankfurter Blatt so in Rage versetzte, war die Ankündigung eines klassischen Konzerts. Doch spielen sollte im September 2016 in der baden-württembergischen Landeshauptstadt nicht irgendein Orchester. Was für eine Art von Klangkörper da allerdings zum Einsatz kommen würde, darüber gingen die Meinungen sehr weit auseinander. Für den Intendanten des Südwestrundfunks (SWR), Peter Boudgoust, stand der Auftritt eines „Superorchesters“ bevor. Doch für seine Kritiker wie die „FAZ“-Autorin stand fest: Was da in der Liederhalle zu erwarten wäre, das sei ein Homunculus, eine Zwangskreatur, ein musikalisches Retortenkind.

Wer daher heute wissen möchte, warum es 2019 noch immer 24 Musikensembles in dem durchaus mit allerlei Sendern, Programmen, Internetauftritten und Produktionsunternehmen üppig ausgestatteten Portfolio der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gibt, der möge sich bloß noch einmal den Proteststurm im deutschen Südwesten und weit darüber hinaus anschauen. Der hob 2012 an, als der SWR bekanntgab, zwei seiner Orchester zusammenlegen zu wollen: das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR und das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Das Vorhaben schlug in der Kulturlandschaft ein wie eine Silvesterrakete in einen Liederabend. Unvergessen sind auf den Chefetagen der Anstalten die wütenden Leserbriefe und Protest-Depeschen von 148 Komponisten und 160 Dirigenten, als der SWR 2016 die beiden Orchester miteinander verschmolz.

Kein Wunder also, dass die Anstalten im Zuge der Debatte um die Neufassung des Auftrages der öffentlich-rechtlichen Sender neben anderen Posten auch die sogenannten Klangkörper nicht zur Disposition stellen – gewaltiger Ärger wäre die Folge. So appellierte nicht zuletzt der Deutsche Musikrat an die Bundesländer, sich in der Diskussion um Einsparungen bei ARD und ZDF für den Erhalt der Orchester, Chöre und Bands einzusetzen. Diese, so der Musikrat, prägten „entscheidend das Unverwechselbarkeitsprofil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Musikrat-Generalsekretär Christian Höppner warnte gar: „Wer Hand an diese weltweit bewunderten Ensembles legt, wie es aus mancher Staatskanzleistube tönt, läutet den Anfang vom Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein.“

Kritiker sind dagegen schon seit Längerem der Meinung, dass die Beitragszahler, die dafür sorgen, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio im vergangenen Jahr rund acht Milliarden Euro allein aus den Gebühren bekamen, nicht auch noch für die Finanzierung der Anstalts-Musiker geradestehen sollten. Immerhin fließen 41 Cent von den 17,50 Euro im Monat in den Etat für die Musikensembles. Ein langjähriger Fachmann auf dem Gebiet der Rundfunkfinanzierung sagt: „Die haben sich die Anstalten damals zu einem guten Teil von den Bundesländern unterjubeln lassen.“ Dabei gebe es kein Argument, warum der Gebührenzahler auch noch für Kulturförderung zahlen müsste.

Warum aber leisten sich die ARD-Anstalten überhaupt Orchester, Chöre und Bands? Die ARD selbst begründet dies vor allem damit, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch Kulturveranstalter sein solle. Dazu trügen Orchester, Chöre und Bigbands bei. Einige der Orchester sehen zudem eine quasi historische Aufgabe und fühlen sich der Tradition jener modernen Komponisten verpflichtet, die während der Nazi-Diktatur verfemt, ins Exil gezwungen oder ermordet worden waren. Dazu, so die ARD, verschafften die Klangkörper wegen ihrer Finanzierung über den Rundfunkbeitrag auch solchen Werken öffentliche Wahrnehmung, die nicht gespielt würden, ginge es ausschließlich um ihre kommerzielle Verwertbarkeit. Auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen führt die ARD ins Feld, die Orchester führten junge Leute an klassische Musik heran.

Argumente, die auch in den Augen der Kritiker ehrenhaft sind. Fraglich bleibt jedoch, warum dies über den Obolus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschehen muss und nicht etwa aus den Kulturetats der Bundesländer oder des Bundes finanziert wird. Der Düsseldorfer Ökonomie-Professor Justus Haucap sieht das so: „Das ist nicht die Aufgabe des Gebührenzahlers“.

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