
Was macht ein Top-Manager, der gerade seinen Rücktritt erklärt hat und eine Stunde später die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahres präsentiert?
Vodafones Deutschland-Chef Jens Schulte-Bockum tat am Dienstag dieser Woche im 18. Stock der Düsseldorfer Vodafone-Zentrale so, als sei alles in bester Ordnung. Entspannt und selbstbewusst präsentierte er sein Zahlenwerk. Beim Umsatz sei die Trendwende geschafft, die Kundenzahl wachse, das Breitbandgeschäft boome, alle mit der britischen Konzernmutter „vereinbarten Ziele“ seien „übererfüllt – Umsatz, Gewinn und Cash-Flow“.
Schulte-Bockum schien mit sich im Reinen, stand demonstrativ zu seiner Strategie und zu seinem Abschied: „Vodafone wird sich positiv entwickeln – und ich werde das auch.“ Ein tieferer Blick in die Geschäftszahlen zeigt jedoch, dass seine Präsentation ziemlich aufpoliert ist. Und warum es zuletzt doch „unüberbrückbare Differenzen“ (Schulte-Bockum) mit Konzernchef Vittorio Colao und Europa-Chef Phillip Humm gab, die ihn zur Aufgabe zwangen.
Der Rücktritt von Jens Schulte-Bockum
Liebe Freunde, Kollegen und Geschäftspartner,
Dear friends, colleagues and partners,
nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, den Vorsitz der Geschäftsführung der Vodafone GmbH zum 30.6.2015 niederzulegen. Diese Entscheidung ist mir nach fast 12 Jahren erfolgreicher Tätigkeit an unterschiedlichen Stellen im Unternehmen nicht leichtgefallen. In den vergangenen Monaten wurde mir jedoch zunehmend klar, dass ich meinen Kurs der nachhaltigen Verbesserung des Unternehmens nicht umfassend umsetzen kann. Die Zeit ist nun reif, mich neuen Herausforderungen zu stellen.
Mit der Akquisition und reibungslosen Integration von Kabel Deutschland und dem zügigen Ausbau des Festnetzgeschäfts ist Vodafone in Deutschland hervorragend für die konvergente Zukunft aufgestellt. Unsere angestammte Qualitätsposition und Wettbewerbsfähigkeit im deutschen Mobilfunkmarkt ist wiederhergestellt, und das Unternehmen weist eine deutlich verbesserte Effizienz auf.
Ich bin stolz, diese Ziele seit meinem Antritt als CEO erreicht zu haben und danke meinem Team in der Geschäftsleitung und den so engagierten und leidenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich. Ich bin überzeugt, auf dieser Basis wird Vodafone zum führenden integrierten Premiumanbieter in Deutschland und schafft unseren Kunden das bestmögliche Kundenerlebnis. Allen Vodafonern wünsche ich Erfolg und Freude bei den vor ihnen liegenden Aufgaben.
Selbstverständlich stehe ich für eine geordnete Übergabe der Unternehmensführung bereit.
Ich hoffe, Sie können meine Entscheidung verstehen und respektieren und bin
mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen
Ihr
Jens Schulte-Bockum
Geschäftskunden sind nachtragend
Denn Schulte-Bockum hat es seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren nicht geschafft, die früher so reibungslos funktionierende Vertriebsmaschinerie des nach Kundenzahl drittgrößten Mobilfunkers in Deutschland wieder in Gang zu setzen. Die Londoner Konzernzentrale billigte zwar eine milliardenteure Investitionsoffensive ins Netz, mit deren Hilfe er die vielen Verbindungsabbrüche beheben wollte.
Insbesondere die Mittelständler und Selbstständigen unter den Geschäftskunden, die früher treu zu Vodafone standen, sind nachtragender als erwartet und vertrauen inzwischen mehr dem Konkurrenten mit dem derzeit besten Netz – der Telekom. Interne Marktuntersuchungen von Vodafone zeigen, wie groß der Vertrauensverlust inzwischen ist.
Bei allen für den Wert einer Marke wichtigen Kategorien (Kompetenz, Innovation, Einfachheit) liegt Vodafone heute hinter Marktführer Deutsche Telekom.
Die zehn umsatzstärksten Telekomkonzerne der Welt
AT&T (USA)
Der US-amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T Inc. war aufgrund seiner Monopolstellung in den USA und Kanada lange Zeit die größte Telefongesellschaft und Kabelfernsehbetreiber der Welt.
Umsatz: 100 Mrd. Dollar
Umsatz 2014, Werte gerundet; Quelle: Bloomberg
Verizon (USA)
Das US-amerikanisches Telekommunikationsunternehmen Verizon Communications mit Hauptsitz in New York landet mit 96 Milliarden Dollar Umsatz im Geschäftsjahr 2014 auf Platz 2.
Umsatz: 96 Mrd. Dollar
NTT (Japan)
Die Nippon Telegraph and Telefone Corporation (NTT) ist in Japan der Marktführer unter den Telekommunikationsunternehmen. Mit 81 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2014 ist das Unternehmen der drittumsatzstärkste Telekommunikationskonzern der Welt.
Umsatz: 81 Mrd. Dollar
China Mobile (China)
Nach Kundenzahl ist China Mobile Ltd. ist mit mehr als 815 Millionen Kunden (Stand: erstes Quartal 2015, eigene Angaben) der weltweit größte Mobilfunkanbieter der Welt. Im Geschäftsjahr 2014 erwirtschaftete das chinesische Unternehmen rund 79 Milliarden Dollar und landet damit auf Platz 4.
Umsatz: 79 Mrd. Dollar
Deutsche Telekom (Deutschland)
Die Deutsche Telekom AG ist eines der größten europäischen Telekommunikationsunternehmen. Mit über 150,5 Millionen Kunden (Stand: 2014, eigene Angaben) ist der Mobilfunk der größte Unternehmensbereich. Außerhalb Deutschlands bietet der Konzern Mobilfunkdienste in den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Griechenland, Rumänien und Polen an.
Umsatz: 63 Mrd. Dollar
Telefónica (Spanien)
Das global agierende Telekommunikationsunternehmen Telefónica S.A. ist vorwiegend in Europa und Lateinamerika tätig, wo der Konzern vorwiegend unter der Marke Movistar auftritt. In Europa (außerhalb Spaniens) agiert Telefónica vor allem als O2. Auf dem spanischen Heimatmarkt und in Lateinamerika ist der Konzern Marktführer.
Umsatz: 50 Mrd. Dollar
Softbank
Die Softbank K.K. ist ein führender japanischer Telekommunikations- und Medienkonzern. Das Unternehmen ist vor allem im Bereich Telekommunikation tätig und verkauft damit einhergehend auch Mobilfunkgeräte und –Zubehör. Zum breiten Portfolio zählen aber auch die Entwicklung und Vermarktung von Online-Spielen, verschiedenen Internetdienstleistungen sowie Breitband-Technologien oder E-Commerce.
Umsatz: 50 Mrd. Euro
Vodafone (Großbritannien)
Die Vodafone Group (ein Akronym aus voice, data und fone) ist ein international agierendes, britisches Mobilfunkunternehmen mit Hauptsitz in Newbury (Berkshire). Der Konzern ist auf fast allen europäischen Märkten präsent und erzielte einen Umsatz von 45 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2014.
Umsatz: 45 Mrd. Dollar
América Móvil (Mexiko)
Das mexikanische Unternehmen mit Firmensitz in Mexiko-City ist mit 289 Millionen Kunden (Stand: viertes Quartal 2014, eigene Angaben) der größte Mobilfunkanbieter in Lateinamerika. Mit insgesamt 48 Milliarden Dollar Umsatz landet es weltweit auf Platz 8.
Umsatz: 48 Mrd. Dollar
China Telecom
China Telecom Corp. Ltd. war einst ein staatseigener Monopolbetrieb und ist heute der größte Telekommunikationsanbieter in China. Mit 40 Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2014 landet die China Telecom auf Platz 10.
Umsatz: 40 Mrd. Euro
Schlimmer noch: Bei wichtigen Leistungskriterien wie Professionalität, Innovationskraft, Wertschätzung des Kunden und Wahrnehmung als Komplettanbieter von IT-, Mobilfunk- und Festnetzdiensten fallen die jüngsten Werte sogar schlechter aus als im Vorjahr.
Das Imageproblem schlägt durch bis zu den Privatkunden. Gäbe es nicht den erfolgreichen Vertriebspartner United Internet (Marke: 1&1), würde sich auch bei Privatkunden der Abstand zur Telekom vergrößern.
Vodafone-Europa-Chef Phillip Humm, einem ausgebufften Vertriebsprofi, reichten diese Alarmsignale offenbar, um einen Schlussstrich unter das Kapitel Schulte-Bockum zu ziehen. Humm will insbesondere im Mobilfunk schneller und aggressiver verlorene Marktanteile von der Telekom zurückgewinnen. Dabei hat er auch persönliche Motive.
Als Europa-Chef wäre Humm einer der potenziellen Nachfolger von Konzernchef Vittorio Colao – aber nur dann, wenn Vodafone in Deutschland wieder in die Erfolgsspur zurückfindet.
Bei der Nachfolgesuche drückt Humm jedenfalls aufs Tempo. Kaum hatte Schulte-Bockum seinen Rücktritt angekündigt, da starteten Headhunter auch schon einen Rundruf bei Vorständen von Konkurrenten. Die Einstellungskriterien sind dabei noch sehr vage: Gesucht wird derzeit eine „gute Führungskraft“. Deren erste Aufgabe dürfte sein, eine Führungskrise in der Deutschland-Zentrale in Düsseldorf abzuwenden.