Wenn der Bundesrat am Freitag über eine Verordnung zu den sogenannten Elektro-Kleinstfahrzeugen entscheidet, dann könnte es plötzlich ganz schnell gehen: Nach monatelangem Hin und Her könnten Elektrotretroller dann schon ab Juni in deutschen Städten ganz legal fahren dürfen. Nicht nur Hersteller oder Verleiher wie die US-Unternehmen Bird und Lime wittern das große Geschäft, sondern auch Versicherer hoffen auf ein neues Marktsegment. Mit der DEVK hat nun ein großer Anbieter aus Deutschland eine Haftpflichtversicherung für die E-Scooter samt Preis vorgestellt. Auch andere deutsche Versicherer bereiten sich seit Monaten auf die Zulassung der Tretroller vor, die von einer Batterie nach ein wenig Anschub auf bis zu 20 km/h beschleunigt werden.
Dass in Deutschland eine Versicherungspflicht für die neuartigen Fortbewegungsmittel bestehen wird, steht schon länger fest. Das ist anders, als es beim Fahrrad der Fall ist, und auch anders als in den meisten anderen europäischen Ländern, in denen die Scooter schon unterwegs sind, dort gibt es standardmäßig keine Versicherungspflicht. Hierzulande „deckt die private Haftpflichtversicherung die sogenannten Elektro-Kleinstfahrzeuge nämlich nicht ab“, erklärt der Versicherungsexperte Philipp Opfermann von der Verbraucherzentrale NRW. „Die E-Scooter benötigen eine Versicherungsplakette – ähnlich wie es für Mofas oder Motorroller entsprechende Kennzeichen gibt.“ An den E-Scooter wird dann zwar kein breites Kennzeichnen angebracht. Wohl aber ein kleiner – und dennoch gut sichtbarer – Versicherungsaufkleber.
Wie bei einer Haftpflichtversicherung üblich, deckt auch die verpflichtende Haftpflicht für die E-Scooter nur den Schaden eines Anderen ab: Sie greift also zum Beispiel dann, „wenn ein Scooter-Fahrer einen Fußgänger anfährt und diesen verletzt oder ein Auto beschädigt“, erklärt Opfermann.
Gothaer, Allianz, Provinzial und HUK-Coburg ziehen nach
Die Scooter-Haftpflicht der DEVK samt Aufkleber kostet ab Juni bis zum Ende des Versicherungsjahres einmalig 38,40 Euro. Voraussetzung: Der Fahrer ist mindestens 23 Jahre alt. „Jüngere Leute haben ein höheres Unfallrisiko und sind teurer unterwegs“, heißt es in einer Mitteilung des Versicherers. Deshalb zahlen Fahrer zwischen 18 und 22 Jahren für den gleichen Zeitraum einen Beitrag von 60,00 Euro. Für Fahrer bis 17 Jahre kostet die Absicherung 75,99 Euro. Der Versicherungsaufkleber ist bis zum Februar 2020 gültig, danach wird ein neuer fällig.
Wer bei einem Unfall auch seinen elektrischen Tretroller in Mitleidenschaft zieht, ist gegen diesen Schaden mit der Haftpflicht übrigens nicht abgesichert – und das kann teuer werden: Kosten Einsteigermodelle um die 400 Euro, verlangt BMW zum Beispiel für den hauseigenen Scooter X2City knapp 2400 Euro und der Fernsehhersteller Metz für seinen Moover knapp 2000 Euro. Die DEVK bietet zusätzlich zu der Haftpflicht eine Teilkasko mit 150 Euro Selbstbeteiligung für alle Scooter bis zu einem Wert von 2500 Euro an, wie man sie auch vom Auto kennt.
Die DEVK ist nicht der einzige Versicherer, der eine Police für Scooter-Fahrer anbietet. Die Württembergische hat auch ein entsprechendes Angebot vorgelegt: Hier sollen pro Jahr sogar nur 29,90 Euro fällig werden, wie aus einer Mitteilung hervorgeht – übrigens unabhängig vom Alter des Fahrers. Das bestätigte die Württembergische auf Nachfrage. Umfang des Angebots: 100 Millionen Euro Versicherungssumme pauschal für Personen-, Sach- und Vermögensschäden. Auf Anfrage der WirtschaftsWoche bestätigte allerdings auch die Allianz, ein Versicherungsangebot für E-Scooter vorzulegen, „sobald diese für den öffentlichen Verkehr zugelassen werden“. Derzeit würden noch die Risiken kalkuliert. Ein Unternehmenssprecher der Allianz gehe davon aus, „dass sich die Prämie für Privatnutzer etwa in Höhe der Moped-Versicherung bewegen wird“. Diese liegt nach Angaben des Versicherers zwischen 54 Euro im Jahr für einen 25-jährigen Mofafahrer und 86 Euro für einen 18-jährigen Fahrer.
Die Gothaer arbeite „mit Hochdruck daran, zeitnah eine Versicherung für Elektro-Kleinstfahrzeuge wie E-Scooter auf den Markt zu bringen“, sagt Frank Edelmeier, Leiter Kraftfahrt Privat- und Unternehmerkunden bei der Gothaer. „Die größten Herausforderungen liegen sicherlich in der Neuartigkeit der Scooter für alle Verkehrsteilnehmer. Dies insbesondere dann, wenn es dabeibleiben sollte, dass die Geräte schon für Zwölfjährige freigegeben werden“, sagt Edelmeier. Tatsächlich sieht die Verordnung des Bundesverkehrsministeriums eben das vor: Scooter, die nicht schneller als zwölf km/h fahren, dürfen Kinder ab zwölf Jahren fahren. Für schnellere Geräte müssen sie 14 Jahre alt sein.
Wie alltagstauglich sind die neuen Tretroller?
Auf Anfrage bestätigten auch die HUK-Coburg und die Provinzial Rheinland, eine Haftpflicht für E-Scooter anzubieten, sobald die Verordnung verabschiedet sei. Die Provinzial Rheinland orientiere sich preislich ebenfalls an den Prämien für eine Moped-Versicherung. Aus „Wettbewerbsgründen“ wollte sich die HUK-Coburg zwar nicht zu Preisen äußern. Allerdings werde es neben der Kfz-Pflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von bis zu 100 Millionen Euro auch eine Teilkasko geben, die Schäden am eigenen Fahrzeug durch Diebstahl, Raub oder Brand ersetzen soll.
Auch Sharing-Roller wollen versichert sein
Neben den privaten Scootern werden auch gerade in Großstädten viele ausleihbare Scooter unterwegs sein. Verleiher wie Bird oder Lime bereiten sich seit Monaten auf einen Marktstart in Deutschland vor. Das schwedische Unternehmen Voi hat gar schon eine Vereinbarung mit der Stadt Lübeck geschlossen. Und eine weitere mit der DEVK. Denn diese wird den Haftpflichtschutz für die Scooter von Voi garantieren.
Für das schwedische Start-up, das erst im Sommer 2018 gegründet wurde, ist eine so durchgeregelte Versicherungspflicht wie in Deutschland ungewohnt: „In den Märkten, in denen wir aktiv sind, gibt es neben Deutschland nur ein weiteres Land, das eine Versicherungspflicht hat – und das ist Dänemark“, erklärt Claus Unterkircher, der bei Voi das Geschäft im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) verantwortet. Dennoch versuche Voi in allen Märkten „freiwillig und zusätzlich“ eine Versicherung anzubieten. In Österreich arbeite das Unternehmen zum Beispiel mit der Wiener Städtischen Versicherung zusammen, erklärt Unterkircher.
Die Versicherung in Deutschland werde ebenfalls eine Deckungssumme von 100 Millionen Euro umfassen, die Schäden an Dritten abdeckt. „Sollte ein Kunde einen gemieteten Scooter aber selbst beschädigen, so muss diesen Schaden der Kunde tragen“, sagt Unterkircher. Den Preis der Versicherung werde Voi in Deutschland vorerst nicht auf den Kunden abwälzen. „Da Deutschland allerdings das erste Land ist, das die Versicherung so detailliert regelt, müssen wir auch hier neue Erfahrungen sammeln und das nach einer Zeit analysieren.“ Außerdem wittert Unterkircher noch etwas anderes: Die DEVK arbeite „sehr eng“ mit der Deutschen Bahn zusammen. „Dadurch kommen wir durch die Versicherung auch an einen möglicherweise neuen strategischen Partner heran.“
Neben der DEVK will auch die Allianz den Scooter-Verleihern einen Versicherungsschutz anbieten. Für Sharing-Anbieter „wird es deutlich teurer werden“ als für Privatkunden, teilte ein Sprecher der Versicherung der WirtschaftsWoche mit. Für die Endkunden wäre eine Lösung, wie sie Voi und der DEVK vorschwebt, am bequemsten. So könnten sie den Roller per App in der Stadt ausleihen und die Haftpflicht wäre direkt dabei.
Doch gerade für private Fahrer, die ab Juni aus einer Vielzahl an Versicherungen und auch Scooter-Modellen wählen können, hat Versicherungsexperte Opfermann von der Verbraucherzentrale NRW einen Rat: „Ich empfehle Verbrauchern dringend, die Abstimmung im Bundesrat abzuwarten und erst in den kommenden Wochen Ausschau nach Modellen zu halten, die die Anforderungen des Gesetzgebers auch erfüllen.“ Wer nun vorschnell einen vermeintlich günstigen Tretroller kaufe, der die Anforderungen aber nicht erfüllt, werde diesen dann nicht im Straßenverkehr benutzen dürfen. „Es lohnt sich, mit Neuanschaffungen abzuwarten.“ Außerdem gelte bei den Versicherungen der Scooter wie bei allen Haftplicht-Versicherungen: „regelmäßig Angebote vergleichen“.