Werbesprech

Auslaufmodell Onlinewerbung

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Flucht aus der Onlinewerbung

Galt die Onlinewerbung jahrelang als Werbe-Überflieger, hat sich inzwischen Resignation breitgemacht. Weltweit stagniert der Zufluss der Werbegelder für die ungeliebten Werbebanner. Die aktuellen Online-Werbeerlöse für die ersten beiden Monate 2018 addieren sich laut Nielsen auf 342 Millionen Euro. Sie sind damit im Vorjahresvergleich (375 Mio. Euro) um nahezu neuen Prozent eingebrochen.

Wie massiv der Rückgang der digitalen Display-Werbung wirklich ist, zeigt sich im Vergleich zur Entwicklung der übrigen Medien. 2017 sanken die Werbeumsätze der Zeitungen um 0,5 Prozent, die der Zeitschriften um 1,6 Prozent. Das Werbefernsehen dagegen wuchs um 1,4 Prozent. Damit verliert Online aktuell mehr als die angeblich sterbenden Printmedien. Das 2017 am stärksten wachsende Mediensegment war zwar ein digitales, es waren jedoch die digitalen Außenwerbe-Screens (DOOH). Deren Umsätze wuchsen um 56 Prozent.

Die digitale Displaywerbung jedoch erweist sich immer mehr als Auslaufmodell. Die Werber suchen bereits neue Spielwiesen. Social Media, das zeigt sich in diesen Wochen, ist es definitiv nicht.

Der Skandal um den Missbrauch von Facebook-User-Daten tut ein Übriges, um das Vertrauen in die Onlinemedien zu erschüttern. Waren es zunächst 50 Millionen User, deren Daten abgegriffen wurden, steigerte Facebook die Zahl zuletzt auf 87 Millionen - um dann mittzuteilen, dass durch ähnliche Datenabgriffe fast alle zwei Milliarden Nutzer betroffen sein können. Der Social Media-Gigant weiß nicht einmal, welche Daten betroffen sind. Cheryl Sandberg, Facebook‘s COO gestand: "Wir wissen bis heute nicht, was für Daten Cambridge Analytica hat."

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass die Identitäten und eine unbekannte Menge an intimsten, persönlichen Daten aller Facebook-Nutzer frei zugänglich sind. Gleichzeitig zu erfahren, dass Facebook SMS ausliest und sogar Telefonanrufe protokolliert, macht Angst vor der digitalen Zukunft. Social Media erweist sich als eine einzige, riesige Spionagefalle.

Kampfansage an die Meinungsbildung.

Volker Schütz, Chefredakteur des Branchenmagazins Horizont, verlangt nicht nur eine Reparatur bei Facebook, sondern des gesamten Internets. Er nennt den Cambridge Analytica-Skandal das „Deepwater Horizon“ der Datenindustrie und fordert eine neue Transparenz: „Wissen darüber, wer was wo und wozu sammelt - und im Zweifelsfall die persönliche Macht, Daten freizugeben oder zu sperren.“

Miriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche, geht einen Schritt weiter und schlussfolgert: „Die Handelskriege unserer Zeit drehen sich nur noch vordergründig um Materie. Der wahre Kampfplatz sind die Daten. Mit ihnen lassen sich Märkte und ganze Gesellschaften manipulieren, wie wir dieser Tage erfahren müssen. Die 87 Millionen Datenprofile, die Cambridge Analytica aus Facebook abgesaugt hat, sind kein unglücklicher Zwischenfall. Sie sind ein Systemrisiko und eine Kampfansage an den freien Markt der Meinungsbildung.“

Marketing und Werbung müssen sich, vielleicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte, der Verantwortung bewusst werden, die sie mit ihren Werbemilliarden besitzen. Es ist an der Zeit, die komplette Online-Werbung auf den Prüfstand zu stellen.

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