Werner knallhart
Ikea-Filiale Quelle: obs

Von Ikea bis Lorenz-Chips: Wenn Werber rumprollen

Das neue Ikea-Gefühl ist jetzt „geil“ und Lorenz versprüht Häme über unsere niederländischen Nachbarn. Eine witzige Werbe-Idee braucht mehr als Mut: Fingerspitzengefühl für die Kunden.

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Über Werbesprüche kann man streiten. Das freut dann meist die Werber. „König Pilsener - Das König der Biere“: In Deutschland reicht das, um einige Leute auf die Barrikaden zu treiben. Ich erinnere mich an die Diskussionen damals: Wie kann man bloß so einen schlimmen Grammatikfehler zum Werbe-Claim erheben?

Dabei stimmte an dem Spruch alles: Er ist grammatisch richtig (Es ist eben das Bier mit Markennamen König), rechnet aber mit der Überraschung beim Hörer, der als Superlativ bislang nur „der König“ kennt und der Claim positioniert das Bier mit König als dem obersten Herrscher als Premiumprodukt. Da gibt es nichts zu meckern. Dass doch gemeckert wurde, machte den Spruch noch besser. Man sprach halt drüber.

Spannend wird es auch, wenn Werbetreibende den Auftrag erhalten, das Image eines Unternehmens neu auszurichten. „Schlecker - for you vor Ort“. Dieser Wortwitz passte ja nun so gar nicht zu dieser miefigen Drogerie-Kette. Lachen und Schlecker. Das ging im Kopf nicht zusammen. Da war der Claim weiter als der ganze Laden.

Im Moment stellt sich Ikea imagemäßig offenbar auch neu auf. Für Leute, die das Unternehmen seit vielen Jahrzehnten kennen, fühlt sich das komisch an. Bislang war Ikea in meiner Wahrnehmung immer der sanfte, vernünftige Riese mit dem Blick nach vorne. Preiswerte aber richtungsweisend moderne Möbel, die sich von vielen Designerstücken teurer Hersteller erst beim genaueren Blick auf die Verarbeitung unterscheiden – wenn überhaupt. „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ Ikea-Einrichtung als Ausdruck eines entspannten Lebensstils.

Jetzt heißt es: „Mit Deko ist geiler.“ Die Kampagne überspannt gerade Deutschland. Aber als ich zum ersten Mal las: „geiler“, dachte ich: Hat Ikea das jetzt nötig?

Ich meine, ich sage selber auch „geil“. Jeder sagt „geil“. Wenn er meint, dass etwas gerade geil ist. Aber Ikea hat bislang niemals „geil“ gesagt. Das passt nicht zu denen. „Geil“ passt nicht zu gemütlichem Wohnen.

Und Ikea überspannt den Bogen noch weiter. Auf der Website stehen Sprüche wie: „Mit Accessoires ist geiler.“ Und darunter abgebildet dann ein kuscheliges Sofa mit bunten Kissen, wie es auch bei meiner 78 Jahre alten Tante stehen könnte.

„Mit Behaglichkeit ist geiler.“ Hä? Behaglichkeit ist doch nicht geil. Behaglichkeit ist Geborgenheit, Gemütlichkeit, Ruhe, Frieden. All das ist schön. Geil ist etwas, was einen überwältigt, so, dass man sich dazu hinreißen lässt, es mit Kraft zu loben: „Geil!“
Dazu kommt bei diesem Ikea-Spruch dieses Spiel mit der Grammatik. „Mit Behaglichkeit ist geiler“, statt: „Mit Behaglichkeit ist es geiler“. Das klingt umgangssprachlich. Aber es klingt eben auch etwas unüberlegt und schlicht. Wie ein nach zwei, drei Bier rausgeprollter Satz am Grill. Fehlt noch ein „ich schwör“ am Ende.

Darunter dann schreibt Ikea den Text: „Sommer ist, der Sonne nicht nur beim Untergehen, sondern auch beim Aufgehen zuzugucken.“ DAS ist das Ikea, was wir kennen. Das lebensfrohe, unbeschwerte, genießerische. Offenbar hat man das „geiler“ überall draufgeflantscht und die restlichen Texte nicht drauf abgestimmt. Gut so, so kann man alles wieder einfach rückgängig machen.

Gefühlt bio ohne Bio-Zertifikat

Apropos prollig. Völlig daneben positioniert sich derzeit der Chips-Produzent Lorenz mit einem Gewinnspiel auf seinen Naturals-Chipstüten. Da passt aber auch gar nichts. Mit den Naturals-Chips setzt der hessische Hersteller auf „natürliche Zutaten“ – irgendwie gefühlt bio ohne Bio-Zertifikat. Lecker sind die Dinger. Mit originellen Geschmacksrichtungen wie Rosmarin oder Parmesan.

Und jetzt das Gewinnspiel. Auf einem Aufkleber vorne auf der Tüte steht: Gewinn mich. 1x MINI Clubman mit Wohnwagen, 33 Gazelle Holland Rad.

Und jetzt kommt’s! Darunter steht: „Ohne Holland fahren wir zur WM? Aber natürlich.“

Da weiß man gar nicht, worüber man zuerst den Kopf schütteln soll.

1. Stellen Sie sich vor, Sie trinken im Spätsommer in Holland ein Bier und da seht auf der Flasche Heineken: „Deutschland ist nicht Weltmeister geworden, deshalb jetzt 20% Rabatt.“ Muss man das hier länger besprechen? Es ändert auch nichts daran, dass „Ohne Holland fahr´n wir zur WM“ ein etablierter Fangesang ist. Es ist eben eine Provokation von Fans. Als Anlass zu einem Gewinnspiel auf Chips eines deutschen Herstellers ist es Ausgrenzung auf die prollige Tour. Haben Sie von einem anderen namhaften Hersteller schon mal gelesen, dass er die sportliche Niederlage anderer Nationen als freudige Gelegenheit für Sonderaktionen heran zieht? Super peinlich!

2. Den Holland-Spruch als Frage zu formulieren, um sie dann mit „aber natürlich“ zu beantworten, ist einfach nur platt. Weil Naturals ja natürlich sind. Eine solche Idee einzureichen, würde ich keinem Praktikanten raten.

3. Die Gewinne: Holland-Räder. Gähn. Und ein Wohnwagen. Haha! Der Wohnwagen hat auf der Abbildung vorne drauf eine große Deutschlandflagge drauf. Denn es ist zwar ein Wohnwagen-Witz mit Holland-Klischee, aber Deutschlandflaggen ziehen zu WM-Zeiten besser.

Und zu guter Letzt vergrätzt Lorenz auch noch die deutschen Fußball-Patrioten mit den Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels, verdeckt auf der Innenseite des Aufklebers: „Für die Gewinnausgabe ist der Original-Sticker und der Original-Kassenbon bitte aufzubewahren und auf Anfrage ggf. einzusenden.“ Den Kassenbon! Hier will sich Lorenz wohl gegen Missbrauch durch Hacker wappnen. Aber es ist ja absurd. Man stelle sich eine wilde WM-Party im Sinne von Lorenz vor: Alle stehen vor dem riesigen Fernseher im Garten, gröhlen „Ohne Holland fahr´n wir zur WM“, fressen ohne Ende Naturals-Chips und einer steht in der Ecke und ruft: „Habt ihr noch die Kassenbons von den Chips? Sonst könnt ihr keinen holländischen Wohnwagen mit deutscher Fahne gewinnen!“

So positioniert Lorenz also seine Chips mit natürlichen Inhaltsstoffen. Der eine oder andere sollte sich überlegen, das nächste Mal eine Werbeagentur zu Rate zu ziehen. Ich kaufe mir lieber die Dillchips bei Ikea. Die Firma lacht noch nicht öffentlich über andere Nationen. Und die Dillchips sind wirklich geil.

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