Wohnungsbautag Das fragwürdige Versprechen von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr

Die Neubauziele der Ampelregierung und der Bundesbauministerin Klara Geywitz sind mehr ambitioniert, womöglich gar nicht zu schaffen, moniert die Immobilienbranche. Quelle: imago images

Die Bundesbauministerin will jährlich 400.000 neue Wohnungen, die Bundesregierung stellt aber gleichzeitig für die Branche wichtige Förderungen ein. Dadurch können allein 145.000 neue Wohnungen nicht gebaut werden. Die Branche protestiert.

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„Wohnen das ist ein Menschenrecht“, zitierte die neue Bundesbauministerin Klara Geywitz im Januar bei einer Bundestagsdebatte aus dem internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. „Es ist gerade kein Luxus für wenige, sondern Lebensgrundlage für alle.“ Um die zu sichern verfolgt Geywitz ein ambitioniertes Vorhaben: Jährlich sollen in Deutschland 400.000 Wohnungen neu gebaut werden, davon 100.000 Sozialwohnungen.

Doch nach dem Hin und Her zum KfW-Förderstopp, dem Auslaufen des Baukindergelds und weiterer Förderungen, blickt die Baubranche immer skeptischer auf das Versprechen der Ministerin. Der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr sei in dieser Legislaturperiode nicht zu erreichen, schreibt der Rat der Immobilienweisen in einer Studie. (Mehr über den Bericht der Immobilienweisen lesen Sie hier.) Diese Einschätzung teilt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Das Ziel sei zu hoch angesetzt, heißt es in seinem Gutachten zur Bewertung des Ampel-Koalitionsvertrags. Die Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus auf jährlich 100.000 Wohnungen sei zudem zu teuer.

Felix Pakleppa, Geschäftsführer beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) verweist auf die Zahlen: 2021 seien gut 315.000 Wohnungen fertiggestellt worden. Da habe es allerdings noch das Baukindergeld und die KfW-Förderungen für den Energieeffizienzstandard 55 gegeben. „Die Zuschüsse sind alle weggefallen, deshalb ist es sehr ambitioniert zu glauben, dass wir ohne staatliche Förderung 30 Prozent mehr Wohnungen bauen“, sagte er auf dem Wohnungsbautag der Bau- und Immobilienverbände.

145.000 Wohnungen können nicht wie geplant gebaut werden

Im Januar gab Robert Habeck überraschend den vorzeitigen Stopp für die KfW55-Förderungen bekannt – das sind solche Häuser, die nur 55 Prozent an Energie verglichen mit normalen Häusern verbrauchen. Dass das Programm gestoppt wird, war bekannt. Bauherren waren jedoch davon ausgegangen, dass sie ihre Anträge noch bis Ende Januar würden einreichen können. Die Fördergelder waren allerdings deutlich früher aufgebraucht, Habeck sah keine andere Möglichkeit, als das Programm vorzeitig zu beenden.

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von Martin Gerth

Nach einigem Hin und Her ging er ein Stück auf die Bauherren und Immobilienunternehmen zu: Anträge, die noch vor dem 24. Januar eingereicht worden sind, werden noch bearbeitet. Trotzdem bleiben viele Immobilienunternehmen auf hohen Kosten sitzen: Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) etwa spricht von 2000 bezahlbaren Wohnungen, deren Neubau durch den Förderstopp bedroht sei. Den Mitgliedsunternehmen seien über 50 Millionen Euro verloren gegangen, da die Projekte schon weit fortgeschritten waren, so der VNW. Nun rät der Verband sogar zu Schadenersatzklagen. Das gleiche empfiehlt der bayerische Wohnungswirtschaftsverband (VdW) und auch der Bundesverband Feier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) prüft rechtliche Schritte gegen den Förderstopp. Auf den Bund könnten also einige Klagen zukommen.

Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW) spricht von insgesamt 145.000 Wohnungen, die im Zuge des Förderstopps auf die nächsten vier bis fünf Jahre nicht gebaut werden können. 75.000 Wohnungen, die im EH-55-Standard gebaut worden wären und auch 70.000, die im EH-40-Standard gebaut werden sollten. Die Förderung des Energiestandards 40 wird zwar nicht eingestellt, aber halbiert und auf eine Milliarde Euro gedeckelt. Über die Hälfte der GdW-Unternehmen musste seine Bau- und Sanierungspläne im Zuge des Förderstopps verschieben, fast ein Viertel seine Neubaupläne komplett streichen.

Lesen Sie auch: Die Lehren aus Robert Habecks KfW-Förderstopp

Auch die großen Immobilienunternehmen warnen: Die Regierung müsse dringend handeln und rasch neue Fördermittel bereitstellen, heißt es etwa von Vonovia. „Mit dem Ende der KfW55-Förderung liegen viele klimafreundliche Bauprojekte nun erst einmal auf Eis. Das ist weder im Einklang mit den Klimazielen, noch passt es zu dem Vorhaben, schnell viel neuen Wohnraum zu schaffen.“ Das Wohnungsunternehmen LEG spricht vom „abrupten Förderstopp“ als „denkbar schlechtes Signal an die Branche“. Und der nordrhein-westfälische Wohnungskonzern Vivawest sorgt sich um über 6000 Wohnungen, die er bis 2026 bauen wollte. „Mit Blick auf die Planungssicherheit hoffen wir bei der Ausrichtung der neuen Förderstruktur auf eine schnelle Entscheidung der Bundesregierung, um die Umsetzung weiterer Vorhaben nicht zu gefährden“, so Vivawest.

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Die Zeichen stehen also nicht gut, dass die Baupläne der Ampel erreicht werden. „Das ist ein katastrophales Signal für die Klima- und Wohnungsbauziele der Bundesregierung. Sie sind unter den aktuellen Umständen nicht erreichbar“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des GdW. Der Stopp der Förderungen beeinflusse auch unmittelbar die Mietpreise: zwei bis vier Euro pro Quadratmeter und Monat könnten dazukommen, wenn die EH-40-Förderung aufgebraucht ist. Lebensgrundlage für jeden? Dann sollte Klara Geywitz noch einmal nachjustieren.

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