Allianz steigt aus Kohle-Geschäft aus Wie Anleger die Märkte grüner machen

Die Allianz will künftig nicht mehr in Kohleenergie investieren. Der Schritt ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Anleger aus den Aktien von Kohle- und Öl-Konzernen flüchten – und die Wirtschaft schneller verändern als jeder Politiker.

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Braunkohle Tagebau Anlageberater RWE Quelle: David Klammer für WirtschaftsWoche

Tief im Westen Deutschlands, zwischen Aachen und Köln, liegt das Braunkohle-Tagebaugebiet Inden. Jährlich fördert der Energiekonzern RWE hier 22 Millionen Tonnen des fossilen Gesteins. Wenn Thomas Streuer-de Haan zu seinen Kunden fährt, hat er die riesigen Wolken immer vor Augen, die der angrenzende Kohlemeiler in die Atmosphäre pustet. Streuer-de Haan ist mit der Kohle aufgewachsen. Sein Großvater arbeitete im Tagebau. Er litt wie so viele im Revier an einer Staublunge. Man nahm das hin, hier im Westen; die Kohle sorgte für Arbeit und Wohlstand. Bis heute hat sich daran wenig geändert.

Für den Enkel aus dem rheinischen Würselen passt das schmutzige Geschäft mit dem fossilen Gestein dennoch nicht mehr in die Zeit: „Die Kohle- und Ölförderer sind Dinosaurier, die vor dem Aussterben stehen“, sagt er. Seinen Kunden rät er deswegen seit einiger Zeit: Legen Sie Ihr Geld nicht mehr in Kohle und Öl an. Der 47-Jährige sagt: „Ich frage sie, ob sie mit ihrem Geld diese Industrie noch stärker machen wollen.“ Die meisten wollten das nicht. Sie investieren dann lieber woanders.

Und dort sind sie in guter Gesellschaft. Jetzt wurde bekannt, dass Deutschlands Versicherer Nummer 1, die Allianz, aus dem Kohle-Geschäft aussteigt. Andreas Gruber, Chefinvestor des Versicherers, sagte dem ZDF am Montag: "Wir werden nicht mehr in Bergbau -und Energieunternehmen investieren, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes beziehungsweise ihrer Energieerzeugung aus Kohle generieren." Der Abbau werde über die nächsten sechs Monate per Aktien erfolgen, bei festverzinslichen Anlagen will die Allianz bestehende Investments auslaufen lassen. Die Allianz ist überzeugt, dass sich Investitionen in die Klimakiller künftig nicht mehr rechnen.

Der Allianz-Ausstieg ist nur das jüngste Zeichen eines leisen Wandels, der sich seit Monaten an den Aktien- und Anleihemärkten weltweit vollzieht: Kleine und große Investoren ziehen sich aus Investments in fossile Energieträger wie Kohle und Öl zurück. Warren Buffett hat seine Anteile am US-Ölriesen ExxonMobil abgestoßen. Zu den Aussteigern gehören auch der Norwegische Staatsfonds sowie die Universitätsstiftungen Stanford und Oxford, jeweils Verwalter vieler Milliarden Euro. Der französische Versicherungskonzern Axa verkauft bis Ende des Jahres seine Investments in Kohlekonzerne in Höhe von einer halben Milliarde Euro. In Deutschland will die Stadt Münster Investments in fossile Energieträger aus den städtischen Pensionsfonds verkaufen.

Sie alle tun das nicht, weil sie plötzlich zu radikalen Ökos mutiert wären, sondern aus Angst um den Wert ihrer Anlagen. Denn nach Jahren des Zögerns und Zauderns scheint die Politik der großen Industriestaaten den Klimaschutz plötzlich ernst zu nehmen. US-Präsident Barack Obama will die Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen (CO2) zum Markenzeichen seiner letzten Amtsmonate machen, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den G7-Staaten eine Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft aufgedrängt, und auf dem UN-Klimagipfel in Paris Ende des Jahres wollen sich die Regierungschefs zu strengeren Klimazielen verpflichten. Zwei Drittel der Vorräte an Öl, Gas und Kohle müssten im Erdreich bleiben, um das Ziel zu erreichen, schätzt der Weltklimarat IPCC.

Aus diesen Gründen schwitzt die Erde

Was sind Ölriesen wie ExxonMobil und Kohleverstromer wie RWE oder E.On noch wert? „Es stehen gewaltige Abschreibungen bevor, wenn ein Großteil der fossilen Reserven nicht mehr genutzt werden darf“, sagt der Vermögensverwalter Jochen Wermuth. Jane Ambachtsheer, Chefin des Nachhaltigkeitsteams der Großanleger-Beratung Mercer, erwartet, dass die größte Umwälzung am Kapitalmarkt schon in den nächsten zehn Jahren anstehen werde. „Aktive Vermögensverwalter sollten ihre Branchengewichte im Depot überprüfen und den Bedrohungen durch den Klimawandel anpassen.“ Wie riskant Investments in fossile Energie sind, erlebte diese Woche erst der Finanzinvestor KKR. Dessen Öl-Förder-Beteiligung Samson, vor einigen Jahren für etwa sieben Milliarden Dollar übernommen, meldete Bankrott an.

Der Chef der Bank of England, Mark Carney, warnt bereits vor einem Schock an den Finanzmärkten wegen Bewertungsänderungen bei den großen Ölförderern - sowohl am Aktienmarkt wie mit Blick auf die großen Ölförderländer auch am Staatsanleihemarkt.

Doch bedeutet der Ausstieg der Anleger tatsächlich das Ende der großen Ölkonzerne? Und hat der Trend zur Dekarbonisierung der Anlagenportfolios womöglich die Kraft, die der Politik bisher fehlt, die Ökobilanz der Welt zu verändern?

London: Der Exölmanager

Die Wege des Herrn sind unergründlich (Römer 11, 33–36). Warum also sollte nicht ein ehemaliger Ölmanager an der Spitze der Church of England (CofE) einer der Pioniere beim Verkauf von Investments in fossile Energieträger sein? Vor seiner Priesterweihe arbeitete Justin Welby elf Jahre in der Ölindustrie beim französischen Mineralölmulti Elf Aquitaine und der britischen Enterprise Oil. Unter seiner Führung als Oberhaupt der Anglikanischen Kirche (85 Millionen Gläubige in 165 Ländern) beginnt die Kirche sich seit diesem Jahr aus Investitionen in fossile Brennstoffe zurückzuziehen – teilweise.

Als CO2-Schleudern hat Edward Mason, Leiter der Abteilung für Ethische Investitionen der Kirche, 13 Unternehmen ausgeguckt, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit dem Abbau von Kohle oder der Gewinnung von Energie aus Ölsanden erzielen. „Das sind die schlimmsten Umweltsünder“, sagt Mason. „Der Klimawandel ist das dringlichste moralische Thema unserer Welt.“ Und Glaubensbruder und Vize-Investor Pastor Richard Burridge betont, bei der Anglikanischen Kirche spielten christliche und biblische Werte auch bei Investitionen eine wichtige Rolle. „Im Hinblick auf den Klimawandel ziehen wir deshalb vor allem die Rolle des Menschen in der Schöpfung, seine Aufgabe als Bewahrer der natürlichen Ordnung unseres Planeten heran.“

DAX Footprint

Das Anlageportfolio der Anglikanischen Kirche ist 6,7 Milliarden Pfund schwer und soll etwa fünf Prozent Rendite pro Jahr abwerfen. 2014 erreichten die kirchlichen Fondsmanager 14 Prozent, in den letzten 30 Jahren waren es durchschnittlich knapp zehn Prozent pro Jahr.

Die Entscheidung, Aktien wegen ihrer Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Kirche zu verkaufen, ist für die Fondsmanager der CofE nur der allerletzte Schritt. „Eigentlich ziehen wir es vor, auf die Energie- und Rohstoffkonzerne Druck auszuüben, damit sie ihre Umweltstandards verbessern. Nur wenn sie sich nicht ändern wollen oder können, entscheiden wir uns zum Ausstieg“, sagt Burridge.

Die Mineralölkonzerne BP und Royal Dutch Shell allerdings bleiben mit zusammen über 110 Millionen Euro Depotwert Schwergewichte. Die Kirche hofft, die beiden Ölmultis zu umweltfreundlicherem Verhalten zu zwingen. „Die Mineralölkonzerne haben wir gewarnt, dass unsere Unterstützung für das Management nicht bedingungslos ist“, sagt Mason.

Aus diesem Grunde brachte die Church of England dieses Jahr erstmals bei der Hauptversammlung der beiden Konzerne erfolgreich Resolutionen ein, die von denen konkrete Pläne zum Kampf gegen den Klimawandel verlangen.

Kiel: Der Klimaforscher

Ein rationaler Wissenschaftler, der die Dinge genauso sieht wie die Theologen der Anglikaner? Auch solche Allianzen schmiedet der Kampf gegen die Klimakiller an den Kapitalmärkten.

Der Klimawandel verändert den Weinanbau
Bei vier Grad Erwärmung lägen die Bedingungen der Champagne in England.
An der Südküste Australiens würde die Weinqualität leiden.
Auch in den USA würden sich die idealen Anbaugebiete verlagern.
Und in Neuseeland würde es für Weinanbau im Norden zu heiß.

Mojib Latif ist Klimaforscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er sagt: „Bis jetzt haben die Klimagipfel mit den vielen Ankündigungen nichts gebracht. Seit Beginn der Verhandlungen steigen die Kohlendioxid-Emissionen.“ Immer mehr fossile Energieträger wie Kohle und Öl würden verbrannt. Ausgerechnet ein deutsches Unternehmen, der Energieversorger RWE, zähle zu den größten CO2-Emittenten unter den europäischen Stromerzeugern. „Es ist höchste Zeit, diese Kraftwerke abzuschalten“, fordert Latif. Gerade in Deutschland, wo mit Wind und Sonne nachweislich eine Alternative zu den fossilen Brennstoffen vorhanden sei.

In Deutschland sei die Energiewende zwar schon gut vorangekommen. Immerhin habe es das Land geschafft, die erneuerbaren Energien bezahlbar zu machen. Gleichzeitig aber hielte die Bundesregierung die heimischen Braun- und Steinkohlekraftwerke mit Subventionen weiter am Leben.

Anleger bewegen mehr als Politiker

Der 60-Jährige warnt seit Jahrzehnten vor den Folgen und Risiken des Klimawandels durch ständig steigende Emissionen von Treibhausgasen. Deshalb hofft der Wissenschaftler auf die Investoren, die nun anfangen, ihre Portfolios umzuschichten und Investments aus Öl und Kohle abzuziehen. Der Kapitalmarkt könne beim notwendigen Strukturwandel in der Energiewirtschaft eine wichtige Rolle spielen. „Klar, den Investoren geht’s um ihre Rendite. Aber, wenn die erkennen, dass sich ihre Investments in die fossilen Energien wegen der Klimakrise nicht mehr lohnen, und stattdessen hoffentlich in erneuerbare Energien investieren, dann beschleunigen sie den Strukturwandel und befördern damit das Ende des fossilen Zeitalters“, sagt Latif.

Die Zeit drängt. Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur soll auf maximal zwei Grad begrenzt werden. „Wollen wir das Ziel noch schaffen, müssen wir die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts halbieren und bis zum Ende des Jahrhunderts praktisch auf null kommen. Technisch ist das möglich“, sagt Klimaforscher Latif. „Die Frage ist, wollen wir das wirklich?“

Aachen: Der Anlageberater

Coca-Cola, Apple und Co. kämpfen gegen den Klimawandel

Anlageberater Streuer-de Haan fährt mit den besten Voraussetzungen für ein harmonisches Beratungsgespräch zu seinem langjährigen Kunden Manfred Lieber nach Aachen. Vor Jahren legte Ingenieur Lieber sein Geld noch dort an, wo es ein paar Prozentpünktchen mehr Zinsen gab. Dann traf er Streuer-de Haan, der ihm erklärte, er könne sinnvoller investieren. Lieber hat es nicht bereut. Sein Depot hat sich gut entwickelt. Es enthält unter anderem eine Mischung verschiedener Nachhaltigkeitsfonds, bei denen Kohleinvestments verpönt sind.

Der Pioneer Global Ecology und der Prima Global Challenges haben seit August 2010 pro Jahr im Schnitt elf Prozent zugelegt. Sie konzentrieren sich auf Aktien von Unternehmen, die mit erneuerbaren Energien Geld verdienen und Technologien bieten, die den Energieverbrauch reduzieren können oder Ressourcen schonen.

Auch beruflich beschäftigt sich Lieber mit dem Klimawandel. Mit seiner Projektgesellschaft arbeitete er etwa an einem Forschungsvorhaben für die Ruhrgebietsregion Emscher-Lippe und untersuchte, welche Folgen der Klimawandel bis zum Jahr 2070 für die Region haben könnte.

Zudem, da ist sich Lieber sicher, die Rechnung mit der vermeintlichen Wirtschaftlichkeit fossiler Energiestoffe so eine Sache ist. Günstig seien die weder für die Depots ihrer Anleger noch für die Volkswirtschaft als Ganzes. Er verweist zum Beleg auf die Ewigkeitskosten. „Auch wenn im Ruhrgebiet keine Steinkohle mehr gefördert wird, muss unter hohem Energieeinsatz kostspielig Wasser abgepumpt werden, sonst stehen Teile des Ruhrgebiets unter Wasser.“ Die Gewinne der Aktionäre von früher sind in dem Fall die Verluste des Steuerzahlers von heute.

So sehen Obamas Pläne zur CO2-Reduzierung aus

Und auch für den Anleger von heute ist die Rechnung nicht zwangsläufig positiv. Streuer-de Haan kann seinem Kunden zeigen, wie schlecht es im Depot ausgesehen hätte, wenn er den größten US-Steinkohleförderer, Peabody Energy, im Portfolio gehabt hätte. Die Aktie hat in einem Jahr 90 Prozent an Wert verloren. Wenig besser sieht es am Ölmarkt aus: Weil sich die großen Förderländer, auch aus Angst vor schnellen politischen Restriktionen, seit Monaten einen Ausverkaufswettlauf bieten, befindet sich der Ölpreis auf rekordverdächtig niedrigem Niveau.

Die US-Ölmultis ExxonMobil und Chevron haben vor allem deswegen das zweite Quartal 2015 schlecht abgeschlossen. Die Aktien verloren auf Euro-Basis seit Januar 10 beziehungsweise 19 Prozent. Der weltweite Aktienindex von MSCI legte dagegen um zehn Prozent zu. Auch die deutschen Energieriesen wie E.On und RWE büßten in den vergangenen Jahren aufgrund der Energiewende in Deutschland an Performance ein. E.On verlor seit Anfang des Jahres rund 19 Prozent, die RWE-Aktie sogar 38 Prozent. Der Dax legte in der gleichen Zeit um elf Prozent zu.

Fernöstliche Marktbereinigung

„Dafür erzielen Solar- und Windenergieunternehmen, die man tendenziell als riskanter einschätzen könnte, nach internationalen Marktbereinigungen aus Fernost nachhaltige Gewinne“, erklärt Streuer-de Haan seinem Kunden. In den vergangenen Jahren hielten viele dem Kostendruck aus China nicht stand und verschwanden vom Markt, die verbleibenden profitieren jetzt von der Klima-Debatte.

US-Milliardär Bill Gates plant, seine Investments in erneuerbare Energien in den kommenden fünf Jahren auf zwei Milliarden Dollar zu verdoppeln. Versicherer Axa verdreifacht seine Investments in Solar- und Windenergie auf drei Milliarden Euro. Deswegen laufen Aktien von Windrad- und Solarherstellern trotz des niedrigen Ölpreises gut. Mit nachhaltigen Geldanlagen seien seine Kunden deshalb gut gerüstet für die Zukunft, ist sich der Berater sicher.

Zürich: Der Banker

Fünf Wege in die Unabhängigkeit
Haus mit Solarzellen auf dem Dach Quelle: obs
Fotovoltaik Wärmepumpe Batterie Windrad Schema im Haus
Fotovoltaik Wärmepumpe Batterie Schema Haus
Sonnenkollektor Fotovoltaik Batterie Schema Haus
Kollektor Fotovoltaik Batterie Blockheizkraftwerk Schema Haus
Brennstoffzelle Schema Haus

Bankier Reto Ringger kann den vermögenden Kunden seiner Globalance Bank nicht vorschreiben, dass sie im Alltag Energie sparen sollen oder vom Auto in die Straßenbahn umsteigen. Der Pionier der nachhaltigen Geldanlage in der Schweiz will es den Anlegern möglichst bequem machen: Sie können online prüfen, welchen Fußabdruck („Footprint“) ihre Zusammenstellung aus Aktien, Anleihen, Fonds oder Gold in der Welt hinterlässt. Beurteilt werden die Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Beim Umweltthema geht es um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und konkret um den Einfluss des Investments auf den Verbrauch von Land und Wasser sowie Abfälle und Treibhausgas-Emissionen.

Für den Anleger wird alles grafisch aufbereitet: Unternehmens- oder Fondsnamen in grünen Kästchen sind gut für die Welt, rote sind schlecht. Wäre der Deutsche Aktienindex Dax ein Depot, hätten von den 30 Aktien im Index Allianz, Deutsche Börse, SAP und Münchener Rück Bestnoten, also einen „sehr stark positiven“ Einfluss beim Footprint.

Dagegen werden zwölf Werte, darunter BASF, Bayer, Continental und RWE, als stark nachteilig einsortiert. „Energieversorger RWE ist ein Beispiel dafür, dass ein schlechter Footprint auf unterschätzte wirtschaftliche Risiken hindeutet“, sagt Ringger. Autoriesen wie BMW, Volkswagen und Daimler landen im Mittelfeld und stehen für einen ausgeglichenen Footprint in grauer Farbe.

Kohleproduktion

Die im Jahr 2011 gegründete Bank hat bislang neben der Zentrale in Zürich noch keine Filialen, aber ein Markteintritt in Deutschland werde geprüft, sagt Ringger. Die Bank ist nicht Ringgers erste Idee, mit der er den Finanzmarkt umkrempeln will. Im Jahr 1995 gründete er Sustainable Asset Management, die erste auf Nachhaltigkeit konzentrierte Fondsgesellschaft in der Schweiz, die er 2008 an den niederländischen Vermögensverwalter Robeco verkaufte. 1999 war er einer der Urheber des Dow Jones Sustainability Aktienindex, in den weltweit Aktiengesellschaften aufgenommen werden, die in ihrer Branche zu den besonders nachhaltigen zählen. Der Index ist in Verruf geraten, weil auch BP zu den Indexmitgliedern gehörte, als sich 2010 die Bohrinsel-Katastrophe im Golf von Mexiko ereignete.

Am Finanzmarkt führten Nachhaltigkeitsindizes lange ein Schattendasein. Jetzt sind sie im Trend. „Wir stellen fest, dass die jüngere Generation der Erben mit ihrem Vermögen etwas bewirken will“, sagt Ringger. Technologisch ist die Datenauswertung zu Umweltthemen längst kein Problem mehr. Führende Datenanbieter wie MSCI oder Bloomberg sammeln die Informationen inzwischen selbstverständlich.

Aus den jährlichen Unternehmensberichten lässt sich meist entnehmen, wie es um den jährlichen Strom-, Öl- und Gasverbrauch steht, und auch die Fortschritte bei der CO2-Vermeidung sind messbar.

Lebenstraum mit geschäftlich interessanten Perspektiven

In Zürich spezialisieren sich viele Finanzexperten auf das Thema Nachhaltigkeit. Dienstleister wie die South Pole Group, RepRisk oder Carbon Delta filtern Nachhaltigkeitskriterien aus Unternehmensdaten und bereiten sie auf. So kommen etwa Rankings zustande, die aus den Reserven von Kohle- und Ölfirmen deren potenzielle CO2-Belastung ermitteln, und das wiederum kann für neue Aktienindizes genutzt werden, die mit niedrigen Karbon-Werten um Anleger buhlen, wie der Amundi Global Low Carbon. Die Unternehmen darin sollen nur halb so viel Kohlendioxid ausstoßen wie die im Weltaktienindex MSCI. Je engmaschiger die Beurteilung von Umweltfolgen wird, desto schwerer haben es die Kohle- und Ölkonzerne.

Luxemburg: Der Profianleger

Alexander Funk hat gerade Rückenwind. Auf seinem Eigenheim liefert die Solaranlage ordentlich Strom. Im Portfolio des von Fondsmanager Funk gemanagten Aktienfonds Ökoworld Ökovision Classic, entwickelten sich ausgewählte Solarwerte wie Solaredge und SMA Solar ebenfalls gut. Schon 13 Prozent plus in diesem Jahr konnte Funk mit seinem Team erzielen, in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt zwölf Prozent pro Jahr. „Erzeugen wir künftig den Strom selbst und speichern ihn auch noch in hauseigenen Batterien, werden fossile Energieträger überflüssig“, sagt Funk. Er arbeitet für Ökoworld, die 1995 von Alfred Platow in Luxemburg gegründeten Fondsgesellschaft, die sich als erste in Europa auf Nachhaltigkeit spezialisierte.

Solarstrom für den Hausgebrauch
Sonne im GlasDie Bürger von Schilda wollten das Sonnenlicht einst mit Eimern einfangen und damit ihr fensterloses Rathaus erleuchten – so eine der Sagen von Till Eulenspiegel. Mit diesem umdisponierten Einmachglas wird das Märchen endlich wahr: Einfach das Behältnis in die Sonne stellen und abends den Deckel verschließen – schon erstrahlt feines Solarlicht. Das Geheimnis: Das Glas enthält Solarzellen und einen Akku, dessen Strom eine Leuchtdiode fünf Stunden aufleuchten lässt.Sun in a Jar Quelle: Presse
Doppel-Pack für den HybridWeil gleich zwei Solarquellen die Batterie des C-Max Solar Energi von Ford mit Elektronen auffüllen, soll der Plug-in-Hybrid mit Verbrennungsmotor ganz ohne Kabel und Stecker auskommen. Er lädt sozusagen während der Fahrt – sofern die Sonne scheint. Das Konzeptfahrzeug hat zum einen klassische Siliziumzellen auf dem Dach. Zum anderen ist es mit sogenannten Konzentratorzellen bestückt, die das Sonnenlicht wie ein Brennglas bündeln. Das soll die Ladegeschwindigkeit verachtfachen.C-MAX Hybrid Energi Quelle: Presse
Paddelboot für FauleLass mal die Sonne ran! Kann sich sagen, wer mit einem Elektro-Kajak von Klepper auf Flüssen und Seen unterwegs ist. Zwei Solarmodule mit zusammen 60 Watt Leistung treiben das Boot bei Sonnenschein mit Paddelgeschwindigkeit lautlos voran. Sobald der Fahrer selbst die Paddel ins Wasser sticht, laden die Zellen einen Akku. Dann hat er Strom für Handy, GPS und Zeltbeleuchtung zum Nulltarif.Klepper Falt Solarantrieb für E-Kajaks
Solarhandy gegen NomophobieEs soll Menschen geben, die sich vor nichts mehr fürchten als auch nur eine Minute nicht erreichbar zu sein. Nomophobia (No-Mobile-Phone-Phobia) heißt das Phänomen in Fachkreisen. Den Geplagten kann geholfen werden, verspricht das Schweizer Unternehmen Tag Heuer - eigentlich bekannt für Luxusuhren. Es will im Juli ein Handy auf den Markt bringen, dessen im Display integrierte transparente Solarzelle genug Strom produzieren soll, um das Mobiltelefon allzeit auf Empfang zu halten. Das Laden funktioniert angeblich auch bei Kunstlicht. TAG Heuer Meridiist Quelle: Presse
Strom zum AufstellenKeine Steckdose in Reichweite? Macht nichts! Der mobile Solar-Kiosk Cubox des österreichischen Anbieters HBT Energietechnik versorgt sich selbst mit Strom – am Strand, auf dem Golfplatz, in der Fußgängerzone oder bei der Party im eigenen Garten. Die Zellen produzieren genügend Energie, um den schicken Hingucker zu illuminieren und das Bier zu kühlen.cubox.at Quelle: Presse
Schaufelrad auf dem DachÜber die Dächer unserer Städte und Dörfer streicht, außer bei Windstille, ein beständiger Luftstrom – besonders intensiv über die glatte Oberfläche von Solarmodulen. Die LWS Systems aus Mecklenburg-Vorpommern hat eine Strömungsturbine entwickelt, die ihn über Schaufeln auffängt und in elektrische Energie umwandelt. Die Hybridtechnik hebt die Energieausbeute auf dem Dach; sie ist genehmigungsfrei.www.lws-systems.com/windmodule Quelle: Presse
Heizen mit EisDie Hybridkollektoren des Lörracher Unternehmens Consolar am Bodensee zapfen nicht nur die Sonne als Wärmespender für Dusche und Heizung an. Sie entziehen auch der Luft Wärme und speichern diese in Verbindung mit einer Wärmepumpe in einem Speicher. Ein Teil der Energie wird zu Eis gefroren. Taut das Eis wieder zu Wasser auf, wird besonders viel Energie frei. Dank dieses Effekts fasst der Eis-Wasserspeicher acht Mal mehr Energie als konventionelle Wasserspeicher gleicher Größe.Consolar Solaera Quelle: Presse

Die Kehrtwende beim Klimaschutz in den USA, die Präsident Obama seit einigen Wochen versucht, bezeichnet Platow als „die Erfüllung eines Lebenstraums“ mit geschäftlich interessanten Perspektiven. Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit: Der große Umschwung an den Märkten muss von den klassischen Playern ausgehen. Ökospezialisten können allenfalls die Vorreiter sein. Für alles andere sind sie, trotz aller Erfolge, noch immer zu sehr Nischenanbieter. Ökoworld etwa verwaltet gerade mal 763 Millionen Euro.

Funk ist zuversichtlich, dass das auf Dauer so klappt: Da die Öl- und Kohleförderung häufig unter schwierigen Bedingungen erfolge, könnten sich jederzeit Katastrophen wie mit der BP-Plattform Deepwater Horizon wiederholen. „Die daraus resultierenden Verluste, aber auch Reputations- und Haftungsrisiken kann sich heute kein Investor mehr erlauben.“

Noch lockten Ölmultis wie Exxon und Chevron mit drei und vier Prozent Dividendenrendite und böten hohe Anreize für Investoren, aber Funk warnt: Auch die deutschen Versorger E.On und RWE wurden günstig, als der Atomausstieg angekündigt wurde. Aber die Schnäppchenjagd hat sich nicht gelohnt, denn die Dividenden wurden gekürzt, und die Erträge brachen weg.

Zahlen zur Erderwärmung

Wie lukrativ das Geschäft mit Wind- und Sonnenstrom sowie mit solchen neuen Technologien ist, die die effiziente Nutzung von Energie fördern, zeigt der Aktienanstieg der Windradhersteller Nordex, Gamesa und Vestas. Funk hat deshalb keine Probleme, aussichtsreiche Branchen und Unternehmen für die Ökoworld-Fonds zu finden.

Dazu zählen auch Unternehmen, die sich um Energieeffizienz kümmern wie Osram bei LED-Leuchten oder der schwedische Wärmepumpenhersteller Nibe Industrier, der auch in Deutschland sehr aktiv ist. Auch der US-Leuchtenhersteller Acuity Brands sei ein energieeffizienter Anbieter, der darüber hinaus durch ein besonders futuristisches Lampendesign auffalle.

Noch rechtfertigen Großanleger den Verzicht auf Kohlekonzerne in ihren Depots mit deren zu hohen Treibhausgas-Emissionen. Im Hinterkopf könnten sie aber auch haben, dass mit regenerativer Energie auf Dauer risikoloser Geld zu verdienen sein wird. Denn die erneuerbaren Energien bekommen jetzt die politische Unterstützung, die der Kohle fehlt: US-Präsident Obama etwa besuchte im Februar Indien. Kurz danach kündigte der US-Solarriese SunEdison an, dort viele Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Die indische Regierung will so viel Strom aus Wind und Solarenergie bis 2020 schaffen, wie 216 Atomkraftwerke produzieren. „Das sind tolle Perspektiven“, sagt Funk.

London: Der Ölbaron

Die Botschaft ist angekommen, zumindest in der Rhetorik der Konzernoberen. BP-Chef Bob Dudley sagt: „Wir sind uns bewusst, dass wir ein Geschäftsmodell brauchen, dass auch in einer Welt mit niedrigerem Kohlendioxid-Ausstoß bestehen kann.“ BP sei bereit, seinen Teil zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen.

Dudley verlangt von der Politik allerdings klare Vorgaben und forderte kürzlich gemeinsam mit fünf anderen großen Öl- und Gaskonzernen mit Blick auf die Verhandlungen über einen neuen Weltklimavertrag ein globales Preissystem für CO2-Emissionen. In dem auch von Total, Shell, Statoil, BG Group und Eni unterzeichneten Brief hieß es, wenn der Ausstoß von CO2 Geld koste, sei dies ein Anreiz für die Nutzung von Erdgas statt Kohle, mehr Energieeffizienz und Investitionen zur Vermeidung des Klimawandels.

Die wichtigsten Fakten aus dem Wasserbericht
Die Nachfrage nach Energie und nach Wasser wird in den kommenden Jahrzehnten steigen. Dieser Anstieg führt zu erheblichen Herausforderungen und Belastungen in fast allen Regionen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Bis 2050 wird der globale Wasserbedarf voraussichtlich um rund 55 Prozent steigen. Bedingt wird dies vor allem durch die steigende Nachfrage in der industriellen Fertigung (plus 400 Prozent). Der spezifische Bedarf der Haushalte wird dagegen "nur" um 130 Prozent zunehmen. Mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung werden 2050 voraussichtlich in Gebieten mit starkem Wasserstress leben.Quelle: Weltwasserbericht 2014 Quelle: REUTERS
Die Versorgung mit Wasser und die Versorgung mit Energie sind wechselseitig abhängig. Entscheidungen in einem Sektor haben positive und negative Auswirkungen auf den jeweils anderen Sektor. Krisen wie Armut, Gesundheit und Hunger sind eng verbunden mit Wasser und Energie. Weltweit haben nach verschiedenen Schätzungen rund 768 Millionen bis 3,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer guten Wasserversorgung. 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender sanitärer Versorgung. In den meisten Fällen sind die Menschen, die unter Wassermangel leiden, auch von fehlender Energieversorgung betroffen: Mehr als 1,3 Milliarden Menschen haben keinen Strom und rund 2,6 Milliarden Menschen nutzen zum Kochen vor allem Holz. Quelle: dpa
Politik und Verwaltung, Planer und Praktiker können die Barrieren zwischen ihren jeweiligen Sektoren schrittweise überwinden. Der Staat kann durch innovative und pragmatische Ansätze die Versorgung mit Wasser und Energie effizienter machen und Kosten sparen. Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts für die Regierungen lautet, die vielfältigen Aspekte von Wasser und seiner Nutzung zu berücksichtigen. Quelle: dpa
Der Preis für Energie- und Wasserdienstleistungen sollte die Kosten für Bereitstellung und sozio-ökologische Folgen berücksichtigen. Die Grundbedürfnisse der Armen und Benachteiligten dürfen nicht beeinträchtigt werden. Der Zugang zu sauberem Wasser ist als Menschenrecht anerkannt - auf die Energieversorgung wird dies noch nicht angewandt. Quelle: obs
Der private Sektor kann eine größere Rolle bei Investitionen, Wartung und Betrieb von Wasser- und Energieinfrastruktur spielen. Energie ist ein gutes Geschäft, der Energiesektor kann daher viele Hebel in Bewegung setzen. Quelle: dpa
Auch die staatliche Unterstützung für Forschung und Entwicklung sind entscheidend für den Ausbau alternativer, erneuerbarer und weniger wasserintensiver Energieformen. Energie und Wasser können gemeinsam und synergetisch produziert werden. Es bietet sich etwa eine Kombination von Kraftwerken und Entsalzungsanlagen, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die Nutzung alternativer Wasserquellen für thermische Kraftwerkskühlung oder etwa Energierückgewinnung aus Abwasser an. Für die Suche nach neuen technischen Lösungswegen braucht es entsprechende politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, damit die Sektoren besser zusammenarbeiten. Quelle: dpa
Wasser und Energie stehen im Zentrum nachhaltiger Entwicklung und müssen solchermaßen anerkannt werden. Es muss ein Wandel hin zu einer nachhaltigen und wechselseitig kompatiblen Entwicklung von Wasser und Energie gefunden werden. So sehen die Experten etwa beim Fracking, das große Mengen an Wasser erfordert, Risiken für Wasserqualität und die menschliche Gesundheit. Quelle: REUTERS

Im Juni sprach Dudley bei der Vorstellung des neuen BP-Weltenergieberichtes von „tektonischen Verschiebungen“ und einem überraschend stark gebremsten Nachfrageanstieg nach fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas. Er betrug 2014 nur noch 0,9 Prozent und hatte sich damit weltweit gegenüber dem langjährigen Mittel mehr als halbiert. Auch die Bedeutung von Öl als globaler Energieträger schrumpft nun schon bereits im 15. Jahr in Folge. Allerdings ist Öl mit einem Marktanteil von 32,6 Prozent immer noch der wichtigste Energielieferant.

Die erneuerbaren Energien weisen zwar das größte Wachstum auf, aber noch ist ihr globaler Marktanteil mit sechs Prozent sehr gering. In den nächsten 20 Jahren wird – so erwartet es BP – die Energienachfrage getrieben von der wirtschaftlichen Expansion in China und Indien, um 37 Prozent oder durchschnittlich 1,4 Prozent im Jahr wachsen. Zwei Drittel davon, so BP, dürften auf fossile Brennstoffe entfallen, allerdings werde Gas am stärksten (+1,9 Prozent), Öl und Kohle sich mit einem durchschnittlichen Wachstum von rund 0,8 Prozent am schwächsten entwickeln.

Dennoch aber stößt die Einsicht an Grenzen. So bald werde der Niedergang der Ölförderer nicht kommen, da ist sich Dudley sicher. „Es wird ein langer Prozess“, sagt er und weist auf den großen Energiebedarf hin, der sich allein aus dem Wachstum der Bevölkerung in China und Indien ergebe.

Den Politikern müsse man bewusst machen, dass manche Entschlüsse unbeabsichtigte Folgen haben, die nicht zu einer Verminderung, sondern sogar in einer Erhöhung des Ausstoßes an Kohlendioxid resultierten. „In Deutschland hat man sich den Zielen des Klimagipfels in Kyoto verpflichtet. Doch der Rückzug aus der Atomenergie bewirkte, dass viel Kohle aus den USA importiert wurde und die Gaskraftwerke stillliegen. Deutschland ist ein interessantes Modell, wie man nicht verfahren sollte“, sagt Dudley.

Man kann das als Uneinsichtigkeit auslegen. Oder als Bestätigung einer Regel, die schon bei vielen wirtschaftlichen Umbrüchen galt: Wirklichen Wandel wird nicht die Politik herbei organisieren. Wirklichen Wandel fordert der Markt ein. Im Energiesektor ist er auf bestem Wege.

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