Dass die Energiewende noch einmal revidierbar ist, erscheint aktuell ausgeschlossen. Im Gegenteil: Sie wird weiter vorangetrieben. Bis 2022 sollen die restlichen neun Atomreaktoren, die noch am Netz sind, abgeschaltet werden.
Zudem ist es das Ziel der Bundesregierung, bis 2025 bis zu 45 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen – bis 2050 sollen es sogar 80 Prozent sein. Damit wird die Rentabilität der konventionellen Kraftwerke weiter abnehmen, bilanziert die Studie.
Modelle für das Geschäft mit der Versorgungssicherheit beim Ausfall von Wind- und Solarstrom
Verfechter: Bundeswirtschaftsministerium
Funktionsweise: Bundesnetzagentur ersteigert regional gestaffelt eine politisch festlegte Menge Kraftwerkskapazitäten. Dabei legt der Staat fest, welche alten oder künftigen Kraftwerke infrage kommen und welche Großverbraucher bei Knappheit gegen Entschädigung vom Netz dürfen.
Vorteile: Staat kann Kriterien anpassen und damit den Strukturwandel etwa zu umweltfreundlicheren Anlagen steuern; mögliches Instrument der Klimapolitik
Nachteile: Staat lenkt die Investitionen der Kraftwerksbetreiber und entwertet alte, aber wirtschaftliche Anlagen
Gewinner/Verlierer: Die Betreiber der politisch favorisierten Anlagen gewinnen, die anderen verlieren; Braunkohle-Kraftwerke drohen wegen ihrer hohen CO2-Emissionen leer auszugehen
Kosten: schätzungsweise vier bis sechs Milliarden Euro
Aussichten: Reizvoll insbesondere für Grüne; interessant für Politiker, die das Risiko scheuen, für Versorgungsengpässe verantwortlich gemacht zu werden
Modell/Verfechter: Dezentraler Kapazitätsmarkt für Zertifikate, die ein bestimmtes Maß Versorgungssicherheit bieten (Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft, Energiekonzerne, große Regionalversorger)
Funktionsweise: Stromvertriebe (z. B. Stadtwerke) und Unternehmen müssen ihre Nachfrage nach Strom im Vorhinein durch Erwerb von Zertifikaten absichern, die eine Versorgung zu einem gewünschten Prozentsatz garantieren. Die Zertifikate werden von den Kraftwerksbetreibern verkauft und können an der Strombörse gehandelt werden
Vorteile: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis der Versorgungssicherheit; kostengünstigste Anbieter kommen zum Zuge
Nachteile: Höherer Verwaltungsaufwand; schmutzige, aber abgeschriebene Anlagen werden einbezogen. Hoher Regulierungs- und Kontrollaufwand, um die Vertriebe (z. B. Stadtwerke) und Lieferanten daran zu hindern, dass sie mehr Strom als abgesichert verkaufen
Gewinner/Verlierer: Altanlagenbetreiber profitieren ebenso wie umweltfreundliche Neuanlagen
Kosten: Niedrigere Kosten als die vier bis sechs Milliarden Euro beim fokussierten Kapazitätsmarkt
Aussichten: Starke Lobby der regionalen kommunalen Versorger sowie von Versorgern wie RWE mit kostengünstigen Anlagen (z. B. Braunkohle)
Verfechter: bisher EU-Kommission
Funktionsweise: Stadtwerke, Stromhändler und Unternehmen kaufen/bestellen erwartete Strommenge und hoffen, bei Mehrbedarf sich kurzfristig eindecken zu können, und nehmen dann extrem hohe Preise in Kauf. Stromproduzenten rechnen damit und halten entsprechende Angebote bereit
Vorteile: Angebot und Nachfrage bestimmen Preis der Versorgungssicherheit; kein politisch erzwungenes Sicherheitsniveau; kostengünstigste Anbieter kommen zum Zuge; möglich exorbitante Preisspitzen sind Anreize für Investoren
Nachteile: Schmutzige, aber abgeschriebene Anlagen kommen zum Zuge. Gefahr kurzzeitig exorbitanter Strompreissteigerung wegen temporärer Stromknappheit; deswegen erhöhtes Risiko der Unterversorgung
Gewinner/Verlierer: Betreiber hochflexibler, schnell hoch fahrbarer Anlagen gewinnen; Lieferanten, die für ihre Industriekunden nicht ausreichend Strom beschafft haben, drohen wirtschaftlich schwer geschädigt zu werden
Kosten: Minimale Kosten im Vergleich zu allen anderen Modellen; Gefahr, dass exorbitante Preissteigerungen diesen Vorteil zunichtemachen
Aussichten: Ordnungspolitisch eleganteste Lösung. Politiker dürften aber exorbitante Preisspitzen fürchten und zu intervenieren drohen, was wieder das Vertrauen der Investoren zerstören würde
Funktionsweise: Kurzfristig zur Regelung des Netzes; mittelfristig auch zur Vorhaltung von Kraftwerken, die erst bei Bedarf anspringen; von Bundesnetzagentur oder Netzbetreibern ausgeschrieben, drei Gigawatt 2014, sieben 2017/18
Vorteile: Erhalt benötigter Notfallkraftwerke
Nachteile: Keine wettbewerbliche Lösung; kein Beitrag zur Umstellung auf erneuerbare Energien
Gewinner/Verlierer: Betreiber von Kraftwerken, die stillgelegt werden sollen, erhalten eine gewisse Kostenerstattung
Kosten: Relativ gering
Aussichten: Umfang hängt davon ab, wie groß der Kapazitäts- oder der reine Strommarkt wird
Weiter soll eine Reduktion der Treibhausgasemission erreicht werden – geplant ist eine Reduktion der CO2-Emission in der Energiewirtschaft um 25 Prozent in den kommenden sechs Jahren. Hierfür müssten fossile Kraftwerke stillgelegt werden – ein weiteres Problem für die Energieriesen.
Und das sind nur einige der Probleme, die in den nächsten Jahren auf E.On und Co. zukommen. Denn zahlreiche Konzessionsverträge im Netzbetrieb laufen aus. Die Autoren der Studie erwarten, dass das zu einer stärkeren Rekommunalisierung der Energieversorgung führt.
Die Perspektiven
Einen schnellen Wandel erwarten die Autoren nicht, denn dafür fehlt es an Geld. Große Teile des Kapitals der Unternehmen sind in fossilen Kraftwerken und in Beteiligungen im In- und Ausland gebunden. RWE leidet zudem unter der Herabstufung zu einem B-Rating 2012, was es erschwert, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren.
Auch die Lobbymacht sehen die Autoren als geschwächt an. Nach der gescheiterten Laufzeitverlängerung sei das Vertrauen zwischen Politikern und Energielobbyisten gebrochen. Für die Autoren spiegele sich das an dem Strategiewechsel der Energieriesen wieder, ihre Ziele juristisch durchzusetzen und nicht mehr politisch.
Letztendlich bleibe den Unternehmen nur. weiter Geschäftszweige zu veräußern und die Unternehmen zu verschlanken, um so das nötige Kapital für eine Wende zu generieren. Allerdings seien bei den Verkäufen von Kraftwerksanteilen Verluste zu erwarten, aufgrund der aktuellen Lage der Branche.