Grün und teuer Das sind die besten nachhaltigen Stromanbieter

Geldmaschine: Trotz niedriger Kosten für Windenergie bleibt Ökostrom teuer. Die Erzeuger fahren noch hohe Gewinne am Strommarkt ein. Quelle: Mauritius Images

Der Strommarkt ist aus den Fugen, die Energiepreisrally wird die privaten Haushalte enorm belasten. Trotzdem sind noch viele Deutsche dazu bereit, für Ökostrom etwas mehr zu bezahlen. Eine exklusive Studie zeigt, welche Angebote den Mehrpreis für den Klimaschutz rechtfertigen.

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Für Oliver Hummel ist die aktuelle Achterbahnfahrt des Strompreises realitätsfern. Der Vorstand des Ökostromanbieters Naturstrom hält den Markt für überhitzt: „Das ist wie Roulette. Zu den Preisen handelt kaum noch jemand.“ Mangelnde Liquidität führe zu Preissprüngen. Naturstrom kaufe in solchen Phasen möglichst keine neuen Energiemengen ein, sagt Hummel.

Das Düsseldorfer Unternehmen kann sich den vorübergehenden Handelsstopp leisten. Denn Naturstrom erzeugt 30 Prozent des an Endkunden verkauften Stroms selbst. Zudem sei ein zunehmender Anteil des Solarstroms über längerfristige Verträge mit den Erzeugern abgesichert, so das Unternehmen. Lediglich Strom aus Wasserkraft kaufe Naturstrom kurzfristig ein.

Vielen Ökostromanbietern fehlen die eigenen Produktionskapazitäten. Sie müssen daher mehr grünen Strom an der Börse zukaufen. Neukunden nehmen sie nicht mehr an. Denn die Strommengen aus langfristigen Lieferverträgen reichen womöglich noch für Bestandskunden, nicht aber für zusätzliche Abnehmer. Spezialtarife für Neukunden aber wären zu teuer, um am Markt zu bestehen.

Die Erzeuger von Wind- und Solarstrom dagegen können kurzfristig benötigten Strom zu Höchstpreisen verkaufen. Die Politik wirft ihnen daher Zufallsgewinne vor. Denn schließlich müssen die Ökostromerzeuger kein teures Gas einkaufen, anders als die Importeure und die Betreiber von Gaskraftwerken. Sie profitieren von einem Strompreis, der sich an den Kosten des zuletzt zugeschalteten Gaskraftwerks orientiert. Wirtschaftsminister Robert Habeck will die Zufallsgewinne der Stromerzeuger abschöpfen. Wie das genau funktionieren soll, ist aber noch unklar.

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Ebenso offen ist, ob der Strompreis durch den Staat gedeckelt wird. Momentan wird es auch für Haushalte mit Ökostrom teurer. Bei Naturstrom beispielsweise müsste ein Vier-Personen-Haushalt mit 4000 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Jahr rund 228 Euro pro Monat zahlen. In der Grundversorgung der Stadtwerke Düsseldorf zahlt der gleiche Haushalt für konventionellen Strom nur 119 Euro monatlich. Allerdings ist auch der Ökostromtarif der Stadtwerke ähnlich teuer wie der von Naturstrom.

Klimaschutz: ein Cent für Solarparks

Rund 13 Millionen deutsche Ökostromkunden zahlten bisher gerne etwas mehr für Strom – fürs grüne Gewissen. Anders als etwa die von Biolebensmitteln lässt sich die Herkunft von Strom nicht nachweisen. Denn das, was bei den Privathaushalten aus der Steckdose kommt, ist immer Graustrom aus fossilen und erneuerbaren Quellen. Mit Etikettenschwindel hat das nichts zu tun. Technisch lässt sich ins Netz gespeister Strom nicht mehr trennen. Grüner und schwarzer Strom vermischen sich zu einem grauen Produkt.

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Wer als Stromkunde teureren Ökostrom kauft, sichert sich seinen Anteil am vorhandenen Wind-, Solar- oder Wasserkraftstrom. Derzeit kommt in Deutschland etwa die Hälfte des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen. Für mehr Klimaschutz können die Ökostromanbieter ihre Gewinne in neue Anlagen für erneuerbare Energien investieren. Das tut aber nur ein Teil der Ökostromanbieter. Sie erhalten spezielle Label wie OK Power oder Grüner Strom (siehe Tabelle). Bei Naturstrom fließt beispielsweise ein Cent, bei Fair Trade Power fließen 0,5 bis 1,5 Cent je verbrauchte Kilowattstunde in neue Windräder oder Solarpanels.

Methodik

Zu den nachhaltigen Ökostromanbietern zählt auch Naturstrom. Der Anteil von Strom aus eigenen Anlagen soll über die 30 Prozent hinauswachsen. In diesem Jahr plant das Düsseldorfer Unternehmen den Bau von fünf weiteren Solarparks. „Es könnten mehr sein, wenn die Bundesländer die Genehmigung beschleunigen und bei den Behörden die Handbremsen lösen“, sagt Naturstrom-Manager Hummel. Derzeit dauere die Genehmigung für neue Parks im Schnitt etwa sieben Jahre.

Ökostromanbieter: Neukundenstopp

Wie die konventionellen Energieversorger müssen auch deren grüne Wettbewerber zu deutlich höheren Preisen Strom einkaufen. „Die meisten Erzeuger richten sich nach den derzeit hohen Preisen an der Leipziger Strombörse“, sagt Christian Spitzner, Geschäftsführer von Fair Trade Power Deutschland. Allerdings habe sein Unternehmen langfristige Verträge mit Ökostromerzeugern ausgehandelt, denen es nicht darum gehe, den letzten Cent aus der aktuellen Marktlage abzuschöpfen.



Das gibt Fair Trade Power den nötigen Spielraum, um weiter Neukunden aufzunehmen. „Es ist herausfordernd, im aktuellen Markt noch bezahlbare Konditionen anzubieten, aber wir wollen so lange wie möglich die Tür offenhalten“, sagt Spitzner. Manchmal sind die Marktturbulenzen jedoch zu groß fürs Neugeschäft. Naturstrom musste kurz nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vorübergehend für einige Wochen die Aufnahme von Neukunden einstellen. Weitere Stopps dieser Art habe es bisher nicht gegeben, so das Unternehmen.

Es ist einfacher, das Neugeschäft zu erhalten, wenn dem Ökostromanbieter Wind- und Solarparks gehören. So kann er die Handelsspanne im Strommarkt umgehen. Fair Trade Power steht, anders als Naturstrom, bei der Autonomie noch am Anfang. Das Unternehmen aus München will mit anderen Ökostromanbietern ein Netzwerk aus Wind- und Solarparks aufbauen. Das soll Fair Trade Power unabhängiger von der Strombörse machen.

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