Russischer Energieriese Warum Deutschland Gazprom nicht ausgeliefert ist

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Eine neue Geschäftspolitik muss her

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In dieser Hinsicht ist das Geschäftsmodell von Gazprom auf Dauer kaum zukunftsfähig. Noch immer liefert Gazprom seinen wertvollen Rohstoff zum festen Preis per Pipeline und verlangt von seinen Kunden eine Mindestabnahme, egal, ob sie das Gas zu diesen Konditionen verkaufen können, etwa weil Flüssiggas den Marktpreis nach unten drückt. Mit dieser sogenannten Take-or-Pay-Klausel knebelte der Gasriese Abnehmer wie E.On und RWE per Langfristverträgen. Gazprom rechtfertigt dies mit Kosten für die Infrastruktur, wobei eine halbe Million Pipeline-Kilometer schon seit Sowjetzeiten existiert und längst abgeschrieben ist.

Lange wird Gazprom eine solche Geschäftspolitik nicht durchhalten. Denn die Gasfelder, aus denen das Gas nach Deutschland fließt, neigen sich dem Ende zu. Doch statt Geld in die Förderung neuer Vorkommen zu pumpen, hat Konzernchef Miller das Investitionsbudget 2013 von 40 auf rund 30 Milliarden Dollar reduziert und kürzlich nur leicht angehoben. Lieber pflegt der Putin-Freund alternde Pipelines und verlegt neue, als dass er mehr Geld in künftige Gasfelder steckt.

Ähnlich viele Fragezeichen machen Experten hinter dem Versuch, nach China zu expandieren. Dabei scheint der Energiehunger im Reich der Mitte schier unerschöpflich, und die Gasfelder in Sibirien liegen näher als Europa. Zwar spuckt Konzernchef Miller große Töne. Ein 30 Jahre laufender Vertrag mit China sei „praktisch fertig“, rapportierte er an den russischen Regierungschef Dmitri Medwedew. Zunächst werde Gazprom jährlich 38 Milliarden Kubikmeter aus Ostsibirien nach China liefern. „Mittelfristig können unsere Lieferungen nach Asien Ausmaße erreichen, die mit der Liefermenge nach Europa vergleichbar sind.“ Das war an jenem Tag, als Brüssel die Liste mit Russen beriet, gegen die Einreiseverbote verhängt werden sollen.

In Wahrheit gibt es bis heute zwischen Moskau und Peking keinen Liefervertrag, sondern lediglich eine Absichtserklärung. Chinesen und Russen sind sich über den Preis uneinig. Wie die WirtschaftsWoche aus dem Umfeld des Konzerns erfuhr, hat Gazprom-Chef Miller versucht, Peking auf Vorauszahlungen für Gaslieferungen festzunageln, um damit den Pipeline-Bau zu finanzieren. „Als die Chinesen hörten, dass der Bau sechs Jahre dauern würde, winkten sie ab“, so der Insider.

In der Gazprom-Zentrale in der Nametkina-Straße wird deshalb bereits über eine mögliche Absetzung von Konzernchef Miller spekuliert. Als Nachfolger werden zwei ausgesprochene Promis unter Putins Vertrauten gehandelt. Der eine ist der Ex-Wirtschaftsminister und heutige Chef des landesweit größten Kreditinstituts, der staatlichen Sberbank, German Gref, der andere gar Premierminister Dmitri Medwedew.

Ausgewiesene Kenner marktwirtschaftlichen Managements sehen anders aus.

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