Windindustrie Windanlagenbauer Nordex in der Abwärtsspirale

Windanlagenbauer Nordex Quelle: dpa

Nordex ist mit hohen Verlusten in das neue Jahr gestartet. In wenigen Tagen schließt der Konzern sein letztes Rotorblattwerk in Deutschland.

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Inflation, gestiegene Rohstoffkosten und Lieferkettenprobleme: Der Hamburger Windanlagenbauer Nordex rutscht zum Jahresbeginn in die tiefroten Zahlen. „Der Start in das Jahr 2022 war schwierig und ist sicherlich anders verlaufen als alle erwartet haben“, kommentierte der CEO des Unternehmens, Jose Luis Blanco, die Quartalszahlen am Dienstag.

Die Kostensituation bleibe volatil – und es käme nach wie vor zu deutlichen Unterbrechungen der Lieferketten. In den ersten drei Monaten des Jahres sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Viertel auf 933 Millionen Euro. Der Konzernverlust verdreifachte sich von 54,7 Millionen auf auf 150,5 Millionen Euro. Der Auftragseingang lag ohne das Servicegeschäft bei 903 Millionen Euro und damit leicht unter dem Vorjahreswert. Nordex bestätigte seine im Mai gesenkte Prognose – und rechnet weiterhin im Gesamtjahr mit Erlösen zwischen 5,2 und 5,7 Milliarden Euro.

Das Unternehmen hatte die Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal wegen einer Cyber-Attacke im März nach hinten verschieben müssen – mit Folgen: Die Aktie des Unternehmens war am Montag aus dem Kleinwertesegment SDAX, sowie aus dem TecDax gefallen – und befindet sich im Abwärtsstrudel: Nach der Erholung im März halbierte sich ihr Wert und fiel auch in der Folge weiterhin immer tiefer. Auch der Dienstag blieb mit der Bekanntgabe der Zahlen nicht ohne Enttäuschungen für die Anleger von Nordex. Denn erneut fiel die Aktie – auf einen Stand von 8,86 Euro – und verschlechterte sich damit im Vergleich zum Vortag noch einmal um ganze 5,3 Prozent.



Nordex gehört damit zu einer ganzen Reihe von Windanlagenbauern, denen die Inflation zu schaffen macht. In den vergangenen Wochen hatten auch die Konzerne Vestas und Siemens Gamesa wegen der steigenden Kosten ihre Jahresprognosen gesenkt.

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Erst im Januar hatte Nordex angekündigt, das Fertigungswerk für Rotorblätter in Rostock zu schließen. In wenigen Tagen ist es so weit: Am 30. Juni verlieren 500 Menschen ihren Arbeitsplatz. Begründet wird die Schließung vom Unternehmen mit einem schwierigen Wettbewerbsumfeld und einer Verschiebung der Nachfrage nach größeren Rotorblättern, die nicht an dem Standort hergestellt werden könnten. Die Rotorblätter werden künftig im Ausland hergestellt, weil es dort billiger ist.

„Den Turnaround haben sie nicht geschafft,“ kommentiert Stefan Schad, IG Metall-Chef Rostock-Schwerin die aktuellen Nordex-Geschäftszahlen. Diese lägen vor allem auch an strukturellen Problemen und Materialkosten. „Das Unternehmen bekommt Aufträge ohne Ende – schafft es jedoch nicht, diese lukrativ aufzuarbeiten.“

von Theresa Rauffmann, Isabelle Wermke

„Anfang vom Ende“

Stefan Schad fürchtet auch um ein weiteres Werk in Rostock: das Gondelwerk des Konzerns. In dem Werk werden die Maschinenhäuser für Windkraftanlagen gebaut. „Nach der geplanten Schließung des Rotorblattwerks mache ich mir Sorgen, ob damit Ruhe einkehrt – oder dies der Anfang vom Ende ist.“ Denn Nordex schreibt seit Jahren rote Zahlen. Im Jahr 2017 verbuchte das Unternehmen zuletzt einen Gewinn – von 300.000 Euro. Seither wachsen die Verluste. 2021 verlor Nordex 230 Millionen Euro, obwohl der Umsatz auf 5,4 Milliarden Euro wuchs. Auch die Aktionäre hungern: Eine Dividende hat Nordex ihnen in den vergangenen 20 Jahren nicht gezahlt.

Immerhin wurde Ende Mai, wenige Wochen vor der Schließung des Werks, eine Einigung zwischen dem Management und dem Betriebsrat des Konzerns erzielt: Die etwa 500 betroffenen Beschäftigten erhalten eine Abfindung, eine Einmalzahlung – und auch die Möglichkeit des Eintritts in eine Transfergesellschaft. In dieser bekommen sie Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Nordex stockt außerdem für einen Zeitraum von fünf bis zwölf Monaten das Transferkurzarbeitergeld auf 90 Prozent des Nettogehalts auf, hieß es.

Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) hatte jedoch zum Zeitpunkt der Bekanntmachung klargemacht, dass die Transfergesellschaft kostentechnisch allein von Nordex zu tragen sei. Denn: Anders als bei den MV-Werften verlagere Nordex ein intaktes Unternehmen ins Ausland. „Die Situation ist bedauerlich,“ hatte Meyer die Schließung kommentiert. „Sie trifft den Industriestandort Mecklenburg-Vorpommern.“ Das Unternehmen sei nicht umzustimmen gewesen.

Besonders tragisch: Rostock galt für das Hamburger Unternehmen lange als ein besonderer Standort: Noch vor wenigen Jahren maß Nordex der Fabrik eine „besondere Bedeutung“ bei, „da hier das Design, das Material, die Werkzeuge und die Qualitätsprozesse bestimmt werden“. Heute ist die Belieferung der globalen Projekte mit in Rostock produzierten Blättern laut Konzern „am wenigsten wirtschaftlich“.

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