Fußball Die WM-Strategien von Adidas und Nike

Neue Marketingstrategien für die Fußball-WM in Südafrika: Beim wichtigsten Sportereignis des Jahres kämpfen Adidas und Nike vor allem mit Online-Werbung um die Marktführerschaft.

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WM-Stadion in Kapstadt: Quelle: dpa

Ein Match hat Nike bereits gewonnen – und das schon vier Wochen, bevor am 11. Juni die Fußballweltmeisterschaft im Soccer City Stadion von Johannesburg angepfiffen wird: Der teuerste Fußballschuh des Jahres kommt aus Beaverton im US-Bundesstaat Oregon, dem Hauptquartier der größten Sportartikelmarke der Welt. Der futuristische Treter trägt den bizarren Namen Mercurial Vapor Superfly 2, wiegt zarte 185 Gramm, ist lila mit einem gelben Nike-Haken über dem Außenrist und kostet, obwohl hässlich wie die Nacht, 375 Euro. Portugals Fußball-Beau Cristiano Ronaldo führte die Kunststofftreter, bei denen sich die Stollen unter der Schuhspitze auf Druck verlängern, vor einigen Wochen PR-trächtig im stillgelegten Kraftwerk Battersea Power Station in London vor.

Vergleichsweise günstig kommt dagegen Konkurrent Adidas an der Ladentheke rüber: Für das deutlich schlichtere Spitzenmodell Predator XX-TRX DB, das prominente Profis wie Michael Ballack in den Rasen rammen, darf der geneigte Stadtpark-Kicker 209,95 Euro zahlen.

Hoffnungsträger WM

Wenn der Ball in den Stadien von Johannesburg, Kapstadt und Durban rollt, schauen Millionen Zuschauer den Ronaldos auf die teuer bezahlten Füße. Insgesamt, strunzt der Fußballweltverband Fifa, waren weltweit schon 2006 gut 30 Milliarden Menschen bei den 64 WM-Spielen am Bildschirm dabei, 2010 dürften es nicht weniger sein. Die gigantische Kulisse macht die WM für Nike, Adidas und Co. nach einem schwachen, von der Krise geprägten Jahr 2009 zum Hoffnungsträger.

Doch anders als bei früheren Weltmeisterschaften setzen die Sportkonzerne nicht länger auf Fernsehspots und Zeitungsanzeigen, um ihre Kunden zu erreichen. Ralf Zilligen, Chairman der Düsseldorfer Agentur-Neugründung Arthur Schlovsky und einer von Deutschlands Top-Kreativen: „Südafrika ist die erste WM, bei der die großen drei Marken Adidas, Nike und Puma mit klassischer Werbung kaum noch wahrnehmbar sind.“

Massive Veränderung in der Verteilung von Werbegeldern

Stattdessen verlagern die global tätigen Marketingmaschinen stärker als je zuvor ihre Werbekampagnen ins Internet, in Online-Spiele, soziale Netzwerke wie Facebook oder so genannte virale Spots. Das sind kleine Filmchen, die sich Internet-Nutzer gegenseitig schicken und empfehlen, weil sie Unterhaltungswert besitzen. Und 375-Euro-Schuhe sorgen schon wegen ihres exorbitanten Preises für viel Gesprächsstoff in den Online-Foren.

Die junge Generation, sagte Adidas-Vorstand Erich Stamminger der WirtschaftsWoche, „sitzt heute nicht mehr vor dem Fernseher und wartet darauf, dass irgendwo eine Werbepause kommt“. Das, so Stamminger, führe zu „massiven Veränderungen in der Verteilung unserer Werbegelder auf die Mediengattungen: Mittlerweile geben wir mehr Geld für Kommunikationsmaßnahmen im Internet aus, als wir in den Neunzigerjahren in die klassische Werbung – also TV und Print – gesteckt haben.“ Zwar investiert etwa Adidas 2010 wieder gut 13 Prozent seines Umsatzes von 12,3 Milliarden Euro in Marketing und damit einen vergleichbaren Anteil wie die Konkurrenz. Doch das Geld fließt eher in die Eröffnung neuer Shops, vor allem in Wachstumsmärkten wie China, als in klassische Reklame. Adidas lässt seinen jüngsten Werbestreifen mit dem argentinischen Kickerstar Lionel Messi in Deutschland gar nicht erst im TV ausstrahlen. Der Clip läuft nur im Internet.

Cristiano Ronaldo Quelle: REUTERS

Stattdessen sucht Adidas den direkten Weg zum Kunden – entweder in den eigenen Shops oder virtuell. So sammeln die Franken Fans, Freunde und damit Kunden auf eigens eingerichteten Internet-Seiten oder in Netzwerken wie Facebook. Und wer Nikes Leichtschuh kauft, erhält über einen Code Zugang zu einer Web-Site, auf der Kicker ihre Tricks verraten. Puma macht es ähnlich: „Unsere Zielgruppe will mit der Marke interagieren“, heißt es bei den Herzogenaurachern.

Damit sei die „Marketingschlacht rund um die WM völlig anders als vor vier Jahren“, sagt Branchenexpertin Barbara Smit vom Fachmagazin „Sporting Goods Intelligence“. Sie habe den Eindruck, die großen Konzerne hätten ihre Werbekosten massiv gesenkt, „auch wenn das offiziell keiner zugeben will“, denn Online-Werbung ist viel preiswerter zu haben als klassische. Hartmut Zastrow, Vorstand des auf die Sportbranche spezialisierten Kölner Beratungsunternehmens Sport + Markt, sieht die Konzerne gar als Vorreiter: „Die Sportartikler sind mit die Ersten, die ihr Marketing im großen Stil in die Neuen Medien verlagert haben.“ Sie machten vor, sagt Werber Zilligen, „was mit einiger Verzögerung auch bei vielen anderen Konsummarken Schule machen wird“. Nike, Adidas und Co., sagt Zilligen, „waren schon immer die Speerspitze für Kreativität in der Werbung“.

35 Dollar für den Swoosh

Den Trend dafür setzte vor allem ein Mann: Als der begeisterte Mittelstreckenläufer Phil Knight Anfang der Sechzigerjahre auf der Bildfläche auftaucht, krempelt er das traditionelle Geschäftsmodell des von Adidas als weltweite Nummer eins dominierten Sportartikelmarktes komplett um. Statt eigene Fabriken zu unterhalten, konzipiert Knight sein Unternehmen als Marketingmaschine.

Unter dem Namen Blue Ribbon Sports gestartet, tauft Knight das Unternehmen 1972 um in Nike. Die Studentin Carolyn Davidson soll für ihren Entwurf des Swoosh genannten Markenzeichens zunächst gerade mal 35 Dollar erhalten haben – heute, knapp 40 Jahre später, ist die Marke laut Interbrand mehr als 13 Milliarden Dollar wert. Zuletzt meldete der Riese einen Jahresumsatz von 19,2 Milliarden Dollar. Vor wenigen Tagen kündigte Knight-Nachfolger Mark Parker an, bis 2015 wolle Nike die Erlöse auf 27 Milliarden Dollar steigern.

Nicht annähernd zu refinanzieren

Einen großen Beitrag liefern soll das Fußballgeschäft. Hier liegt Nike laut Parker inzwischen gleichauf mit Adidas – umgerechnet 1,3 Milliarden Euro setze die Häkchen-Marke mit Fußballprodukten um. Zusammen mit der englischen Fußballmarke Umbro, die Nike Ende 2007 übernommen hatte, sei der US-Konzern mittlerweile „die größte Fußball-Company der Welt“.

Das Tempo, mit dem Nike das erreicht hat, ist beachtlich – ernsthaft in Fußball investiert der Konzern erst seit 1994, als die WM in den USA Knight das Potenzial der in Nordamerika bis dahin unterschätzten Sportart vor Augen führte. Damals stattete Adidas 10 von 24 WM-Teams aus, Nike kein einziges. Sogar die US-Elf lief in Leibchen aus Herzogenaurach auf. Dann legte Knight den Hebel um und investierte in die Entwicklung konkurrenzfähiger Fußballschuhe – vor allem aber ins Marketing.

1997 nahm Nike Brasilien unter Vertrag, zahlte für zehn Jahre 400 Millionen Dollar. Der inzwischen verlängerte Kontrakt läuft bis 2018, gilt also auch zur WM in Brasilien in vier Jahren. Nike pirschte sich außerdem an die beiden Adidas-Vorzeigeteams heran: den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft. Als beides scheiterte, kaufte sich Nike 2002 für 13 Jahre und 430 Millionen Euro beim britischen Vorzeigeklub Manchester United ein. Von 2011 an statten die Amerikaner zudem die französische Elf aus, zahlen dafür angeblich 40 Millionen Dollar – pro Jahr. In der Branche sorgt der Deal für Kopfschütteln: „40 Millionen sind nicht annähernd zu refinanzieren“, sagt Sport+Markt-Chef Zastrow, „das hat schon fast etwas Verzweifeltes.“

Teams und Trikots: Die Ausrüster der Fußball-WM-Teilnehmer

Denn auch Adidas hat bei seiner Kernsportart das Tempo angezogen: Innerhalb von acht Jahren haben die Franken den Umsatz ihrer Fußballsparte um mehr als eine halbe Milliarde Euro gesteigert – von 800 Millionen Euro 2002 auf mehr als 1,3 Milliarden Euro, die der Konzern 2010 erzielen will. Dagegen setzt Puma, mit 2,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit drittgrößte Sportmarke, Branchenschätzungen zufolge mit Fußballschuhen nur gut 250 Millionen Euro um.

Viel spricht dafür, dass Adidas-Boss Herbert Hainer sein Umsatzziel erreicht: In den vergangenen beiden Quartalen legte das Fußballgeschäft jeweils zweistellig zu, zuletzt um 26 Prozent. „Unterm Strich hat Adidas dem Angriff von Nike viel zu verdanken“, sagt Zastrow, „die sind dadurch aufgewacht und geben heute wieder das Tempo im Fußballbereich vor.“ Allerdings musste auch Adidas viel Geld auf den Tisch legen. Neben Vereinen und Nationalteams hat sich der frühere Bayernliga-Stürmer Hainer an die Fifa gebunden: 250 Millionen Euro lässt es sich Adidas dem Vernehmen nach kosten, von 2006 bis 2014 mit der WM und einem guten Dutzend weiterer Veranstaltungen wie der Frauen-WM zu werben.

Herz und Seele

Gleichzeitig mussten die Franken erkennen, dass Fußball zwar „Herz und Seele der Marke“ (Stamminger) sein mag. Jedoch verlor Adidas im ersten Quartal 2010 in Sportarten wie Laufen und Basketball Umsatz. Daher zielen die Herzogenauracher jetzt darauf, dass sich ihr Fifa-Investment stärker als bisher für das ganze Unternehmen auszahlt. Auch andere Sportarten sollen den Auftritt in Südafrika als Werbeplattform nutzen. So trugen die spanischen Tennisspieler im Davis Cup schon mal die knallroten Trikots des iberischen Fußballteams und WM-Mitfavoriten.

Vor allem aber will Vorstand Stamminger Design- und Marketingkonzepte aus dem Fußball auf andere Sportarten übertragen. So hat Adidas seine Schuhe, Trikots und Torwartpullis nun durchgehend drei typischen Spielercharakteren zugeordnet: dem jungen Wilden (dazu rechnet Adidas Spieler wie den Argentinier Messi), dem eleganten Techniker (Philipp Lahm) sowie dem dynamischen Anführer (Typ Ballack). Jede Linie hat ein wiedererkennbares Design und entsprechende Ausstattung. So sind die Schuhe der F50 genannten Kategorie Messi meist knallig-bunt und besonders leicht.

Fans mit Online-Tagebüchern anlocken

Nach diesem Konzept will Adidas in Zukunft auch etwa Laufshirts und Basketballschuhe gestalten: „Das wird im Markt von Frühjahr und Sommer 2011 an massiv sichtbar werden“, kündigt Stamminger gegenüber der WirtschaftsWoche an.

Das gilt für die Adidas-Läden – und online. Auf Facebook können die Nutzer schon heute ausprobieren, welcher der drei Spielertypen sie sind. Und gut möglich, dass bei der WM Adidas-Helden wie Messi und Ballack ihre jungen Fans mit Tagebüchern vor die Rechner locken – der Online-Shop ist dann praktischerweise nur noch einen Klick entfernt.

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