10 Jahre nach Arcandor-Insolvenz „Es war von Anfang an absehbar, dass Quelle keine Zukunft hat“

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„Mindestens fünf Jahre werden wir noch brauchen“

Trotzdem wurde ein Investorenprozess aufgesetzt. Warum?
Man will keine noch so kleine Chance ungenutzt lassen – und als Insolvenzverwalter muss man natürlich auch gegenüber Gläubigern, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit belegen können, dass man alles versucht hat. Deshalb haben wir einen professionellen Verkaufsprozess gestartet und eine Bank eingeschaltet. Die wiederum hat potentielle Interessenten angeschrieben, die Bücher wurden geprüft und Verhandlungen gestartet und am Ende sind alle – wie erwartet – abgesprungen. Es bedarf manchmal vielleicht einfach einer gewissen Zeit der Gewöhnung an die Faktenlage. Die Menschen müssen sich darauf einstellen, dass es scheitern kann. Das war bei Quelle der Fall.

Karstadt konnte dagegen an einen Investor übertragen werden. War die Ausgangslage so viel besser?
Da wir im Präsenzhandel kein Ratengeschäft finanzieren mussten, konnten wir aus den Umsätzen unmittelbar die nächsten Wareneinkäufe bezahlen. Wir waren daher in der Lage für eine Übergangszeit von einem Jahr das Geschäft zur Suche eines Investors „am Leben“ zu halten.

Was hat der Verkauf den Karstadt-Gläubigern gebracht?
Es steht noch eine Ausschüttung aus. Bislang haben die Karstadt-Gläubiger rund fünf Prozent ihrer Forderungen erhalten.

Wann werden die Insolvenzakten von Karstadt, Arcandor und Quelle endgültig geschlossen?
Bis der letzte Ratenkäufer gezahlt hat, vergeht Zeit. Dann beginnt das Inkasso einzelner Forderungen. Diese Forderungen werden in verschiedenen Portfolien gebündelt und weitergekauft. Damit sind wir fast durch. Anschließend müssen noch steuerliche Aspekte geklärt werden. Dann folgt bei Quelle die Schlussrechnung. Zwischen den Verfahren müssen Quoten ausgeschüttet werden. Auf Arcandor-Ebene laufen zudem noch mehrere Rechtsstreite, unter anderem gegen den früheren Vorstandschef Thomas Middelhoff und weitere ehemalige Manager und Aufsichtsräte. Auch gegen die Wirtschaftsprüfer sind Schadenersatzklagen anhängig. Am Ende müssen noch die Gläubigeradressen aktualisiert werden.

Das klingt nicht nach einem raschen Abschluss der Insolvenzverfahren.
Mindestens fünf Jahre werden wir bis zum Abschluss der Arcandor-Insolvenz-Verfahren noch brauchen. Das ist bei einem Verfahrenskomplex dieser Größenordnung aber durchaus normal. In Nürnberg lagern wir noch rund 15.000 Paletten und Transportboxen randvoll mit Akten, die wir mindestens zehn Jahre aufbewahren müssen.

Die Frist ist bald abgelaufen. Was geschieht mit den Akten?
Wie prüfen gerade, wie sich der Preis für Altpapier entwickelt. Vielleicht springt durch die Verwertung über einen Entsorger sogar noch etwas für die Gläubiger heraus.

Würden Sie einen Verfahrenskomplex wie den Arcandor-Fall noch einmal übernehmen?
Klar, sofort.

Sie haben hier nur eine Handvoll Mitarbeiter. Wie wollen Sie ein Großverfahren stemmen?
Ehrlich gesagt brauchen Sie bei Konzerninsolvenzen gar nicht so viele Leute, da ist oft auch viel Show der großen Kanzleien dabei. Sie brauchen ein paar Spezialisten und müssen mit den vorhandenen Mitarbeitern arbeiten. Das sind die Experten, die sie brauchen…

… und die für eine Krise im Unternehmen oft mitverantwortlich sind. Wie wollen Sie die in die richtige Richtung steuern?
Das hat viel mit Menschenführung zu tun – und etwas mit Kontrolle. Oft werden bei Insolvenzen sofort die Chefs ausgetauscht – das ist aufwendig und teuer. Denn die Expertise muss erst von außen reingeholt und bezahlt werden. Im Grunde muss man Leute sehr schnell einschätzen können. Wenn jemand krumme Geschäfte macht, muss man ihn aussortieren. Aber in der Regel kann man mit vielen Geschäftsführern gut und konstruktiv zusammenarbeiten. Wenn jemand ordentlich mitarbeitet, hilft das Kosten zu sparen – das nutzt den Gläubigern und sollte auch berücksichtigt werden, wenn es am Ende um Verantwortungsfragen und Regressforderungen geht.

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