Cannabis-Unternehmer Niklas Kouparanis „Die SMS an den Dealer um die Ecke muss komplizierter sein als die Bestellung im Onlineshop“

Quelle: imago images

Die Freigabe von Cannabis in Deutschland rückt näher. Der Gesetzesentwurf hat aber einige gefährliche Lücken, sagt Niklas Kouparanis, Chef von Deutschlands größtem Cannabis-Unternehmen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Niklas Kouparanis ist Vorstandschef und Mitgründer der Bloomwell Group. Diese ist mit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Deutschlands größtes Cannabis-Unternehmen. Zur Gruppe gehören Algea Care, ein Telemedizin-Unternehmen für medizinisches Cannabis, sowie Ilios Santé und Breezy Brands. Mit Breezy hat Kouparanis Europas erste Lifestyle-Cannabismarke ins Leben gerufen.

WirtschaftsWoche: Herr Kouparanis, vor kurzem hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene vorgelegt. Sind Sie zufrieden?
Niklas Kouparanis: Im aktuellsten Entwurf befindet sich kein THC-Limit mehr – die Wirkstoffgrenze wird nun nur noch für 18- bis 20-Jährige Konsumenten diskutiert. Das ist ein Fortschritt, denn mit einem THC-Limit wäre der Schwarzmarkt gestärkt worden. Was ich noch anprangere: dass wir Importe nicht erlauben. Das ist gefährlich, da ohne Importe die Nachfrage das Angebot übertreffen wird. Alle drei Produzenten in Deutschland haben in der ersten Jahreshälfte nur 250 Kilogramm zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zum Bedarf, der allein im medizinischen Bereich pro Halbjahr etwa 20 Tonnen beträgt, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Bedarf des Genussmittelmarkts dürfte bei 400 Tonnen pro Jahr liegen. Es wird also nicht von Anfang an der gesamte Bedarf aus heimischer Produktion kommen können.

Wie lange würden Sie dem deutschen Markt geben, um die Nachfrage bedienen zu können?
Etwa bis zu drei Jahre. Dabei geht es nicht nur um das allgemeine Volumen, sondern beispielsweise auch den Faktor Outdoor-Kultivierung. So gut sich im Sommer Outdoor-Cannabis produzieren lässt: Als Blüte für den Verkauf an den Konsumenten eignen sich die Erzeugnisse qualitativ kaum. Outdoor-Cannabis kann nur für die Weiterproduktion, beispielsweise die Extraktion von Ölen, genutzt werden.

Niklas Kouparanis ist Vorstandschef und Mitgründer von Deutschlands größtem Cannabis-Unternehmen, der Bloomwell Group. Quelle: Detlef Gottwald

„Cannabis made in Germany“ und strenge Auflagen sollen Vertrauen schaffen. Allerdings lässt sich in Ländern wie Portugal weitaus günstiger produzieren. Könnten Importe langfristig eine Bedrohung für den deutschen Cannabismarkt darstellen?
Handel ist sogar notwendig. Man könnte zum Beispiel ein Inter-se-Agreement abschließen, gemeinsam mit Kanada, wo Cannabis bereits legalisiert ist – und wo es eine immense Überproduktion gibt. Kanada ist nach wie vor einer der größten Lieferanten für medizinisches Cannabis in Deutschland. Mit höchsten Qualitätsstandards.

Also muss es auf lange Sicht einen internationalen Wettbewerb geben?
Ich spreche gar nicht dagegen, dass wir auch eine heimische Produktion haben sollten. Auch diese ist notwendig, um den Bedarf zu decken. Aber das Cannabis-Angebot wird vor allem anfangs nicht nur aus heimischer Produktion stammen können. Und da bieten sich manche Länder für den Import gut an. Das ist auch wichtig, um gute Preise zu schaffen, gerade bei den Energiekosten in Deutschland, die auf absehbare Zeit ja nicht wieder in den Keller fallen werden. Für hochqualitatives Cannabis und um dem Schwarzmarkt die Stirn bieten zu können, braucht man zumindest im Indoorbereich enorm viel Strom.

Billigstrom als Waffe gegen Dealer?
Die Energiekrise treibt den Preis nach oben. Um dem Schwarzmarkt die Stirn zu bieten, haben wir uns einen Preis von zehn Euro an der Abgabestelle als Ziel gesetzt. Das können wir nur einhalten, wenn wir möglichst günstig produzieren. Das Eckpunktepapier sieht zudem vor, dass in der Produktion Nachhaltigkeitsziele berücksichtigt werden sollen, was wir sehr begrüßen.

Mit Ihrer Marke Breezy vermarkten Sie Cannabis als Lifestyleprodukt. Kann das gutgehen?
Ich glaube, dass wir den Fakten ins Gesicht sehen und verstehen müssen, dass es beim Cannabis bereits gewisse Communitys und einen Lifestyle gibt. Es ist wichtig, dass wir ein Marktumfeld schaffen, das Konsumenten anspricht und vom illegalen Markt wegholt. Die Industrie muss qualitativ hochwertiges Cannabis zu fairen Preisen gewährleisten können. Es ist ganz wichtig, dass wir Konsumenten den Zugang und auch die Aufmerksamkeit geben, die sie brauchen, um eine Marke zu finden, der sie vertrauen. Damit sie sich nicht mehr das Cannabis auf dem illegalen Markt besorgen.

Zieht eine Legalisierung nicht auch Personen an, die noch kein Cannabis konsumieren?
Auch der Schwarzmarkt zieht potenzielle Neukunden an. Cannabis ist sehr einfach zu erwerben heutzutage, in sämtlichen Großstädten und auf dem Land. Wer Cannabis konsumieren möchte, kann das auch heute tun. Wir wollen die Menschen abholen, die Cannabis aktuell schon konsumieren, und ihnen höchstmöglichen Schutz und qualitativ hochwertige Produkte anbieten.

Die Opposition und der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, Andreas Gassen, befürchten durch die Legalisierung eine Zuspitzung von Suchtproblemen und eine Ausweitung des illegalen Drogenhandels.
Das sehen wir anders. Wir legalisieren, weil diese Art der Prohibition politisch gescheitert ist und ihr Ziel, das Wohl der Menschen, verfehlt hat. Das Gegenteil ist der Fall: Verunreinigte Cannabisprodukte gefährden die Gesundheit von Konsumierenden, erhöhen sogar das Suchtpotenzial, und Jugendliche können einfach an quasi jeder Ecke Cannabis kaufen. Viele Bundesstaaten der USA, Uruguay und Kanada haben Cannabis legalisiert, und auch dort kam es nicht zu den befürchteten negativen Folgen. Die entscheidende Frage ist: Wie legalisiert man? Die Legalisierung ist überfällig und der richtige Weg. Wir müssen sie nur richtig angehen – darum geht es.

Wie macht man es denn richtig?
Es braucht Importe und niedrige Preise. Zudem muss der Onlinehandel problemlos möglich sein. Die SMS an den Dealer um die Ecke muss komplizierter sein als die Bestellung im Onlineshop. Deswegen ist es auch in Deutschland extrem wichtig, den Onlinehandel zu legalisieren. Um dem Schwarzmarkt auch dort keine Chance zu lassen. Wir plädieren dafür, die Hürden auf dem legalen Markt möglichst niedrig anzusetzen, um dem illegalen Markt nicht die Chance zu geben, dass er sich weiter festigt.

Warum ist die bisherige Cannabis-Politik in Deutschland Ihrer Meinung nach gescheitert?
Der Cannabiskonsum wurde nicht dadurch unterbunden, dass man ihn kriminalisiert. Es ist heutzutage einfacher denn je, Cannabis zu bestellen. Wir haben das Darknet, wo die Jugend sich versorgt. Wir haben keinerlei rechtliche Rahmenbedingungen, keine Kontrolle der Qualität, keinen Jugendschutz. Das sind Dinge, die man als Gesellschaft nicht länger hinnehmen kann – und die für mich für eine gescheiterte Drogenpolitik sprechen. Deswegen ist es auch völlig richtig, was das Gesundheitsministerium plant. Ob es bei der EU durchgeht, ist eine andere Frage.

Halten Sie es für umsetzbar, Ihre Produkte zu vertreiben und gleichzeitig nicht aktiv für Cannabis zu werben?
Wir haben diese Situation im medizinischen Bereich bereits. Auch dort dürfen wir keine produktbezogene Werbung machen, was auch vernünftig ist. Es gibt aber Informationspflichten. Wo finde ich die Abgabestellen, was gibt es in diesen Abgabestellen? Das sind Dinge, die müssen wir publizieren können. Das ist glücklicherweise auch im Entwurf so vermerkt.

Wie schützen Sie als Unternehmer Heranwachsende?
Ich sehe mich ganz klar in der Verantwortung. Es ist ganz wichtig, dass wir Jugendschutz gewährleisten, dass wir eine hohe Qualität haben, dass wir kein Gefahrenpotenzial durch synthetische Cannabinoide haben. Natürlich werden auch wir einen Teil unserer Einnahmen zur Verfügung stellen, um Aufklärung zu betreiben. Das kann man jedoch alles nicht auf einem illegalen Markt. Sobald also Cannabis legalisiert ist, werden wir Aufklärung betreiben und anders als auf dem illegalen Markt strikte Alterskontrollen garantieren.

Wie bereitet sich Ihr Unternehmen konkret auf die Legalisierung vor?
Wir entwickeln neue Produkte im medizinischen Markt, gleichzeitig aber auch für den heimischen Freizeitmarkt. Wir sind nicht am Anbau interessiert, da sich Deutschland meiner Meinung nach nicht sehr gut zum Anbau eignet. Mit unserem Portfolio Unternehmen Breezy Brands haben wir auch die Online-Apothekenplattform Grüne Brise gegründet, mit der Patienten einfach und zeitsparend Cannabis Online bestellen können und die in Kürze vollumfänglich starten wird. E-Commerce ist überhaupt ein wichtiger Faktor für den Cannabis-Markt, den wir gerne auch für den Freizeitmarkt nutzen würden. Zu diesem Zweck investieren wir aktuell auch mehrere Millionen Euro in unsere IT-Strukturen.

Lesen Sie auch: Endlich high? Das bedeuten die Legalisierungspläne für Cannabis-Aktien

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%