Globales Vorbild Was Deutschland bei der Cannabis-Legalisierung von Uruguay lernen kann

In Uruguay hat man Erfahrungen mit einem schweren Legalisierungsprozess. Quelle: imago images

Uruguay hat als erstes Land weltweit 2013 Cannabis legalisiert, von der Produktion bis zum Konsum. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen für die anstehende Legalisierung in Deutschland. Ein Ortsbesuch.

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Uruguay ist ein kleines Land in Südamerika, das für seine Stabilität und vorsichtigen Politiker bekannt ist. Umso erstaunter war die Weltöffentlichkeit, als das südamerikanische Land 2013 als erstes Land weltweit den Cannabis-Markt vollständig legalisierte. Der damals regierende Präsident José Mujica, ein Blumenzüchter und ehemaliger Guerillero, wollte vor allem die wachsende Macht der Narco-Mafias im südamerikanischen Staat brechen.

Denn das für Südamerika kleine Land – halb so groß wie Deutschland, aber mit nur 3,5 Millionen Einwohnern – ist eingekesselt von Staaten, in denen die Drogenmafias mächtige Akteure geworden sind: Brasilien, Argentinien und Paraguay.

Mit der Legalisierung wollte Mujica den Befreiungsschlag wagen – auf einem Kontinent, wo die jahrzehntelange Repression gegen Drogen offensichtlich gescheitert ist. Wegen seiner beherzten Aktion und Uruguays Sonderrolle als Vorzeigedemokratie in Lateinamerika kürte das Wirtschaftsmagazin Economist Uruguay 2013 zum „Land des Jahres“.

Schon deshalb sind die Erfahrungen in Uruguay für die anstehende Legalisierung in Deutschland interessant. Die deutsche Regierung hat in ihren Koalitionsvertrag die umfassende Legalisierung von Cannabis vereinbart.

Dadurch will die Ampelkoalition einerseits die Qualität des Marihuanas kontrollieren. Die Konsumenten sollen – analog zum Alkoholkauf in der Kneipe – wissen, ob sie ein Glas Cidre oder Vodka vor sich haben. Der Schwarzmarkt soll ausgetrocknet und der illegale Markt der Kontrolle der Drogenmafias entzogen werden.

Gerade hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Eckpunkte für eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorgestellt. Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm sollen straffrei, privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt und ein Verkauf an Erwachsene möglich werden.

Doch ein konkreter Gesetzentwurf soll erst vorgelegt werden, wenn sich abzeichnet, dass es von der EU gegen die geplante Cannabisfreigabe keine rechtlichen Einwände gibt.



In Uruguay hat man Erfahrungen mit dem schwierigen Legalisierungsprozess. Dort war es für die Regierung, Behörden und Gesetzgeber ein Sprung ins kalte Wasser: „Wir betraten juristisch völliges Neuland“, sagt Daniel Podestá, auf Cannabis spezialisierter Rechtsanwalt in Montevideo. Denn bei einer Legalisierung müssen nicht nur Produktion, Vertrieb und Verkauf geregelt werden. Es sind Gesetzesänderungen nötig im Jugend- und Verbraucherschutz, im Steuer- und Strafrecht, bei den Zöllen.

In Uruguay bremsten sich die Ministerien teilweise gegenseitig aus: Das Landwirtschaftsministerium wollte zuständig sein, weil Cannabis ein Agrarprodukt sei. Die Gesundheitsbehörden wiederum interpretierten Cannabis als ein medizinisches Thema. Dann wechselte 2015 die Regierung. Der nachfolgende Präsident Tabaré Vázquez hielt nicht viel von der Legalisierung und verzögerte die Umsetzung. „Wir konzentrierten uns vorrangig auf die Konsumenten, um irgendwie voranzukommen“, sagt Podestá.

Es gibt seitdem Lizenzen für Produzenten, welche ihre Ernte an den Staat verkaufen. Über Apotheken können 50.000 registrierte Nutzer bis zu zehn Gramm Marihuana die Woche beziehen. Es gibt zwei Sorten: die eher entspannende Indica oder die eher aufputschenden Sativa. Der THC-Gehalt beträgt neun Prozent. Daneben sind heute 224 Züchterclubs erlaubt. Genau 99 Pflanzen dürfen sie kultivieren, maximal 45 Mitglieder dürfen sich beteiligen. Registrierte Kiffer wiederum können für den Eigenbedarf sechs Pflanzen ziehen.

Die Umsetzung der Legalisierung vollzog sich schleppend: Erst drei Jahre nach der Verkündung begannen die ersten Apotheken mit dem Verkauf. In ganz Uruguay sind es nicht mehr als zwei Dutzend Apotheken, die mitmachen. Geschätzt nur rund 20 Prozent der Kiffer werden heute vom Staat versorgt. Zu wenig, heißt es beim staatlichen Cannabis-Regulierer Instituto de Regulación y Control del Cannabis (IRCCA). Zu schwach sei das staatliche Kraut. Jetzt sollen stärkere Sorten mit 16 Prozent THC auf dem kontrollierten Markt kommen.

Aber immerhin: Rund 20 Millionen Dollar – so lauten unabhängige Schätzungen – landeten bis heute im legalen Cannabis-Kreislauf. Das sind 20 Millionen Dollar, die nicht bei den Narcos gelandet sind. Der anfängliche Widerstand in der Bevölkerung gegen die Legalisierung ist einer vorsichtigen Zustimmung gewichen. Das Stigma von Marihuana als einer Droge der Marginalität verliert sich.

Auch die Befürchtung, zum Kifferspot in Lateinamerika zu werden, hat sich nicht bestätigt. In Montevideo riecht es seltener nach Marihuana als an den Stränden Rios oder bei Konzerten in Buenos Aires, wo der Konsum verboten ist. Uruguays Legalisierung wurde in Lateinamerika genau beobachtet. Kolumbien, Ecuador und Mexiko sind dabei, den gleichen Weg zu gehen.

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