DFB wechselt von Adidas zu Nike Darum konnte der DFB nicht Nein sagen

Bald nicht mehr in Adidas auf dem Rasen: die deutsche Nationalmannschaft. Quelle: AP

Ab 2027 wird Nike den langjährigen Ausrüster Adidas beim Deutschen Fußball Bund ablösen. Fans und sogar Politiker sind empört. Doch die Entscheidung ist vernünftig – und ein Hinweis, dass beim DFB wirtschaftlicher Sachverstand endlich mehr Gewicht erhält. Ein Kommentar.

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Der DFB-Präsident blieb sachlich: Er habe Präsidium und Vorstand des Verbandes darüber informiert, dass dem DFB „ein wirtschaftlich sehr interessantes Angebot der Sportartikel-Firma Nike“ vorliege. Es gehe um einen langjährigen Ausrüstervertrag, der die aktuellen Konditionen weit übertreffen würde. Das war im Dezember 2006. Der DFB-Präsident hieß Theo Zwanziger, und der DFB-Ausrüster war der fränkische Sportartikelkonzern Adidas. Theo Zwanziger ist längst weg, Adidas aber, Nike-Angebote hin oder her, hat sich wie in fünf Jahrzehnten vorher noch in jeder Entscheidung des DFB durchgesetzt. Bis jetzt.

Bei so viel Treue ist es kein Wunder, dass die Überraschung gestern groß war, als der DFB seine neueste Mitteilung versendete: Nike soll ab 2027 neuer Ausrüster des DFB werden. In den sozialen Netzwerken kommentierten Fans die Entscheidung als „traurig“ und nannten sie einen „Skandal“, beriefen sich auf die „Tradition“ und schimpften den DFB „Seelenverkäufer“. Selbst Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte die Entscheidung: Er hätte sich bei der Vergabe „ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht“. Adidas antwortete auf Nachfrage äußerst knapp und betont neutral: „Wir sind vom DFB heute darüber informiert worden, dass der Verband ab 2027 einen neuen Ausrüster haben wird.“

Seit dem Bestehen des Verbands rüstet Adidas den Deutschen Fußball-Bund aus. Unter Romantikern erzählt man sich wohl noch immer gern die zahlreichen Anekdoten dieser durchaus gewinnbringenden Allianz, angefangen bei Adidas-Firmengründer Adi Dassler und seinen innovativen Stollenschuhen, die der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im WM-Finale 1954 zum Sieg gegen die überlegenen Ungarn und damit zum „Wunder von Bern“ verhalfen. Es folgten drei weitere WM- und drei EM-Titel, während Adidas aus Herzogenaurach in die Welt expandierte. Der deutsche Fußball wuchs mit Adidas, und Adidas wuchs mit dem deutschen Fußball. Beide erreichten Weltspitze.

Der Deal mit Nike sorgt weiter für Diskussionen, Kritik aus der Politik am Wechsel weist der DFB zurück. Zwischen Wirtschaftsminister Habeck und DFB-Präsident Neuendorf könnte es sogar zum direkten Austausch kommen.

Und so hat die Welt von heute nicht mehr viel mit der von 1954 zu tun. Nike und Adidas sind die Nummer eins und die Nummer zwei auf dem Weltmarkt der Sportartikelindustrie, aus dem Volkssport Fußball ist ein globales Milliardengeschäft geworden. Es geht also hauptsächlich ums Geld. Und da hat Weltmarktführer Nike mittlerweile einen Vorsprung. Anfang der 1990er Jahre überholte Nike erstmals Adidas. Heute erwirtschaftet der US-Konzern etwa doppelt so viel Umsatz wie Adidas – und kann offensichtlich auch doppelt so viel bieten. Deswegen ist die Entscheidung des DFB für Nike keine Entscheidung gegen Adidas und gegen die Tradition, sondern schlicht für „das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot“, wie DFB-Geschäftsführer Holger Blask erklärte – und somit eine vernünftige Entscheidung, gerade angesichts der drohenden Steuernachzahlung, mit welcher der Verband noch zu rechnen hat, nachdem das Finanzamt Frankfurt ihm im vergangenen Jahr die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2014 und 2015 entzogen hatte.



Fans mögen die Entscheidung bedauerlich finden. Und natürlich wird es für die Anhänger eine große Umstellung sein, ab 2027 erstmals den Nike-Swoosh auf dem DFB-Trikot zu sehen anstelle der drei Streifen. Gewiss finden auch Romantik und Tradition ihre berechtigte Berücksichtigung bei solch einer Entscheidungsfindung, wo es ja immer noch um Fußball geht: um ein Spiel. Allerdings ist es ein Milliardenspiel, an dessen Ausgestaltung auch viele Jobs hängen, und wo es auch um die Förderung des Amateursports geht. 

Verwunderlicher als die heutige Entscheidung ist daher im Rückblick eher jene aus dem Jahr 2006, als Nike dem DFB schon einmal das deutlich bessere Angebot unterbreitete – und nicht zum Zuge kam. Welche Kräfte auch immer damals im Hintergrund beim DFB gewirkt haben: die der wirtschaftlichen Vernunft können es nicht gewesen sein.

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50 Millionen Euro jährlich soll Nike dem DFB damals geboten haben, über einen Zeitraum von acht Jahren. „Ein Wahnwitz“ sei das, echauffierte sich der damalige Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer: „Wenn wir das tun würden, würde jeder sagen, die bei Adidas sind verrückt.“ Und heute? Zahlt Adidas dem DFB 50 Millionen Euro pro Jahr. Niemand erklärt Adidas deswegen für verrückt. Vielmehr muss man sich fragen, wie es wohl zu bezeichnen wäre, wenn der DFB nun das Berichten zufolge doppelt so hohe Angebot von Nike ausschlagen würde? Vielleicht: verrückt.

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