Fahrradhandel „Zahlreiche Fahrradhändler wird dieser Preiskampf die Existenz kosten“

Wohin geht es für die Fahrradbranche? Quelle: imago images

Nach Jahren des Booms trifft die getrübte Verbraucherstimmung auch die Fahrradbranche. In dem kleinteiligen Markt zeichnet sich eine großflächige Konsolidierung ab. Am Ende dürften die großen Anbieter profitieren.

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Der Zeitpunkt war optimal: Im Dezember 2019 startete der E-Bike-Outletstore, ein Onlineshop für den Verkauf von E-Bikes. Wenig später begann die Coronapandemie – und die Absatzzahlen für E-Bikes und Fahrräder schnellten nach oben. Das Geschäft florierte und das Start-up eröffnete zusätzlich zum Digitalgeschäft bald schon einen kleinen Laden. Ende 2021 folgte der Umzug in einen größeren Standort. 

Doch der Erfolg war nur von kurzer Dauer: Vor wenigen Tagen meldete das Unternehmen Insolvenz an. Eine Anfrage der WirtschaftsWoche zu den Hintergründen der Krise blieb bislang unbeantwortet. Klar ist auch so: Die coronabedingte Sonderkonjunktur im Fahrrad- und E-Bike-Geschäft ist vorbei – der Markt steht vor einer Konsolidierung. Vor allem Newcomer und kleine Händler müssen ordentlich strampeln, um sich zu behaupten. Selbst größere Anbieter spüren, dass die Corona-Euphorie längst Skepsis gewichen ist. Bestes Beispiel: Bike24.

Das Dresdner Unternehmen ging im Juni 2021 an die Börse. Mitten in der Pandemie und zu einer entsprechend sportlichen Bewertung  von 15 Euro pro Aktie. Zwei Jahre später dümpelt der Kurs bei rund 3 Euro dahin.

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von Stephan Knieps

„Angesichts der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, des temporären Preiseinbruchs auf dem Markt und des späten Saisonstarts aufgrund des kühlen Frühlings steht die gesamte Branche vor kurzfristigen Herausforderungen“, sagt Bike24-Chef Andrès Martin-Birner – und übt sich dennoch in Zuversicht. Er blicke „optimistisch auf die kommenden Monate“. Schließlich hätten Megatrends wie grüne Mobilität, Nachhaltigkeit und Gesundheit weiterhin Bestand. Er sehe „bereits erste Signale einer Verbesserung der Marktlage“. Die Nachfrage nach Fahrrädern zeige in beiden Segmenten, sowohl bei E-Bikes als auch bei klassischen Fahrrädern, eine positive Entwicklung.

„Ruinöse 20 Prozent Rabatt“

Im ersten Quartal verbuchte Bike24 allerdings einen Umsatzrückgang um 10,5 Prozent auf 55,3 Millionen Euro. Dies „ist vor allem auf die zurückhaltende Verbraucherstimmung zurückzuführen“, erklärte das Unternehmen. Und auch die Preisentwicklung dürfte eine Rolle gespielt haben.



„Selbst für aktuelle Fahrradmodelle gibt es zum Teil ruinöse 20 Prozent Rabatt und mehr“, sagte jüngst Robert Peschke, Geschäftsführer von Little John Bikes, der WirtschaftsWoche. Das Unternehmen, ebenfalls mit Sitz in Dresden, betreibt mehr Standorte als jeder andere Fahrradhändler in Deutschland. Zahlreiche Fahrradhändler werde der Preiskampf am Ende die Existenz kosten, glaubt Peschke.

Verantwortlich seien Fehler aus der Boomzeit, als gestörte Lieferketten zu einem Mangel an Rädern geführt hätten. „Um angesichts der Lieferengpässe überhaupt an Räder zu kommen und in der Erwartung, dass der Boom so weiter gehen würde, haben viele Händler unerklärlich und zum Teil gierig viel Ware bestellt“, sagt Peschke. Womöglich hätten sie nicht damit gerechnet, dass diese Ware wirklich ausgeliefert wird. Aber genau das passiere gerade.

„Die Lieferengpässe der Vorlieferanten haben sich aufgelöst, Rückstände und teilfertige Produkte werden nun fertig produziert, gehen zum Händler – und müssen in der Regel sofort oder sehr schnell bezahlt werden“, sagt Peschke. Zusätzlich sei das Wetter zu kühl gewesen, das Rad-Geschäft funktioniere aber wie ein Eisladen: „Ohne Sonne geht nichts“, so Peschke. Die Folge seien vielerorts Rotstiftaktionen. Um rasch an Kapital zu kommen, würden viele Fahrradhändler jetzt „panisch“ die Preise senken.

Dass sich die Lieferungen wieder „merklich normalisiert“ haben, bestätigt auch Thorsten Heckrath-Rose, Geschäftsführer von Rose Bikes: „Die Situation hat sich stark verbessert und ist vor allem kalkulierbarer geworden.“ Die meisten Marktteilnehmer hätten die letzten Monate genutzt, ihre Kapazitäten auf die veränderte Situation mit teils erheblich höheren Stückzahlen im High End und deutlich geringeren im Einstiegsbereich anzupassen. In boomenden Segmenten wie Gravel- und Racebikes gebe es aber „nach wie vor immer wieder längere Lieferzeiten“, so Heckrath-Rose. „Bis sich alles neu sortiert hat und alle Folgeerscheinungen abgebaut sind, wird die Branche aber sicher noch bis ins erste Halbjahr 2024 brauchen.“

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Dass alle Anbieter bis dahin durchhalten, darf bezweifelt werden. „Wir stehen vor einer starken Konsolidierung und Professionalisierung im Fahrradmarkt“, erwartet Little-John-Bikes-Chef Peschke. Er will die Situation nutzen, „um weiter zuzukaufen und Marktteilnehmer zu übernehmen“.

Der Boom der Gravelbikes

Auch Rose Bikes und Bike24 können ihre Größe und Markenbekanntheit nutzen, um aus einer Position der Stärke zu agieren. „Die allgemeine Marktlage wird sich von Quartal zu Quartal aufgrund der soliden Nachfrage grundlegend entspannen, die hohen Lagerbestände fließen kontinuierlich ab und dann werden wir auch wieder profitables Wachstum sehen“, erwartet Bike24-Chef Martin-Birner.

Und bei Rose Bikes sieht Geschäftsführer Heckrath-Rose „einen ungebrochenen Trend zum Radfahren“. Sollten sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen „etwas stabilisieren, kann das zweite Halbjahr nochmal stärker werden“. Zudem setzt das Unternehmen verstärkt auf Trendprodukte und geht von einer „weiter stark wachsende Nachfrage nach Gravelbikes und Rennrädern“ aus. Spannend seien aber auch neuere sogenannte „Light Assist E-Bike Konzepte“, die eine moderate Elektro-Unterstützung böten, „wenn es wirklich drauf ankommt“, so Heckrath-Rose. Damit könne man Kurzstrecken im urbanen Raum auf dem Rad mühelos zurücklegen, oder „das Erlebnis am Berg für alle erlebbar machen.“

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