Wie sicher ist der Deal?
Noch müssen wichtige Punkte zwischen Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub, Edeka-Chef Markus Mosa und Rewe-Boss Alain Caparros abschließend geklärt werden, bevor Edeka Kaiser's Tengelmann im Rahmen der von Gabriel erteilten Sondergenehmigung (der sogenannten Ministererlaubnis) übernehmen darf. Derzeit rechnen Wirtschaftsprüfer durch, welchen Wert das Filialnetz hat und wie hoch der Kaufpreis ist, den Edeka an Haub überweisen muss. Grundlage dafür ist der Preis, auf den sich beide Seiten 2014 verständigt hatten. Edeka kann auf einen Nachlass hoffen - durch die zweijährige Hängepartie hat sich die Finanzlage bei Kaiser's Tengelmann weiter verschlechtert. Manche verunsicherten Kunden machten einen Bogen um die Läden, beim Wareneinkauf konnte Kaisers's Tengelmann mit dem Rücken zur Wand nicht mehr um bessere Konditionen feilschen.
Teil der Einigung ist, dass Rewe die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf „unverzüglich“ zurückzieht (wie zuvor Norma und Markant), sobald die Verträge unterzeichnet sind. Erst dann ist der gefundene Kompromiss wirklich belastbar. So verwundert es nicht, dass der ausgefuchste Rewe-Chef Caparros, der sich öffentlich lange einen verbalen Kleinkrieg mit Haub lieferte, die Klage als Faustpfand bis zum Schluss aufrechterhalten will und bis jetzt noch nicht zurückgezogen hat. „Da sie (Rewe) das aber noch nicht getan haben, verstehe ich den Bundesminister nicht, der glaubt, es gibt keine Stolpersteine mehr“, kritisiert der Berliner Betriebsratschef von Kaiser's Tengelmann, Volker Bohne, im RBB-Inforadio den Wirtschaftsminister. „Es gibt ja einen riesigen“, glaubt Bohne.
Edeka hat in der Schlichtungsvereinbarung Rewe zugesagt, Filialen in Berlin mit einem Bruttoumsatz von 300 Millionen Euro an den Konkurrenten abzutreten. Auch soll Edeka in der Region Lager, Verwaltung sowie das Fleischwerk Perwenitz in Brandenburg übernehmen - inklusive der bis zu siebenjährigen Arbeitsplatzzusagen, die Gabriel in seiner Erlaubnis Edeka auferlegt hat. Unbekannt ist bislang, welche konkreten Filialen in der Hauptstadt Edeka an Rewe abgibt.
Anders als Verdi-Chef Frank Bsirske, der die Schlichtung und Gabriel in höchsten Tönen lobt, ist DGB-Chef Reiner Hoffmann deutlich zurückhaltender: „Wir hatten ja schon mal einen Kompromiss gehabt, der hatte gerade mal 24 Stunden gedauert“, sagte er in der ARD. Dank Gabriels Ministererlaubnis haben die Gewerkschaften aber eine starke Verhandlungsposition gegenüber Edeka und Rewe. So müssen Verdi und NGG die endgültige Vereinbarung zwischen Edeka und Rewe noch absegnen. Eigentlich hatte Gabriel Edeka für fünf Jahre verboten, Filialen von Kaiser's Tengelmann an selbstständige Edeka-Einzelhändler oder an Dritte - wie jetzt Rewe - abzugeben. Dank einer Öffnungsklausel ist das aber möglich, wenn die Gewerkschaften keine Einwände haben.
Es ist davon auszugehen, dass das Bundeskartellamt prüfen wird, wie sich die Einigung auf den Supermarkt-Wettbewerb in den drei Regionen Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin auswirkt. Nur dort ist Kaiser's Tengelmann aktiv. Im Umfeld von Wirtschaftsminister Gabriel ist man zuversichtlich, dass die Kartellwächter die Lösung nicht blockieren. Nach dpa-Informationen waren Spitzenbeamte des Kartellamts in die Schlichtungsgespräche eingebunden. Allerdings war das Kartellamt von Anfang an strikt gegen das Geschäft, weil es die Marktmacht von Edeka zementiere. So sehen andere Experten eine erneute Prüfung keineswegs als Selbstläufer. „Wenn die führenden Unternehmen einen wesentlichen Teil des Supermarkt-Marktes unter sich aufteilen, ist das eine Absprache, die den Wettbewerb zulasten der Verbraucher einschränken kann“, sagte der Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, der „Rheinischen Post“.
Gabriel kündigte am Montag an, dass schon bis zum Wochenende die finanziellen Fragen zwischen Tengelmann, Edeka und Rewe geklärt sein sollen. Bis zum übernächsten Freitag (11. November) soll Rewe dann seine Beschwerde zurückziehen. Hinter den Kulissen heißt es aber, ganz so strikt sei der Fahrplan gar nicht - Hauptsache, am Ende gebe es eine verbindliche Lösung mit der Rettung der Jobs. In der Vereinbarung von Rewe und Edeka steht dazu wörtlich, eine Einigung werde bis zum 4. November „angestrebt“, die dann „möglichst“ bis zum 11. November umgesetzt werden soll. Ein handfestes Risiko bis zu einem Happy End bei Kaiser's Tengelmann gibt es noch: Wenn ein weiterer Wettbewerber vor Gericht Beschwerde einlegt. Dafür gibt es bislang aber keine Anzeichen.
Es gebe noch keine Annäherung bei der Umsetzung des von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder vermittelten Schlichterspruchs, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gespräche seien schwierig, sagte ein anderer Insider. Hauptstreitpunkt zwischen Rewe und Edeka, die Kaiser's Tengelmann unter sich aufteilen wollen, sei weiter die Verteilung der Märkte in Berlin: "Man kloppt sich um die Filial-Liste", sagte ein weiterer Insider. Schröder habe zwar die Richtung für eine Lösung vorgegeben, "aber noch ist nichts festgezurrt", sagte eine weitere mit dem Vorgang vertraute Person. Edeka, Rewe und Tengelmann wollten die Angaben nicht kommentieren.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte Ende Oktober einen erfolgreichen Abschluss der Schlichtung verkündet. "Nun ist klar, dass die Einigung komplett auf der Basis der Ministererlaubnis vollzogen wird", hatte Verdi-Chef Frank Bsirske gesagt. Es solle für sieben Jahre Sicherheit für die Arbeitsplätze geben, betonte Gabriel. Doch zentrale Details sind Insidern zufolge weiter umstritten. Neben der Verteilung der Filialen in Berlin seien dies Kaufpreise, die Verteilung der Lasten zwischen Edeka und Rewe sowie die Zukunft von Märkten in Nordrhein-Westfalen.
Vertreter der Supermarktketten hatten den Insidern zufolge am Freitag erfolglos versucht, einen Durchbruch zu erzielen. Die Gespräche sollen am Montag fortgesetzt werden. "Es kann gut sein, dass das am Montag auseinanderfliegt", sagte ein Insider. Noch gebe es aber Chancen auf einen Kompromiss, dieser müsse aber sowohl für Rewe als auch für Edeka wirtschaftlich vertretbar sein, sagte ein anderer mit den Gesprächen Vertrauter. Dieser müsse den Unternehmen zudem Rechtssicherheit bieten. Auch muss das Bundeskartellamt eine Einigung unter die Lupe nehmen.
Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands
Bartells-Langness
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)
Globus
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro
Rossmann
Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro
dm
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro
Lekkerland
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro
Metro (Real, Cash & Carry)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)
Aldi (Nord und Süd)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)
Rewe-Gruppe
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)
Edeka (inkl. Netto)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro
Quelle: TradeDimensions / Statista
Eigentlich wollte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub die verlustschreibende Kette als Ganzes an den Branchenprimus Edeka verkaufen. Das stieß aber beim Bundeskartellamt und bei Edeka-Konkurrenten auf Widerstand. Da Tengelmann die Kaiser's-Kette nicht behalten will, war Mitte Oktober die Zerschlagung eingeleitet worden. Nach Appellen unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gabriel zur Rettung hatte eine Schlichtung unter Schröder begonnen, die Gabriel und Bsirske am 31. Oktober für erfolgreich erklärten.
Insidern zufolge soll Rewe in Berlin Kaiser's-Tengelmann-Filialen mit einem Umsatzvolumen von rund 300 Millionen Euro erhalten. Die Läden in Bayern sollen an Edeka gehen. Im Gegenzug soll Rewe seine Klage gegen die Ministererlaubnis bis zum 11. November zurückziehen - die Gerichte wären dann aus dem Spiel. Bislang gehen die Verfahren aber weiter.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat für den 16. November einen neuen Verhandlungstermin zur Ministererlaubnis anberaumt. Dieser Termin ist Insidern zufolge aber nicht in Stein gemeißelt. Signalisierten die Parteien dem Gericht, dass sie sich außergerichtlich einigen wollten, könnte das Verfahren ausgesetzt werden.
Doch allzu viel Zeit bleibt trotzdem nicht für eine Einigung. Tengelmann-Chef Haub hat deutlich gemacht, dass ihm angesichts laufender Verluste der Kette die Geduld ausgehen könnte. Ohne eine Einigung käme es dann doch noch zum Einzelverkauf der Märkte und damit zur kompletten Zerschlagung.