Als ihnen im Jahr 2005 Thomas Middelhoff als neuer Vorstandschef vorgestellt wurde, hofften die Karstadt-Mitarbeiter: Nun werde alles gut. Es folgte die Insolvenz. Als im Jahr 2010 Nicolas Berggruen die Kaufhauskette übernahm, hofften sie erneut: Der Retter ist da. Es folgten Jahre des kaufmännischen Siechtums. Und dennoch hofften die 17.000 Mitarbeiter im vergangenen Jahr, als ihnen René Benko als neuer Eigentümer präsentiert wurde, erneut.
Unter Benko, 37, Immobilienentwickler und angeblich Milliardär, sollte endlich alles besser werden bei der abgeschlagenen Nummer zwei auf dem deutschen Kaufhausmarkt. Und Benko, der bereits 2012 Karstadt-Warenhäuser gekauft hatte, spielte mit dieser Erwartung. Er sei „zu Hilfe gerufen worden, um Berggruen als Gesellschafter abzulösen“, sagte er dem österreichischen Magazin „Format“.





Doch wie das im Karstadt-Reich in den vergangenen Jahren mit den Hoffnungen so war: Sie platzen meist noch schneller als die vielen Rettungsstrategien. Abermals drängt sich der Eindruck auf, dass Karstadt in die Hände eines Glücksritters gefallen ist, der bei „Sanierung“ eher an den eigenen Geldbeutel als an das Traditionsunternehmen denkt. Wer tiefer in das Firmengeflecht von Benkos Signa-Gruppe schaut, stößt auf zahlreiche Ungereimtheiten:
- Immobilien-Verschiebungen. Innerhalb der Signa-Gruppe werden Immobilien hin- und hergeschoben, teilweise sogar mit Gewinn untereinander verkauft. Manchmal ist Benkos größter Investor, der Reeder George Economou, als Zwischenhändler eingeschaltet. Er kauft einer Signa-Gesellschaft Anteile an einer Immobilie ab, um sie kurz darauf an eine andere Signa-Gesellschaft weiterzureichen – in einem Fall sogar am selben Tag. Fragen dazu beantwortete Benko nicht. Auf einen Katalog von 54 Fragen der WirtschaftsWoche schrieb sein Anwalt, dass sich eine Antwort darauf verbiete, „damit man unseren Klienten nicht den Vorwurf der Selbstbegebung machen kann“.
- Externe Geldgeber im Nachteil. Einiges deutet darauf hin, dass deutsche Versicherungen, die das Geld ihrer Kunden in einen Signa-Fonds steckten, bei mindestens einem derartigen Geschäft benachteiligt wurden, indem sie eine Immobilie zu billig an Benko verkauften (siehe Bildergalerie unten).
- Fragwürdige Gewinnquellen. Das gewichtigste Unternehmen des Gebildes, der Signa-Prime-Konzern, machte 2013 zwar 12,7 Millionen Euro Gewinn und schüttete 30 Millionen Euro Dividenden an Investoren wie Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking oder den österreichischen Bau-Mogul Hans-Peter Haselsteiner (Strabag) aus. Doch der Gewinn basiert wesentlich auf einer „Management-Fee“ von 38 Millionen Euro. Diese war fast genauso hoch wie die kompletten Mieteinnahmen des Konzerns. Wo die Gebühr so plötzlich herkommt, ist unklar. Im Vorjahr betrug dieser Einnahmeposten nur läppische 630.000 Euro. Ohne diese ominöse Geldquelle hätte Signa Prime einen Verlust ausweisen müssen.
- Interne Kredite. Auf Fragen nach der Solidität seiner Gruppe reagiert Benko aggressiv. Signa sei kapitalmäßig bestens aufgestellt, „mit einem Eigenkapitalanteil von mehr als 70 Prozent“, sagte Benko 2012 dem Magazin „News“. Wer etwas anderes behaupte, werde ab sofort verklagt. Doch im Signa-Reich wird mit Schulden ein großes Rad gedreht. Regelmäßig machen Kredite 70 Prozent des bilanzierten Immobilienwerts aus. Bedeutende Teile des benötigten Geldes werden in der Gruppe, meist über eine Kette an Gesellschaften, zusammengeliehen (siehe folgender Kasten).
Kreditketten in Benkos Signa-Gruppe
In Benkos Signa-Gruppe scheint prinzipiell jede Firma jeder anderen Kredit zu geben. Bleibt die Frage: Was soll das?
Schulden werden im Reich des René Benko kreativ verteilt. Der Kauf des noblen Hamburger Alsterhauses bietet eine Lehrstunde in moderner Finanz-Alchemie:
Die „Jungfernstieg 16–20 Immobilien KG“, die indirekt Benkos Signa-Prime-Gruppe und dessen Co-Investor Beny Steinmetz, gehörte, kauft das Alsterhaus. Anschaffungs- und Modernisierungskosten belaufen sich laut Bilanz auf 170 Millionen Euro. Davon leiht sich die KG 2013 knapp 116 Millionen Euro bei Banken. Das Eigenkapital der KG betrug Ende 2013 null Euro.
Weitere rund 53 Millionen Euro leiht sich die „Jungfernstieg 16–20 Immobilien KG“ für 6,35 Prozent Zins bei ihren Urgroßmüttern, der „Kaufhaus Immobilienholding A“ und der „Kaufhaus Immobilien Holding B“, beide Sitz Luxemburg. Zusammen saßen sie Ende 2013 auf nur 12 Millionen Eigenkapital, aber 500 Millionen Euro Schulden.
4. und 5. Kredit Die „Kaufhaus Immobilienholding A“ und die „Kaufhaus Immobilien Holding B“ leihen sich das Geld für etwa sechs Prozent Zins bei ihren Müttern – einer Firma von Benko-Partner Steinmetz und der „Signa Prime Luxemburg“.
6. Kredit Die „Signa Prime Luxemburg“ ihrerseits hat auch kaum Kapital. Sie leiht sich also auch wieder 258 Millionen Euro bei ihrer Mutter, der Signa Prime Selection AG. Hier endet die Kette – vorläufig.
Unter dem Strich kommt der Signa-Prime-Konzern bei 466 Millionen Euro Eigenkapital auf mehr als doppelt so hohe Schulden – zum Großteil bei Banken. Dass das Signa-Modell vor allem auf Pump basiert, wird auch nicht dadurch aufgewogen, dass die Signa Holding mit 211 Millionen Euro Eigenkapital zu 71 Millionen Euro Schulden laut letztem veröffentlichten Geschäftsbericht 2012 deutlich solider dastand. Der Signa-Prime-Konzern war 2013 mit einer Bilanzsumme von 1,9 Milliarden Euro sieben Mal so groß wie die Signa Holding.
Kettenkredite werden nicht nur jeweils innerhalb der drei Gruppen (Holding, Prime und Fonds) vergeben, sondern auch zwischen den Signa-Gruppen. Signa Prime etwa weist 2013 „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ allein gegenüber der Signa Holding über gut 20 Millionen Euro aus. Holding-Beteiligungen mit Sitz in Luxemburg gaben der Prime- Gruppe im selben Jahr auch ein paar Millionen Euro als verzinste Darlehen.
Den teuersten Kredit erhielt mit einem jährlichen Zinssatz von 20 Prozent die deutsche Sevens KG, Eigentümerin des gleichnamigen Düsseldorfer Kaufhauses und teilweise im indirekten Besitz des Signa-Fonds, in den deutsche Versicherer investiert haben. Das Oberpollinger in München zahlt für Signa-Geld immerhin noch gut acht Prozent Zins pro Jahr.
Kettenkredite innerhalb der Gruppe zu vergeben, statt mit Eigenkapital zu arbeiten, kann Vorteile haben: Zum einen können so regelmäßig liquide Mittel an die kreditgebenden Gesellschaften zurückfließen, und die können dadurch unter Umständen auch stabile Einnahmen und Gewinn ausweisen – unabhängig davon, wie es bei der Immobilie läuft. Für die Signa Prime Selection AG waren „Zinsen und ähnliche Erträge“ von verbundenen Unternehmen 2013 eine wichtige Einnahme.
Auffällig ist, dass die Immobilien indirekt in der Regel von Luxemburger Gesellschaften gehalten werden, über die auch die teilweise hoch verzinsten Kredite durchgeleitet werden. Zuletzt kam heraus, dass Luxemburg Konzernen, auch Signa, Finanztransaktionen genehmigt hatte, die halfen, Milliarden an Steuern zu vermeiden.
Es war im Jahr 2005, als der erste vermeintliche Retter bei der damaligen KarstadtQuelle AG den Chefposten besetzte: Der heute wegen Untreue in Haft sitzende, aber noch nicht rechtskräftig verurteilte Middelhoff übernahm als Vorstandschef einen Konzern mit schwindenden Umsätzen und hohen Schulden. Er verkaufte Immobilien des in Arcandor umbenannten Konzerns für 4,5 Milliarden Euro. Was aussah wie ein Befreiungsschlag, wurde zur tödlichen Falle: Die Mietverträge zwischen Karstadt und den neuen Immobilienbesitzern laufen über Jahrzehnte. Die Folge: Filialschließungen scheinen unbezahlbar.